Reisebericht: Rundreise Armenien

23.05. – 30.05.2018, 8 Tage Rundreise Jerewan – Berg Ararat – Norawank – Seidenstraße – Sevansee – Dilijan – Goshavank – Lermontowo – Haghpat – Gjumri – Saghmosavank


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Armenien - das älteste christliche Land, zwei Wochen nach einer friedlichen Revolution
Ein Reisebericht von
Dr. Jürgen Schmeißer

1. Tag (23.05.2018) Flug über Moskau nach Yerevan

Nach drei elftägigen Rundreisen durch Armenien, die Eberhardt-Travel zwischen 2011 und 2013 durchführte, einer mit Georgien kombinierten Reise im Jahre 2014 war es nun der Neustart der Destination Armenien mit einer achttägigen Rundreise. Im Vorhinein grübelte mancher über die politischen Verhältnisse, hatte doch der Präsident des Landes in einer Art Putinscher Rochade versucht, seine persönliche Macht als Ministerpräsident zu erhalten. Aber das Volk ging jeden Abend auf die Straße und erzwang einen neuen Machtoberen.
„Vor zwei Wochen hat die Revolution gesiegt", wie uns am Abend erklärt wurde.
Die kleine Reisegruppe von neun Gästen, via Berlin und Düsseldorf kommend, traf sich in Moskau Scheremetjewo, wo ein komplikationsloser Transit möglich ist. Nach dann nochmals fast drei Stunden Flug landeten wir mit einem A 321 der Aeroflot in Yerevan. Sehr zögerliches Kofferband, aber nach einer Stunde waren wir im Bus zum Hotel. Zu später Stunde noch ein kleines Abendessen und den ersten armenischen Wein...und für einige später Brandy auf der Terrasse vor dem Hotel.

2. Tag (24.05.2018) Jerevan, Etschmiadsin, Zvartnots

Nach dem Frühstück starteten wir unsere kleine Stadtrundfahrt zum Platz der Republik und durch Straßen, die vorrangig in den 30er Jahren des vergangenen Jahrhunderts entstanden. Die bauliche Substanz und Ornamentik nimmt Bezug zu den armenischen Traditionen und den im Land vorhandenen Gesteinen. So entwickelten sich farbliche Fassaden in den Tönen der Gesteine ohne Verputzung. Seit 1964 existiert auf einem kleinen Hügel in Jerevan die Gedenkstätte für die Opfer des Völkermords an der armenischen Bevölkerung. 2015 wurde das erweiterte Museum eröffnet, das nunmehr einen zusammenhängenderen Einblick in die Geschichte der Verbrechen zwischen 1876 und 1922 bietet. Anschließend fuhren wir nach Vagharschapat und statteten der alten Kirche St. Hripsime einen Besuch ab. Bei dieser Kirche lässt sich in den Erzählungen natürlich wahre Kirchengeschichte und Legende bestens vereinen. Nach dem üppigen und schmackhaften Mittagessen in einer Kunstschule in Etschmiadsin besichtigten wir das dortige Zentrum der armenischen, apostolischen Kirche und Sitz des Katholikos. Die Grundmauern der Kathedrale von Etchmiadzin gehen auf das Jahr 303 zurück. Mittlerweile wurden - aus Spendengeldern der Auslandsdiaspora - eine neue Taufkirche, ein Eingangstor mit open-air-Altar und ein riesiges Bibliotheksgebäude erbaut.
Auf der Rückfahrt nach Yerevan besichtigten wir die Ruinen des Tempels Zvartnots, der zum UNESCO-Weltkulturerbe zählt. Hinter den Säulen des Tempels erhob sich, heute kaum sichtbar, der Große Ararat. Bei Sonnenschein war am späten Nachmittag noch Zeit für einen Stopp an der Kaskade, der großen Treppenanlage Jerevans mit zahlreichen Ausstellungsstücken der Modernen Kunst. Zum Abendessen fanden wir uns in einer ehemaligen Druckerei ein, deren räumliche Großzügigkeit keine Platzangst trotz mehrerer Gäste aufkommen lässt. Das Abendessen wieder bestens; verschiedene Vorspeisen und als Hauptgericht gefüllte Weinblätter. Wer wollte, ging zu 21 Uhr zum musikalischen Fontänenspiel auf dem Platz der Republik.

3. Tag (25.05.2018) Chor Virap, Noravank, Selim – Pass, Sevansee

Ein langer Tag mit abwechslungsreichen Höhepunkten stand auf dem Programm. Zunächst fuhren wir durch verlassene Industriegebiete Jerevans, die von den Wiedersprüchen der armenischen Entwicklung zeugen. Unser Ziel war Chor Virap, jenes Kloster, fast direkt an der heutigen Grenze zur Türkei, wo der Heilige Gregory im Jahre Dreihundert eingesperrt worden sei. Der mächtige Berg Ararat dahinter war im Wolkenschleier nur zu erahnen. Weiter ging unsere Fahrt zum Kloster Noravank inmitten rötlich schimmernder Felsen am oberen Ende eines Canyons. Der erste Teil der Fahrstrecke führte uns in Nähe der Grenze zum aserbaidshanischen Nachitschewan vorbei. Hohe Erdwälle entlang der Straße, gepanzerte Schutzanlagen neben der Straße und auf der Bergkette künden von Krieg und Waffenstillstand, nicht vom Frieden. Geschichte hat immer viele Betrachtungsweisen! Noravank gehört wohl zu den schönsten Klöstern in Armenien, insbesondere durch seine Lage inmitten der Felsen. Mittagessen dann in einem Höhlencafe' wenige Kilometer unterhalb des Klosters: frische Vorspeisen, Lavash und gegrilltes Hühnerfleisch aus dem Tonir, dem Steinofen. Dazu leisteten wir uns zwei Liter Rotwein aus Areni, dem wohl bekanntesten Weindorf Armeniens.
In zügiger Fahrt erreichten wir am Nachmittag den Selim Pass und die größte erhaltene armenische Karawanserei aus der Seldschukenzeit. Auf den dreitausend Meter hohen Bergen im Umfeld noch deutliche Schneereste. In schneller Talfahrt ging es dann hinab zum Sevan-See, dessen Wasserspiegel wieder steigt. Nach Regierungsvorhaben soll der Wasseranstieg in zehn Jahren zwei Meter betragen - dann hätte man aber die Sommerresidenz des Präsidenten zu nahe am See gebaut....  An diesem schipperten wir mit unserer Bootsfahrt auf einem kleinen Teil des Sees in fast zweitausend Meter Höhe vorbei. Zum Tagesausklang erreichten wir Dilijan im bewaldeten Teil der armenischen Schweiz und unser angenehmes Best Western Hotel.

4. Tag (26.05.2018) Klöster Haghartsin und Goschavank, Dilijan

Ein kleines Programm ermöglichte uns einen späten Tagesbeginn. Zügig fuhren wir zum Kloster Haghartsin in den bewaldeten Bergen im Umland von Dilijan. Mehrere Kirchen aus der Bauzeit zwischem dem 10. und 14. Jahrhundert machen das stets unbewehrte - und deshalb von Seldschucken und Persern mehrfach zerstörte - Kloster aus. Besonders beeindruckend die Größe und Konstruktion des Refraktoriums.
Während das Kloster Haghartsin eher einer Einsiedelei - trotzdem mit Gästen - gleicht, stehen auf dem kleinen Parkplatz im Ortszentrum beim Kloster Goshavank mehrere Busse.
Dennoch hatten wir Raum für Betrachtung und Erklärung der Kirchen, einer ehemaligen Bibliothek und der Fragmente des Refraktoriums. Immer wieder beeindruckend hier die erhaltenen Kreuzsteine, die nicht zur Totenbeweinung sondern als Sinnbild des Aufstiegs von Jesus Christus errichtet wurden. Individuelles Mittagessen im Restaurant Carahunge in Dilijan: der Strom war ausgefallen, aber wir wollten ohnehin nur Salate oder würzigen Kirchererbsenbrei. Zum frühen Tagesabschluss dann noch ein Stopp im wiederaufgebauten Stadtzentrum von Dilijan, was eigentlich nur eine Gebäudezeile ist, in der sich verschiedene Andenkengeschäfte befinden. Schön von hier ist der Blick in die dreitausend Meter hohen Berge. Das Künsterhaus mit verschiedenen Naturholzdarstellungen ist eher etwas gewöhnungsbedürftig und kündet wohl mehr von einfachen Lebensverhältnissen der Menschen in Armenien.

5. Tag (27.05.2018) Lermontovo, Kloster Haghpath

Mit dem Kleinbus fuhren wir aus der Region Tavush in die Region Lori. Hier befinden sich mit Fioletovo und Lermontovo die letzten zwei Dörfer der Molokanen, einer russisch-orthodoxen Sekte, die sich nicht der orthodoxen Hauptkirche unterordnen und deren Vorfahren vor nahezu zweihundert Jahren im Kaukasus zur Russifizierung angesiedelt wurden. Mittlerweile sind die meisten Molokanen wieder nach Russland ausgewandert, weil die Lebensbedingungen und Zukunftschancen in Russland als günstiger angesehen werden. Im Ort Lermontovo empfing uns der armenische Ortsvorsteher mit Tee und Gebäck, da für Molokane der Sonntag heilig ist. So berichtete also der Armenier darüber wie es den Russen im Ort gehe. Weiter fuhren wir über Vanadzor, Stepanavan und Alaverdi zum Kloster Haghpat. Die Region Lori wurde 1988 stark von einem Erdbeben zerstört; seitdem oder wohl insbesondere seit der Unabhängigkeit stehen die riesigen einstigen Industrieanlagen still und verrotten. Wohnhäuser wurden nicht fertig gebaut, als der internationale Geldstrom versiegte. Glaube und Hoffnung ...
Haghpath ein großes Klosterensemble in den grünen Bergen - unter uns die Abluft einer noch produzierenden Kupferhütte - ist jedoch immer wieder eine Reise wert. Es war der erste Welterbetitel, der Armenien 1996 traf. Die nachmittägliche Busfahrt nach Gjumri von mehr als drei Stunden verging doch recht schnell: grüne hügelige bis bergige Landschaft, später zur Linken auch das Schneefeld des Aragat, des höchsten Berges Armeniens.
Abendessen dann in einem Fischrestaurant direkt an der kleinen Festung („malaja krepostj") - seit 1828 und noch immer Basis der russischen Streitkräfte: als Hauptgang gegrillter Stör - eine leckere Rarität.
Auf dem Hauptplatz von Gjumri am Abend Vorbereitungen zum morgigen Nationalfeiertag der ersten Unabhängigkeit.

6. Tag (28.05.2018) Gjumri, Saghmoshavank, Ohanavan, Jerevan

An diesem Tag jährte sich der 100. Jahrestag der ersten Unabhängigkeit eines armenischen Nationalstaates in Verwirklichung des Vertrages von Sevres. Die Entwicklung Armeniens zwischen 1918 und 1922 stand so im Mittelpunkt der geschichtlichen Darstellungen am Tage. Zunächst bummelten wir jedoch durch Gjumri, die zweitgrößte Stadt Armeniens, die vom Erdbeben 1988 stark in Mittleidenschaft gezogen wurde. Die Kirchen und das Rathaus sowie viele Wohnbauten stehen wieder; an mancher Ecke findet man aber noch nach dreißig Jahren deutliche Spuren des mit dem Erdbeben eingeleiteten Zerfalls. Das Stadtmuseum war am Museums-Schließ-Tag trotz Feiertag leider geschlossen.
So schauten wir uns zunächst das Kloster Saghmashavank und als Ausgleich das Kloster Ohanavan, eine der ältesten armenischen Klosteranlagen, an. Beide Klöster liegen am Rim oberhalb der Ashtarak - Schlucht und sind von Legenden verlorengegangener Geheimgänge geschmückt. Nach individuellem Schaschlikessen erreichten wir am sonnigen Nachmittag Jerevan und jeder hatte ausreichend Zeit, die Hauptstadt individuell am Feiertag zu erkunden. Abendessen im Restaurant "Provence" - die armenische Diaspora in Frankreich ist groß. Anschließend bummelten die Gäste noch zum Platz der Republik - ein warmer Feiertagsabend mit gefühlt Hunderttausenden auf den Straßen. Um 22 Uhr dann Feuerwerk über den Dächern von Jerevan - die meisten Gäste sahen es aus der siebenten Etage des Hotels Ani Plaza.

7. Tag (29.05.2018) Kloster Geghard, Garni, Matendaran

In Armenien gibt es keine Briefkästen, also war der Gang zur Hauptpost am Platz der Republik unerlässlich. Am Sender Jerevan vorbei - Marine kramte die entsprechenden Witze aus - fuhren wir bei diesigem Wetter, ohne Ararat-Sicht, nach dem Kloster Geghard. Mehrere Kirchenschiffe sind aus einem riesigen Felskoloss herausgeschnitten. Bezaubernd darin die Akustik des Chorgesangs. Nur eine halbe Stunde entfernt befindet sich ein heidnischer - also römischer - Tempel: Garni ist eine völlig ungewohnte Architektur nach unserer Armenienrundreise. Im gleichen Ort essen wir zu Mittag in einer "Bauernwirtschaft" Schaschlikfleisch aus dem Tonir und Lavash, die dünnen Brotfladen aus dem Bodenfass-Ofen. Zu nachmittäglicher Stunde besichtigten wir die Matendaran, größte wissenschaftliche Fundgrube und Museum für altarmenische Schriften; berechtigtes Unesco-Welterbe. Abendessen bei Frau Gayane - ohne Säbeltanz - aber mit Pianomusik, Lamm und so ein authentischer Abschied von Armenien mit zwei kräftigen Tropfen armenischem Brandys.

8. Tag (30.05.2018) mit Aeroflot von Jerevan über Moskau nach Deutschland

Vor der üblichen Frühstückszeit verließen wir das Hotel; hatten natürlich ausreichend Zeit dann am Jerwaner Flughafen. Der Doppelgipfel des Ararat begrüßte uns im Morgenlicht. Der A 321 brachte uns über Georgien, Südrussland - den Kuban - auf die südwestliche Einflugschneise nach Moskau Scheremetjewo. Nachdem wir Vnukowo und bereits Scheremetjewo unter uns sahen, zogen wir eine große Schleife über den Moskwa-Wolga-Kanal im Landeanflug. Auch Berlin erreichten wir superpünktlich. Acht Reisetage gingen zu Ende: christliches Armenien - wenige Tage nachdem Bürgerproteste Anfang Mai 2018 zu einem neuen Ministerpräsidenten führten. Wirklich eine Revolution? - Ich komme wieder...
Ihr Dr. Jürgen Schmeißer
Lesetipp: Karl Schlögel: Das sowjetische Jahrhundert. München 2018

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