Reisebericht: Rundreise durch Litauen, Lettland und Estland

19.06. – 01.07.2019, 11 Tage Baltikum–Rundreise mit Flug: Vilnius – Trakai – Kaunas – Klaipeda – Kurische Nehrung – Ostsee – Riga – Gauja–Nationalpark – Tartu – Peipussee – Tallinn – Lahemaa–Nationalpark


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Fast zwei Wochen in sehr entspannter Atmosphäre durch die drei baltischen Länder, Zeit auch für die Kleinigkeiten am Wege und zum Auspendeln.
Ein Reisebericht von
Andreas Höhn

19./20. Juni– Anreise, Trakai und Vilnius

In Frankfurt trafen sich alle Fluggäste mit dem Reiseleiter und pünktlich startete der Flug nach Vilnius. Dort erwarteten uns schon unsere örtliche Führerin Wanda Golnik und der Busfahrer. Wir fuhren gleich zur reich mit Stuckfiguren verzierten Barockkirche Peter und Paul, bevor wir in unserem Hotel eincheckten. Dies liegt am Rand der Altstadt in einem netten urbanen Viertel nahe der großen Markthalle unweit vom einzig erhaltenen Stadttor, dem Tor der Morgenröte mit der berühmten Madonna, die eines der wichtigsten Pilgerziele Litauens ist. Noch vor dem Abendessen im Hotel ging der Reiseleiter mit uns bis zum Kathedralenplatz und zeigte die wichtigsten Orientierungspunkte der Altstadt.
Nach dem Frühstück fuhren wir am zweiten Tag zur Wasserburg von Trakai, der einzigen dieser Art im Baltikum. Sie ist das Wahrzeichen des unabhängigen Litauen und ein Höhepunkt der Reise. Die nur über einen Steg erreichbare Burg wurde der Legende nach schon von Fürst Gediminas als Holzfestung errichtet, die mehrfach abbrannte. Ende des 14. Jahrhunderts errichtete Vytautas der Große die steinerne Burg mit diversen Anleihen beim Deutschen Orden in Stil und Fortifikation, so dass man sich in einer kleinen Ausgabe der Marienburg wähnt. Von hier regierten die Großfürsten ein Land, das von der Ostsee bis zum Schwarzen Meer reichte. Der durch leidvolle Erfahrungen misstrauisch gewordene Vytautas rekrutierte sich von der Krim, denn so weit ging sein Herrschaftsbereich, etwa 400 Familien der Karäer, ein Turkvolk, das im 7. Jahrhundert eine jüdische Sekte gebildet hatte, die sich zwar an der Thora, nicht aber an den Folgeschriften orientierte. Ganz nach dem Vorbild Kaiser Friedrich II. von Hohenstauffen, dessen Leibgarde aus sizilianischen Bergmuselmanen bestand, stellten diese Karäer die Leibwache für Vytautas. Auf dem festländischen Ortsteil sieht man noch ihre giebelständigen Holzhäuser mit den drei Fenstern: eins für Vater im Himmel, eins für den auf Erden und eines für Vytautas. Auch die Kerene, wie ihre Synagoge genannt wird, steht noch. Der abschließende Anblick der Wasserburg im Sonnenlicht war unvergesslich.
Zurück in Vilnius konnten wir uns im Hotel frisch machen. Dann betraten wir beim Tor der Morgenröte die Altstadt. Unser Spaziergang führte zu den wichtigsten Kirchen und Sehenswürdigkeiten. Genannt seien der Komplex der im 16. Jahrhundert als Jesuitenkolleg gegründeten ältesten Universität Litauens, sowie die Kathedrale am wieder aufgebauten Schloss der litauischen Großfürtsten, von dem aus das Geschlecht der Jagiellonen als Könige der litauisch- polnischen Union eines der größten Länder Europas beherrschten. Es ging zum gotischen Ensemble des Bernhardinerklosters und zur Theresienkirche. Während der anschließenden Freizeit erkundete jeder bei herrlichem Sommerwetter nach seiner Neigung die Stadt.
Abends traf sich die Gruppe um 18.15 Uhr, um zum Abendessen zu gehen, das im Restaurant „Berneliu Uzeiga", deutsch: Burschenschänke, gleich am Gediminas-Prospekt gereicht wurde. Die von engagierten Gastronomen wie eine Dorfschänke eingerichtete Braugaststätte verbreitete uriges Flair. Zu Trinken gab es Kwas, der Vorspeise mit Wurst und Käse folgte eine Suppe aus Roter Beete mit Gemüse, Pilzen und Sahne. Anschließend kamen die unvermeidlichen Zeppelinas, fleischgefüllte Taschen aus Kartoffelteig. Es folgten allerhand Kartoffelspeisen. Das alles ließ sich eigentlich nur mit hochprozentiger Verdauungshilfe halbwegs bewältigen. Gut gesättigt klang ein netter Abend aus.

21. Juni– Kaunas und Memel

Nach dem Frühstück fuhren wir nach Kaunas, wo wir direkt an der Brücke über den Memelfluß ausstiegen. Die angeblich längste Brücke der Welt verband einst Russland und Preußen und damit zwei unterschiedliche Kalender mit einer Differenz von zwei Wochen. Wir begannen mit der gotischen Vytautaskirche und dem spätgotischen Perkunashaus und gingen dann zum Rathausplatz mit der Kathedrale. In der anschließenden Mittagspause konnte jeder nach Belieben durch die Altstadt bummeln. Dann ging es weiter in unser nächstes Hotel nach Memel. Die Stadt hat unter Kriegen und Sowjetzeit gelitten, doch sind immer mehr bedeutende historische Gebäude zu sehen. Dazu zählt das eher schlichte Herrenhaus, in dem Preußenkönig Friedrich Wilhelm III. mit seiner Luise 1807/08 residierte, wodurch die Stadt zur preußischen Hauptstadt avancierte. Vorbei an alten Speichern und kleinen Bürgerhäusern spazierten wir zum Brunnen der Ännchen von Tharau, die durch das auf sie von Simon Dach gereimte Hochzeitsgedicht und dessen Vertonung populär wurde.

Samstag, den 22. Juni– Kurische Nehrung

Nach dem reichhaltigen Frühstück fuhren wir nach Nidden auf der kurischen Nehrung, wohin wir zunächst mit der Fähre übersetzen mußten. In Nidden erwartete uns schon ein Boot, das unser Reiseleiter bestellt hatte. Bei traumhaftem Licht schipperten wir über das Haff bis zur hohen Düne an der russischen Grenze. Stimmungsvoll wirkte das Haff in den frühen Sonnenstrahlen und ein guter litauischer Kräuterschnaps ließ wohlige Stimmung aufkommen. Dann spazierten wir durch Nidden und vorbei an bunten Fischerkaten ging es zum Friedhof mit der evangelischen Dorfkirche von 1888 und zum Hotel, das Ende des 19. Jahrhunderts von dem bekannten Mäzen Hermann Blode, dem Begründer der Künstlerkolonie in Nidden, erbaut wurde. Anschließend kamen wir zum Sommerhaus, das Thomas Mann sich vom Nobelpreisgeld 1929 über dem berühmten „Italienblick" hat bauen lassen. Der Bus brachte uns dann landseitig zur hohen Düne und dann zurück Richtung Memel. Die erste Pause legten wir am herrlichen Ostseestrand von Preila ein, wo man baden oder einfach den Strand genießen konnte. Weiter ging es anschließend nach Schwarzort, wo in der Freizeit Ort und Hexenberg erkundet werden konnten. Es folgte eine Busfahrt über den Rest der kurischen Nehrung, die zahlreiche Ausblicke in die Natur dieses besonderen Stückchens Baltikum ermöglichte.

Sonntag, der 23. Juni– Kreuzesberg und Klein Versailles

Morgens fuhren wir bei herrlichem Wetter zeitig aus der Hauptstadt weg in Richtung Schaulen. Dort besichtigten wir den sogenannten Berg der Kreuze, der 12 km nördlich von der Stadt liegt.
Nach einem weiteren Wegstück besichtigten wir Rundale, den wohl bedeutendsten adligen Landsitz in den drei baltischen Republiken. Graf Biron, Geliebter und Günstling zweier Zarinnen, hatte ihn für seine Gattin Dorothea von Kurland gebaut, die als schönste und geistreichste Frau ihrer Zeit galt. Jeder Raum ein Unikat, bildet das Schloss ein selten erhaltenes spätbarockes Ensemble. Unter der Regierung von Zarin Elisabeth war Biron in Ungnade gefallen und musste in Festungshaft. Der Besitz ging an Prinz Carl, den Sohn des polnischen Königs aus dem Haus Wettin, August III., also an einen Enkel des starken August. Der verlor wieder alles unter Katharina der Großen, die ihrem Geliebten Suchanow das Anwesen überschrieb. Letztendlich ging wieder alles an die Bironschen Erben zurück, die dann alles verloren, als Lettland eine Sowjetrepublik wurde. Noch heute führt ein in München lebender Familienzweig den Titel eines Herzogs von Kurland. Gegen 17 Uhr waren wir in Riga und fuhren gleich zum Hotel. Nachdem sich alle ein wenig ausgeruht hatten, fuhr der Reiseleiter mit uns in die Altstadt und zeigte uns die wichtigsten Straßen und Plätze. Die meisten gingen dann an das Ufer der Düna, wo alles zur Feier der Johannisnacht aufgebaut war. Holzstöße wurden entzündet und auf zwei Bühnen spielte man wirklich echte Volksmusik. Das Fest ging bis zum Sonnenaufgang.

24./25. Juni– Riga und Jurmala

Nach einem etwas späteren Frühstück fuhren wir mit der Tram ins berühmte Jugendstilviertel. Wir schlenderten durch die Elisabeth- und die Albert-, sowie die Schützenstraße, wo die schönsten und mittlerweile gut sanierten Bauten zu finden sind. Die markantesten stammen von Michael Eisenstein und seinem als Filmregiss eur weltbekannten Sohn Sergej. Von dort schlenderten wir in die Altstadt zur Jakobikirche, in deren Nähe die als drei Brüder bekannten Häuser stehen, dann zu den Gildenhäusern und zum Platz der lettischen Schützen, sahen hier das historistische Rathaus und das 1999 wieder aufgebaute Schwarzhäupterhaus, schlenderten zur Petrikirche, durch das Schwedentor zur Stadtmauer und in den Dom. Dann schlenderten viele noch weiter durch die Altstadt oder durch Pardaugava, der Flußseite, auf der auch unser Hotel steht. Die Gruppe traf sich wieder im Hotel zum Abendessen. Am nächsten Morgen fuhr unser litauischer Fahrer Tadeus uns in den nahen Badeort Jurmala. Bei einer Fahrt durch den immer noch mondänen Ort, in dem einst die High Society von Riga und Petersburg ihre Sommer verbrachte, konnten wir aus erhöhter Busperspektive manch interessanten Blick auf die hölzernen und reich verzierten Sommerhäuser werfen. Dann war genügend Zeit zum Bummeln am Strand Majori.oder im Ortsteil

26. Juni– Gauja Nationalpark und Dorpat

Mit Wehmut fuhren wir weg aus Riga in den Gauja Nationalpark, benannt nach dem Fluß, der sich in die livländische Schweiz geschnitten hat. Erster Halt war in Sigulda, wo wir die alte Schwertritterburg aus dem Jahr 1202 und das Schloß des Fürsten Kropotkin besichtigen konnten. Nächster Stop war die Gutmannshöhle, deren Quellwasser heilende und verjüngende Wirkung haben soll, dann die Burg Turaida und weiter ging es in eine sehr nette Gaststätte bei Turaida, wo wir einheimische Spezialitäten genießen konnten. Auf einer Stadtführung lernten wir nach dem Einchecken die Altstadt und das Universitätsviertel von Tartu, dem alten Dorpad kennen. Im urigen Schießpulverkeller gab es ein zünftiges Abendessen.

Donnerstag, den 27. Juni– Peipussee

Gleich nach dem Frühstück fuhren wir an den Peipussee, der mit 3555 Quadratkilometern der fünftgrößte in Europa und siebenmal so groß wie der Bodensee ist. Im Örtchen Kolkja wohnen fast ausschließlich Altgläubige russisch Orthodoxe, über die uns eine Führung in ihrem Heimatmuseum informierte. Ihre Zwiebelfelder zeugen von geschickten Gärtnern. Eine sehr ausführliche Führung im Schloß von Alatsviki bot eine Dame in einem Kleid aus der Zeit Ende des 19. Jahrhunderts, als Baron Arved Georg von Nolcken nach dem Vorbild des schottischen Landsitzes Balmoral Castle im Tudorstil bauen ließ. Neben dem originalen Interieur gibt es im Keller die wichtigsten Leute des Personals als Wachsfiguren zu sehen. In Kallaste bildet roter Sandstein eine imposante Steilküste am See.

Freitag, den 28. Juni– Tallin

Nach dem Frühstück fuhren wir nach Tallin und legten bei einer zur Raststätte umgebauten historischen Mühle eine nette Pause ein. In Tallin dann schauten wir uns gleich die große Sängerbühne an. Am vierten Juli beginnen in diesem Jahr die Chorwettbewerbe, die alle fünf Jahre hier stattfinden. Von hier ging es in den Stadtteil Pirita, zunächst vorbei am Kloster der Namenspatronin Brigitta, dann in das olympische Dorf der Spiele von 1980. Hier fanden die Segelwettbewerbe der Moskauer Sommerspiele statt und von der Wasserkante hat man einen tollen Blick auf die Altstadt und den Kreuzfahrerhafen. Die Mittagspause absolvierten wir im Einkaufszentrum am Hotel, das direkt am Fährhafen liegt. Anschließend konnten wir einchecken und zum Talliner Freilichtmuseum fahren. Hier sind Bauernhäuser, Höfe und Wirtschaftsgebäude aus ganz Estland ausgestellt. Bei einer interessanten Führung erfuhren wir viel Neues über das traditionelle Landleben in Estland.

Sonnabend, den 29. Juni– Tallin

Bei schönstem Wetter holte uns die Talliner Stadtführerin Carmen vom Hotel ab und mit ihr genossen wir dann die Stadtführung, beginnend in der Oberstadt mit diversen Villen, der russisch- orthodoxen Alexander- Newski- Kirche und dem alten Dom mit dem Grab des Weltumseglers Krusenstern und unzähligen Wappentafeln alter baltischer Adelsfamilien, deren Wirken auch in unsere Region ausstrahlte, genannt seien nur die Wrangel und Manteuffel. Das so genannte lange Bein entlang ging es dann hinunter in die Unterstadt. Sie erstreckt sich zwischen Nikolai- und Olaikirche, letztere war mit ihrem 31 Meter hohem, Mitte des 15.Jahrhunderts fertig gestellten Langhaus die höchste Kirche des Baltikums, der Turm soll mit über 140 Metern Höhe sogar Weltspitze gewesen sein. Die sehr kenntnisreiche und humorvolle Carmen zeigte uns pittoreske Ecken und Winkel, wie das ehemalige Dominikanerkloster, die vielen Gildenhäuser oder die Jugendstilapotheke in der Piek.
Die anschließende Freizeit nutzte jeder nach seinen Neigungen. In der Nikolaikirche gab es den Totentanz von Bernt Notke aus Lübeck nebst vielen mittelalterlichen Epitaphen und Altären zu sehen und um 16 Uhr war hier ein sehr schönes Orgelkonzert, doch lockten auch die zahlreichen auf Mittelalter getrimmten Freisitze und gemütliche Cafés zum Verweilen. Im Hotel traf man sich zum Abendessen.

Sonnabend, der 30. Juni– Laheema– Nationalpark

Fast alle Gäste trafen am Bus auf unseren estnischen Führer Eduard, der uns mit feinem, teils schwarzem Humor in die estnische Seele und Befindlichkeit einführte. Im etwa 80 Kilometer entfernten Nationalpark, gegründet 1971 als erster in der Sowjetunion überhaupt, fuhren wir zuerst in ein ausgedehntes Moorgebiet, wo wir eine etwa vier Kilometer lange Wanderung unternahmen. Der Weg war mit Holzbohlen stabilisiert und die Fauna ringsum, sowie die kleinen Teiche, in denen sich die Bäume spiegelten, waren ein wirklich schöner Anblick. Danach lockte im Örtchen Altja zunächst der malerische, aber steinige Ostseestrand und dann ein zünftig traditionelles Mittagessen im alten Dorfkrug des Fischerdörfchens. Es gab als Vorspeise mehrere Sorten Fisch mit Schwarzbrot und dann Speckgraupen, Kartoffelstampf mit Pilzsauce und zum Nachtisch Kuchen. Am nächsten Tag brachten uns unser Fahrer Tadeusz und die lettische Führerin Lena zum Flughafen und pünktlich flogen wir nach Frankfurt, wo sich alle trennten.

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