Reisebericht: Alpenzüge zwischen Schweiz und Cote d`Azur

14.08. – 22.08.2021, 9 Tage Zug–Rundreise in der Schweiz und Frankreich mit Genfer See – Mont Blanc – Grenoble – Cannes – Nizza – Avignon – Lyon inklusive Flug


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Unterwegs zwischen französischer Schweiz, Alpen, Provence und Côte d'Azur wandeln wir auch auf weniger frequentierten historischen Routen und fernab vom gewöhnlichen Weg. Eine spannende Entdeckungstour für Bahnliebhaber und Laien gleichermaßen.
Ein Reisebericht von
Sinah Witzig
Sinah Witzig

Tag 1 Anreise – Mulhouse Cité du Train

Unsere Reise beginnt einmal mehr früh morgens am Flughafen Dresden und führt uns über die A4 Richtung Süden, vorbei an Chemnitz nach Heinichen, um dort noch unseren Fahrer Jan einzusammeln. Nun ist zumindest das Personal vollständig. Dann geht es weiter, quer durch Thüringen, bis ans Kirchheimer Dreieck, wo zunächst die letzten Reisegäste einsteigen. Bei strahlendem Sonnenschein und sommerlichen Temperaturen führt uns unser Weg nun weiter die A5 hinunter, vorbei am Frankfurter Flughafen, dann an Heidelberg und schließlich dem Nordschwarzwald. Im Westen zeichnen sich schon in leichter Andeutung in die Vogesen an den Horizont und sind Vorboten unseres heutigen Ziels: Mulhouse im südlichen Elsass. Die Region im Osten Frankreichs hat eine bewegte Vergangenheit deutsch-französischer Feindschaft und Freundschaft hinter sich und hat deshalb eine besondere Position innerhalb Frankreichs. Alleine innerhalb der letzten 150 Jahre wechselte hier die Staatszugehörigkeit vier Mal. Die Elsässer sind also – zumindest dem Gefühl nach – ein Volk für sich.
Die Industriestadt Mulhouse war nicht nur fast 300 Jahre lang Teil der Schweizer Eidgenossenschaft und hat somit eine eigenwillige Sonderstellung, sondern ist auch Pilgerzentrum für Eisenbahnfreunde aus ganz Europa. Seit 1971 wird hier das historische Rollmaterial der staatlichen französischen Eisenbahngesellschaft SNCF gesammelt und ausgestellt. Heute kann man auf 25.000 m² über 80 Dampf-, Diesel- und Elektrolokomotiven von 1844 bis heute, sowie die zugehörigen Eisenbahnwagons besichtigen. Eine Zeitreise der ganz besonderen Art.
Auch die Anfahrt zu unserem Hotel Mitten in der Altstadt bietet noch einmal ganz besonderen Nervenkitzel, nicht nur für unseren Busfahrer Jan, sondern auch für alle Reisegäste. Rückwärts geht es ungefähr 300 Meter durch die belebte Fußgängerzone von Mulhouse. Das fahrerische Können ist hiermit also getestet und wird für sehr brauchbar erklärt. Als Belohnung gibt es dann auch ein sehr hübsch eingerichtetes Hotel und ein üppiges Abendessen in einem Restaurant um die Ecke, wo dann auch die letzten beiden Reisegäste zu uns stoßen. Nun kann die Reise auch wirklich beginnen.


Tag 2 Thunersee – Interlaken – Golden Pass von Gstaad nach Montreux – Martigny

Tag 2 Thunersee – Interlaken – Golden Pass von Gstaad nach Montreux – Martigny
Hier im sogenannten Dreiländereck ist alles sehr nah beieinander und Deutsche, Schweizer und Franzosen leben hier auf eng besiedeltem Raum mal mehr und mal weniger freundschaftlich miteinander. Der ideale Grenzgänger lebt hier in Frankreich, arbeitet in der Schweiz und kauft in Deutschland ein. Aushängeschild dieser internationalen Lebensgemeinschaft ist der Flughafen Basel-Mulhouse (oder auch EuroAirport), der einzige Flughafen weltweit, der zwei Ländern gehört.
Es dauert also heute Morgen nur knapp eine halbe Stunde, bis wir die Schweizer Grenze überqueren und nun durch das kleine Alpenland fahren. Von der Messe- und Universitätsstadt Basel aus geht es Richtung Süden, und recht schnell nähern wir uns der Bundesstadt Bern, Regierungssitz, jedoch ganz offiziell nicht Hauptstadt der Schweiz. Das Land achtet als ausgeschriebene Willensnation höchst genau auf Gerechtigkeit und Gleichberechtigung. So wäre es bei 26 Kantonen und 4 Amtssprachen mehr als unfair einer Stadt Sonderrechte zu verleihen.
Von Bern aus geht es weiter nach Thun, Tor zum Berner Oberland, und an der Nordseite des knapp 18 Kilometer langen Sees mit wunderbarer Aussicht weiter bis nach Interlaken. Der Ort zwischen Thunersee und Brienzersee ist Ausgangspunkt für Exkursionen in die weltbekannte Alpenregion Eiger-Mönch-Jungfrau und auch uns bietet sich heute ein herrlicher Ausblick auf das Jungfraujoch. Nach einer kleinen Mittagspause führt uns unser Weg dann weiter durch das Simmental – von Felix Mendelssohn Bartholdy als grünstes Tal Europa bezeichnet – nach Gstaad. Das ehemalige Bauerdorf führt die Reihe der Superlativen weiter, denn es gilt als teuerste Gemeinde der Schweiz. Mitschuld daran hat tatsächlich die Eisenbahn, oder besser gesagt die Golden Pass Linie von Luzern nach Montreux, denn sie brachte Anfang des 20. Jahrhunderts reiche und prominente Gäste in den vorher unbekannten Ort. Auf der insgesamt 210 km langen Strecke werden zwar insgesamt vier Pässe überwunden, doch einen goldenen Pass gibt es nicht. Der Name geht zurück auf die ersten britischen Touristen in der Schweiz, die hier eine „golden time“ verbrachten. Wir besteigen den Zug nun auf der letzten und landschaftlich interessantesten Strecke und fahren in einer guten Stunde von Gstaad in an den mondänen Genfersee. Montreux ist nicht nur Lieblingsurlaubsort der Reichen und Schönen, sondern auch Schauplatz des alljährlichen Jazzfestivals, Geburtsort des berühmten Deep Purple Songs „Smoke on the Water“ und auserkorener Lebensmittelpunkt des unvergessenen Queen-Sängers Freddy Mercury. Nachdem wir unseren Pilgerspaziergang zu dessen Denkmal hinter uns gebracht haben, wechseln wir dann wieder zu unserem Reisebus und nach einem kleinen Zwischenstopp am pittoresken Château de Chillon geht es für uns weiter zur Übernachtung in Martigny.


Tag 3 Mont Blanc Express nach Chamonix – Grenoble

Der Walliser Ort Martigny war schon zu römischen Zeiten ein wichtiger Verkehrsknotenpunkt zwischen Piemont, Savoyen und Nufenenpass. Die Überreste der Besiedlung aus trajanischer Zeit können wir am Morgen in Form des sehr gut erhaltenen Amphitheaters begutachten. Erst ab 1978 hat man begonnen die Ausgrabungen der römischen Vergangenheit voranzutreiben und heute nutzt man die alten Gemäuer für Open-Air-Veranstaltungen und Kuhkämpfe, die unblutige Schweizer Entsprechung der spanischen Stierkämpfe.
Martigny ist heute außerdem Zentrum der Zucht und Ausbildung des Schweizer Nationalhundes, dem Bernhardiner, und besitzt ein ganz nettes Ortszentrum, welches wir noch besichtigen, bevor wir in den sogenannten Mont-Blanc-Express nach Chamonix steigen. Auf der Schmalspurstecke der Martigny-Châtelard-Bahn überqueren wir bei Vallorcine die Grenze zu Frankreich und erreichen wenig später den Ausrichtungsort der ersten olympischen Winterspiele 1924, Chamonix-Mont-Blanc. Hier treffen wir auch zu unserer Erleichterung wieder auf Jan und unseren Eberhardt-Bus, der uns vom Bahnhof zur Talstation der Seilbahn bringt. Fast die komplette Gruppe hat beschlossen – dem etwas verhangenen Himmel zum Trotz – die steile Fahrt auf 3482 m zu wagen, und zu hoffen von der Aiguille du Midi einen Blick auf den Mont Blanc zu erhaschen.
Wir schieben uns also alle in die enge Kabine der einst steilsten Seilbahn der Welt und harren etwa zwanzig Minuten lang und in dichten Wolken der Dinge, die auf uns zukommen. Oben angekommen folgt erst einmal Ernüchterung, denn immer noch sind wir umgeben von dichten Wolken, nun bei ungefähr zwei Grad über Null. Während die ersten schon wieder enttäuscht aufgeben wollen, streifen die meisten durch die labyrinthischen Gänge der Bergstation und vertrauen auf das wechselhafte Wetter der Alpen – und tatsächlich, nach etwa einer halbe Stunde treibt der Wind die ersten Wolken zur Seite und kleine Ausschnitte des Bergpanoramas werden sichtbar. Euphorisch schießen wir die ersten Fotos und wenig später sollen wir belohnt werden – der Mont Blanc zeigt sich im strahlenden Sonnenschein zwischen den Wolken. Ein majestätischer Anblick für den sich die Geduld allemal gelohnt hat.
Die Rückfahrt nach Chamonix hat etwas von einer Achterbahnfahrt und nach so viel Aufregung und Nervenkitzel ist ein Spaziergang in dem Bergdorf genau das Richtige. Am Nachmittag geht es dann weiter durch das savoyische Bergland in die französische Alpenhauptstadt Grenoble, wo wir heute die Nacht verbringen.


Tag 4 Grenoble – Funiculaire de St. Hilaire du Touvet – Route Napoleon nach Sisteron

Vom Grenobler Vorort Échirôles geht es am nächsten Morgen mit dem Bus in die Innenstadt. Direkt an der Talstation der futuristisch anmutenden Seilbahn hinauf zur Bastille steigen wir aus. Bevor es mit der 1934 erbauten Télépherique hoch hinausgeht, machen jedoch zunächst einen kleinen Rundgang durch die Altstadt.
Grenoble gilt nicht umsonst als Hauptstadt der Alpen, denn umgeben von den Bergen des Vercors, der Chartreuse, der Chaîne de Belldonne und der französischen Alpen im Westen, hat die Stadt am Zusammenfluss von Isère und Drac eine ganz besondere Lage. Wir spazieren durch die engen Altstadtgassen, über die am Morgen noch relativ leere Place Notre Dame, zu den Markthallen an der Place Sainte Claire und weiter durch den Jardin de Ville zur Place Saint André.
Im Anschluss geht es dann mit der Seilbahn hinauf zur Festung Bastille. Von hier aus hat man einen fantastischen Ausblick über die Stadt und kann auch gut die Auswirkungen der 1968 für die Olympischen Winterspiele initiierten Modernisierungswelle sehen: große plattenbauartige Hochhäuser umrahmen die kleine Altstadt und Trabantensiedlungen haben die Stadt rasant wachsen lassen. Heute wohnen über 665 000 Menschen in der Region.
Am Nachmittag fahren wir noch mal ein kleines Stück nach Norden. Hier in der Chartreuse befindet sich eine der ältesten touristischen Standseilbahnen der Alpenregion. 1924 als Versorgungsbahn gebaut, befördert sie heute Fahrgäste in etwa zwanzig Minuten von der Talstation in Montfort hinauf in den Luftkurort Saint-Hilaire du Touvet. Der Ort ist außerdem beliebter Startpunkt für Gleitschirmflieger und vertreiben wir uns die Zeit damit bei den Trockenübungen zuzusehen.
Später, zurück im Tal, wandeln wir dann inklusive Reisebus auf historischen Pfaden, denn wir folgen der Route Napoléon von Grenoble in die Provence. Die 335 km lange Strecke von Golfe-Juan bei Antibes bis nach Grenoble legte der ins Exil geschickte Kaiser mit seinen Anhängern in einem siebentägigen Gewaltmarsch 1815 zurück, bevor er in Paris einzog und die sogenannte Herrschaft der hundert Tage begann. Wir haben das Glück, dass wir den Weg nicht zu Fuß oder auf dem Pferd zurücklegen müssen und dazu haben wir auch noch den Komfort der modernen Nationalstraße 85, die landschaftlich einiges zu bieten hat. Am frühen Abend erreichen wir dann Sisteron, das Tor zur Provence, und richten uns in unserem urigen Hotel mitten im Ortskern ein. Die Festung über der Kleinstadt stellt gerade im Abendlicht ein herrliches Fotomotiv dar.


Tag 5 Moustiers–Saintes–Maries – Canyon de Verdon – Train des Pignes nach Nizza

Unser Tag beginnt heute früh, denn wir haben viel vor. Während die Reisegäste sich langsam für das Frühstück bereit machen, streifen Busfahrer und Reiseleiterin schon zur örtlichen Bäckerei um eine kleine Überraschung für den Mittag vorzubereiten – doch dazu später mehr.
Wenig später befinden wir uns schon wieder auf der Straße entgegen des oftmals als schönstes Dorf Frankreichs bezeichneten Moustiers-Saintes-Maries. Wir durchfahren die engen Straßen der Haute Provence, können jedoch leider nur noch die abgeernteten Lavendelfelder begutachten, denn für die Lavendelernte, die spätestens in der ersten Augustwoche stattfindet, sind wir leider ein paar Tage zu spät. Das Land ist trocken und es erscheint nicht verwunderlich, dass Waldbrände hier immer wieder eine große Gefahr darstellen.
Aus dem nirgendwo taucht weit oben am Berg plötzlich ein kleines und sehr malerisches Dörfchen auf – das muss Moustiers sein. Trotz eines wagemutigen Versuchs von Jan müssen wir schließlich einsehen, dass hier mit dem Reisebus kein Weiterkommen ist. Doch gerade als wir ausgestiegen sind, fährt der kleine Touristenzug an uns vorbei und mit einem beherzten Sprung auf die Straße gelingt es, den „Lokführer“ von einem spontanen Halt ohne Haltestelle zu überzeugen. So wählen also die meisten den gemütlichen Weg hinauf ins Dorf, während der Rest den etwa zehnminütigen Wanderpfad auf sich nimmt. Schlussendlich treffen wir uns alle wieder und erkunden die mittelalterlich anmutende Siedlung. Schön ist es wirklich hier, aber ob es nun wirklich das schönste Dorf Frankreichs ist, darauf wollen wir uns nicht festlegen.
Nach der Erkundungstour geht es dann mit dem Bus weiter und nach einigen Minuten taucht plötzlich türkisblau und unerwartet groß der zweitgrößte Stausee Frankreichs, der Lac Sainte-Croix, auf. Durch das perfekte Wetter und da in Frankreich immer noch Sommerferien sind, ist hier natürlich reger Betrieb und wir sind zum Weiterfahren gezwungen. Nach einigen Kurven biegen wir dann links ab in Richtung der Südroute entlang einer der tiefsten Schluchten Europas, der Verdonschlucht. Unter Busfahrern erfreut sich diese Route nicht unbedingt großer Beliebtheit und so sind wir eigentlich alle ganz froh darüber, dass Jan unerfahren und so ganz unvoreingenommen an die Sache herangehen kann. Wir hatten ja die letzten Tage schon genügend Gelegenheit uns davon zu überzeugen, dass er sein Handwerk versteht. So macht sich letztendlich auch niemand Sorgen als die Straße immer enger wird und die Serpentinen steiler nach oben führen. Schließlich schaffen wir es auch mit ein wenig Durchsetzungsvermögen uns einen Halteplatz zu erkämpfen und endlich können wir die atemberaubende Aussicht auch von außerhalb des Busses genießen. Wahnsinn, wenn man sich vorstellt, was für ein Verkehr hier in normalen Jahren herrschen muss. Wir folgen der 21 km langen und bis zu 700 m tiefen Schlucht und es kommt noch zu der ein oder anderen sehr spannenden Begegnung mit entgegenkommenden Fahrzeugen, sodass wir nach der Überquerung der Pont de I’Artuby beschließen, dass unsere Gäste jetzt eine kleine Nervenstärkung verdient haben. Während eines vermeintlichen Fotostopps wird mal eben so ein kleines Picknick mit Baguette, Salami, Käse und Wein aus dem nichts gezaubert und sorgt für strahlende Gesichter. So ein frühmorgendlicher Spaziergang zum Bäcker lohnt sich manchmal doch :)
Frisch gestärkt geht es nun weiter nach Saint-André-les-Alpes, von wo aus wir den Train des Pignes nach Nizza nehmen wollen. Auch die Straße unten in der Schlucht birgt die eine oder andere Schikane, doch schlussendlich kommen wir wohlbehalten und pünktlich am Bahnhof an. Der sogenannte Pinienzapfenzug verbindet seit 1911 auf 150 km Schmalspur Digne-les-Bains in der Haute Provence mit Nizza. Man erzählt sich, dass der Zug einst so langsam gefahren sein soll, dass man während der Fahrt noch die an der Strecke liegenden Pinienzapfen aufsammeln konnte. Davon merken wir heute zum Glück nichts mehr und erreichen am frühen Abend die fünftgrößte Stadt Frankreichs und das Mittelmeer. Dort sind es nur einige Meter zu Fuß vom Bahnhof bis zu unserem Hotel, das direkt in der Innenstadt liegt.


Tag 6 Nizza – Monaco

Ein Hotel mitten in der Stadt zu haben hat durchaus Vorzüge – aber auch Nachteile. In Nizza gibt es den großen Nachteil, dass man mit einem Reisebus eigentlich überall nur im Weg ist und meistens nicht dahin kommt, wo man eigentlich hin möchte. Wir beschließen also, dass wir heute Vormittag auf den Bus verzichten und stattdessen die neue Straßenbahn testen, die ohnehin direkt an unserem Hotel vorbeifährt. Drei Stationen weiter, an der Place Masséna starten wir dann unsere Stadtbesichtigung. Hier, genau zwischen Altstadt und Neustadt kann man sehen, wie viel die Hauptstadt der Côte Azur in den letzten zwanzig Jahren in die Neugestaltung der Stadt gesteckt hat. Der großzügige Platz liegt mitten in einem grünen Gürtel von Stadtparks, die im fast vollständig ausgetrockneten Flussbett des Paillon angelegt wurden. Der Fluss fließt nun unterirdisch und mündet nur wenige Meter weiter in die Baie des Anges. Einst von den Griechen als Nikaia gegründet, blickt Nizza auf eine bewegte Geschichte zurück und gehört eigentlich erst seit gut 150 Jahren zu Frankreich. Die italienischen Einflüsse aus hunderten von Jahren lassen sich heute vor allem noch in der Mentalität der Einwohner und an der hervorragenden Küche erkennen.
Wir schlendern vorbei an der Fontaine du Soleil, die dominiert wird von einer riesigen nackten Apollo-Statue, die ihren Sonnenwagen auf dem Kopf trägt und in den 1960er Jahren für so viel Diskussion sorgte, dass der Brunnen kurzerhand wieder abgebaut wurde. Erst Anfang der 2000er Jahre fand man die einzelnen Teile auf dem Gelände der Stadtreinigung wieder und entschloss sich, dem Unterfangen noch mal einen Versuch zuzugestehen. Wir spazieren vorbei an dem beeindruckend unbeeindruckenden Rathaus und weiter zur Oper von Nizza, die vermutlich als einzige Oper der Welt fast unsichtbar in einer Seitenstraße mitten in der Altstadt steht. Von hier aus sind es nur noch einige Meter bis zum berühmten Blumenmarkt auf der Cours Saleya und man hat einen schönen Blick auf die Colline du Château, wo sich aber seit einem mehr oder weniger erfolgreichen Angriff Louis XIV. im 18. Jahrhundert keine Festung mehr befindet. Trotzdem wird jeden Mittag pünktlich um 12 Uhr auf dem Hügel eine Kanone abgefeuert, damit auch jeder weiß, wann es Zeit ist zu Mittag zu essen. Wir landen schließlich auf dem Platz vor der Kathedrale Sainte Marie et Sainte Réparate und hören, wie die Engelsbucht eigentlich zu ihrem Namen gekommen ist. Anschließend bleibt natürlich noch Zeit für eigene Erkundungen.
Am Nachmittag brechen wir dann auf in Richtung Monaco. Die Küstenstraße, die Moyenne Corniche, führt uns durch die mondänen Vororte Nizzas und eröffnet uns wunderbare Aussichten auf das Mittelmeer. Man kann sich durchaus vorstellen, warum hier einige der teuersten Wohngebiete Europas liegen. Angekommen im zweitkleinsten Staat der Welt treffen wir unsere Stadtführerin Annelies, die uns in kürzester Zeit eine Menge über das kleine Land erzählt. Schließlich erreichen wir das große Parkhaus unter dem Altstadtfelsen und nach einer ausführlichen Kontrolle unserer Dokumente dürfen wir dann auch endlich loslegen mit der Besichtigung von Monaco-Ville, wie die Altstadt auch genannt wird. Vom Ozeanografischen Museum spazieren wir vorbei an den Wohnhäusern der Prinzessinnen Stéphanie und Caroline bis zur neogotischen Kathedrale, wo die Fürsten von Monaco beigesetzt werden, so natürlich auch Fürst Rainier und seine Frau Gracia Patricia. Weiter geht es dann durch die hübschen und sauberen Gassen, bis hin zum Fürstenpalast. An dieser Stelle soll die Festung gestanden haben, die der Genueser Pirat Francesco Grimaldi mit einem Trick im 13. Jahrhundert erobert, und so den Grundstein für das heutige Fürstentum gelegt hat. Von einem Aussichtspunkt ganz in der Nähe hat man eine wunderbare Aussicht über den Yachthafen und das Gewirr aus unaufhörlich aus dem Boden sprießenden neuen Hochhäusern. Gleichzeitig kann man von hier oben auch den größten Teil der 3,337 km langen Formel 1 Strecke von Monaco überblicken.
Wenig später kommen wir dann auch in den seltenen Genuss einen Teil der Rennstrecke mit dem Bus zurückzulegen. Leider werden wir mehrmals durch rote Ampeln und schlussendlich durch eine Baustelle ausgebremst, sodass die restlichen Erkundungen im Stadtteil Monte Carlo zu Fuß stattfinden müssen.
Am Abend geht es dann zurück zu unserem Hotel in Nizza. In stiller Übereinkunft ist klar, dass mit dem Essen wieder gewartet wird, bis unser armer Busfahrer Jan mit der Straßenbahn vom viel zu weit entfernten Busparkplatz ankommt und mit Applaus empfangen wird. Das ist echte Reisegruppensolidarität.


Tag 7 Cannes – Antibes

Auch heute sind wir wieder an der Côte d’Azur unterwegs, dieses Mal in Richtung Westen, wo wir am Vormittag zunächst das berühmte Cannes besuchen. Das einstige Fischerdorf in pittoresker Lage, zwischen Seealpen im Norden und Esterel-Gebirge im Westen, wurde 1830 vom britischen Landadel als attraktives Ziel für die Sommerfrische entdeckt und entwickelte sich innerhalb kürzester Zeit zum Lieblingsort der Reichen und Schönen.
Wir machen zunächst einen Spaziergang vom alten Hafen durch das Altstadtviertel Le Suquet hinauf zur Kirche Notre-Dame d’Espérance, von wo auf man einen fantastischen Blick über die Küste genießen kann. Weiter geht es dann über die Promenade La Croissette, wo man zu Beginn des 20. Jahrhunderts damit begonnen hatte, nach dem Vorbild Nizzas, opulente Luxushotels zu bauen und schließlich auch 1982 den neuen Palais des Festivals et des Congrès eröffnete. Hier finden heute noch jedes Jahr im Mai die berühmten Filmfestspiele statt. Um ein bisschen das Gefühl der Berühmtheit zu testen, kann man sich auf dem roten Teppich ablichten lassen oder entlang des Chemin des Etoiles die Handabdrücke der wichtigsten Preisträger bestaunen.
Anschließend bleibt noch Zeit, einen der beliebten Strände zu besuchen oder ein wenig über die berühmte Einkaufsstraße Rue d’Antibes zu bummeln. Der gleichnamige Ort ist auch unser Ziel für den Nachmittag. Die Kleinstadt geht, wie auch Nizza, zurück auf eine griechische Gründung um 340 v. Chr. und ist heute vor allem für ihre schöne und gut erhaltene Altstadt, sowie die Stadtmauer aus dem 16. Jahrhundert bekannt. Nach einer kleinen Erkundungstour besteht die Möglichkeit, die in der Grimaldi-Festung untergebrachte Picasso-Sammlung zu besichtigen. Wie viele seiner Kollegen, ließ auch der spanische Künstler sich in den 1940er Jahren in Südfrankreich nieder und verbrachte hier die letzten Jahre seines Lebens. Vor allem die Ausstellung der berühmten Werke in den alten Gemäuern des 12. Jahrhunderts überzeugt.
Entlang der Küste geht es schließlich zurück in Richtung Nizza, wo vor dem Abendessen noch etwas Zeit für einen Spaziergang oder den Kauf des ein oder anderen Souvenirs bleibt.


Tag 8 Avignon – TGV nach Lyon – Chalon–sur–Saône

Wir verlassen unser Hotel in Nizza heute wieder einmal früh, denn unser Ziel für den Vormittag, Avignon, liegt gute 250 km entfernt von uns auf der anderen Seite der Provence. Es geht also auf der Autobahn Richtung Westen, entlang der Seealpen mit einem letzten Blick auf das Mittelmeer, durch das Estrel-Gebirge und vorbei an Marseille und am Luberon. Schließlich erreichen wir die „unprovenzalischste Stadt der Provence“. Dazu geführt, dass das Erscheinungsbild der Stadt zwischen Rhône und Durance seit dem 14. Jahrhundert tatsächlich sehr untypisch ist, hat ein Streit zwischen kirchlicher und weltlicher Macht. Nachdem die französische Krone immer weiter an Macht gewonnen hatte, schaffte sie es so weit Einfluss auf die Papstwahlen zu nehmen, dass mit Clemens V. schließlich ein Franzose Oberhaupt der Kirche wurde. Dieser ließ sich in Lyon krönen, schafft es aufgrund gesundheitlicher Probleme nicht nach Rom zu ziehen und ließ sich schließlich in Avignon nieder. Entstanden war so das avignonesische Exil und die folgenden sieben Päpste fingen an, ihre Residenz in der provenzalischen Stadt auszubauen. Innerhalb weniger Jahre entstand der Papstpalast, der zu den größten und wichtigsten Gebäuden der europäischen Gotik gehört und auch heute noch wunderbar erhalten ist. Gleichzeitig scharrten die Päpste die wichtigsten Künstler, Handwerker, Wissenschaftler und Kaufleute um sich und machten Avignon zur Metropole.
Auch wenn der Papst schon seit dem 15. Jahrhundert wieder in Rom residiert, ist Avignon seine herrschaftliche Gestalt erhalten geblieben. Die Stadtmauer aus dem 14. Jahrhundert ist mit ihren 39 Türmen und sieben Toren noch erhalten und natürlich darf auch ein Blick auf die Brücke Saint Bénézet, besser bekannt als Pont d’Avignon, nicht fehlen. Mit dem berühmten Kinderlied im Ohr geht es dann los zum Stadtbummel bei hochsommerlichen Temperaturen, bevor wir am frühen Nachmittag den TGV nach Lyon besteigen.
Was für Jan mit dem Bus inklusive Stau beinahe vier Stunden gedauert hat, geht mit dem Hochgeschwindigkeitszug in weniger als einer Stunde und fast zeitgleich treffen wir am Bahnhof Lyon Part-Dieu ein. Nun geht es noch einmal weiter auf die Autobahn, nach Chalon-sur-Saône, wo wir unseren letzten gemeinsamen Abend beim Essen auf der Hotelterrasse verbringen, und schon ein wenig die letzten Tage rekapitulieren.


Tag 9 Rückreise

Wir wachen früh auf und stellen fest, dass heute perfektes Rückreisewetter ist: der Himmel ist grau und verhangen und das passt auch recht gut zur Stimmung, denn alle sind sich einig, dass die Reise viel zu schnell vorbeigegangen ist. Am späten Vormittag erreichen wir dann auch schon Mulhouse, wo wir unsere ersten Reisegäste verabschieden müssen. Für den Rest der Reisegruppe geht es dann in Deutschland weiter über die volle A5 Richtung Kirchheim und schließlich unter immer stärker werdenden Regenschauern über die A4 durch Thüringen und Sachsen zurück nach Dresden. Was hatten wir für ein unglaubliches Glück mit dem Wetter auf dieser Reise?!

Schlusswort

Liebe Reisegäste,
Wenn ich für das „Dream-Team“ (vielen Dank für das Kompliment) aus der Reihe 0 sprechen darf, ging auch für uns die Reise viel zu schnell vorbei. Wir möchten uns ganz herzlich bedanken, dass Ihr euch trotz der aktuellen Schwierigkeiten entschieden habt, mit uns auf die Reise zu gehen. Es hat uns großen Spaß gemacht, mit euch auch für uns (zumindest zum Teil) neue Gefilde zu erkunden und wir würden uns sehr über ein Wiedersehen freuen.
Merci beaucoup und bleibt gesund,

Eure Sinah

Bilanz:
Zurückgelegte Buskilometer: 3865
Zurückgelegte Bahnkilometer: 361
Züge und Bergbahnen: 7
Höchster Punkt: 3481 m (Aiguille du Midi)
Höchsttemperatur: 37° (Avignon)
Niedrigste Temperatur: 2° (Aiguille du Midi)
Nachts nachgekaufte Flaschen Bier als der Vorrat erschöpft war: 40
Stresssituationen am Canyon de Verdon: 2 für Jan; unzählige für den Rest
Rote Ampeln: irgendwann aufgehört zu zählen (Danke, Jan :) )
Reiseleiterzufriedenheit: 10/10

Kommentare zum Reisebericht

Liebe Sinah,
wir haben gerade gemeinsam deinen Reisebericht verschlungen und hatten das Gefühl, wieder auf Reisen zu sein :) Es war ein unheimlich toller Urlaub mit sehr vielen Highlight. Dank dir und Jan, eurer guten Organisation und Betreuung, konnten wir uns mal zurück lehnen und die vielen Eindrücke und Erlebnisse voll genießen.
Und dein sehr ausführlicher und wundervoll geschriebener Reisebericht lässt uns jetzt in Erinnerung schwelgen ??
Dafür herzlichen Dank ??
Wir wünschen dir und Jan alles Gute.
Liebe Grüße
Heiko & Silke

Heiko & Silke Kottlors
11.09.2021

Liebe Sinah,
oh ja- ich kann mich den Kottlors nur anschließen. Wie immer war es mit Eberhardtreisen ein wunderbarer Urlaub!!!
Auch von mir- alles liebe und Gute für dich und Jan!
Liebe Grüße
Marita

Marita Dunker
17.09.2021