Reisebericht: Rundreise durch Litauen, Lettland und Estland

27.06. – 05.07.2024, 9 Tage Rundreise durch das Baltikum mit Flug: Vilnius – Trakai – Kaunas – Klaipeda – Kurische Nehrung – Riga – Gauja Nationalpark – Tallinn


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Wie tickt das Baltikum? Welches der baltischen Länder liegt wo? Und welche Hauptstadt gehört wohin? Riga zu Litauen, Tallinn zu Estland und Vilnius zu Lettland. Wie war das? 'Ich kann es mir einfach nicht merken' hört man als Antwort gar nicht so selten. In neun Tagen, da sind wir sicher, wird sich das nachhaltig geändert haben.
Ein Reisebericht von
Jana Wessendorf
Jana Wessendorf

1. Tag: Flug nach Vilnius in Litauen

Aus vier verschiedenen Städten in Deutschland reisen wir nach Vilnius an. Die Frankfurter Maschine sammelt aufgrund des hohen Flugaufkommens und einer verzögerten Gepäckausladung einige Verspätung an. Unser Hotel Neringa liegt zentral in der Altstadt der litauischen Hauptstadt, direkt am Prachtboulevard "Gedimino prospektas", auf dem gerade das Erdbeer-Festival stattfindet.

Die gutgelaunten Mitarbeiter im hoteleigenen Restaurant servieren uns ein leckeres Abendessen. Während des 3-Gänge-Menüs lernen wir unsere Mitreisenden kennen. Die Laune ist gut, die Vorfreude groß.

Wer nach dem Abendessen noch Lust hat, spaziert auf dem Prospekt noch in Richtung Kathedrale oder schnuppert an der Festival-Atmosphäre. Der Hügel des Gediminas-Turms, nach einem kräftigen kurzen Anstieg, oder auch die Rooftop-Bar des Hotels locken mit einem Blick über die Dächer von Vilnius bei Sonnenuntergang.

2. Tag: Litauen: Stadtführung in Vilnius – Ausflug nach Trakai

Vilnius lädt ein mit vielen Versprechen: die Altstadt ist Weltkulturerbe der UNESCO, das Zentrum gilt als Barock-Hauptstadt und die Stadt trägt auch den Beinamen "Jerusalem des Nordens". Und noch eines sagt man der litauischen Hauptstadt nach: Von seinen 60 (manche sagen 100) Kirchen sieht man von jeder Straße der Altstadt mindestens 2. Nach einer ausgiebigen Stadtbesichtigung wissen wir: alles verdient!

Die Stadt ist weitläufig angelegt. Mit unserem Bus und zu Fuß erkunden wir die St. Peter- und Paul-Kirche mit ihrem reich bestückten Innenraum, das Universitätsviertel, Rathaus und Präsidentenpalast, das (ehemalige) jüdische Viertel, das Tor der Morgenröte der Stadtmauer, die Burgstraße und zu guter Letzt auch den Kathedralen-Platz mit der Basilika St. Stanislaus und seiner besonderen St. Kazimir Kapelle. Vom ältesten Stadtteil Užupis, übersetzt "über dem Fluß" bekommen wir einen flüchtigen Eindruck im Vorbeifahren; das Künstlerviertel mit eigener Verfassung und eigener Zeit erkunden Neugierige dann später in der Freizeit zu Fuß. Zwei Flüsse prägen das Stadtbild von Vilnius: die Vilnia, Namensgeberin der Stadt, und die Neris, die unterhalb der Gediminas-Burg ineinander münden. Vilnius ist eine grüne Stadt; auch die an Flora reichen Flussufer bestärken unseren Eindruck. Vielleicht trägt auch das zum ausgeglichenen und stressfreien Flair in der Stadt bei.

Von der jetzigen Hauptstadt Vilnius fahren wir zu ihrer Vorgängerin, nach Trakai. Das dortige Wasserschloss, eingebettet in eine schöne Seenlandschaft, ist nur über zwei Holzbrücken erreichbar. Was heute ein Naherholungszentrum für die Hauptstadt Vilnius ist, war einst ein Machtzentrum Litauens. Die Geschichte des Fürsten Vytautas, einem der wichtigsten Männer und Herrscher in Litauens Geschichte, ist untrennbar mit Trakai verbunden.

Darüberhinaus ist der Ort Trakai bis heute Heimat der religiösen Minderheit der Karäer. Nicht nur deren Geschichte und ihre Anpassung an moderne Zeiten ist interessant, sondern auch ihre traditionellen Holzhäuser, bunt bemalt. Nicht nur die imposante Wasserburg wird vielfach fotografiert, sondern auch diese Gemütlichkeit ausstrahlenden, teils schiefen, teils mit bunten Gärten aufwartenden traditionellen Wohnhäuser. Wir kommen in den Genuss, eine lokale Spezialität der Karäer, Kibinai, gefüllte Teigtaschen, zu probieren. Trakai ist eine Oase, in der die Welt noch in Ordnung ist.

Am Abend gehen wir in einem landestypischen Restaurant in Vilnius' Altstadt essen. Ein Spaziergang durch das lebendige Zentrum und über den Festival-Boulevard "Gedimino prospektas" lässt den schönen Tag ausklingen.

3. Tag: Litauen: Weiterreise über Kaunas nach Klaipeda (Memel)

Litauen ist ein flächenmäßig kleines Land mit gerade einmal 2.8 Millionen Einwohnern. Seine Bewohner verteilen sich mehrheitlich auf die Städte, von denen Vilnius, Kaunas und Klaipeda die drei größten sind.

Kaunas liegt nur 90 Kilometer von der Hauptstadt entfernt und bleibt damit in deren Einzugsbereich, vor allem für Arbeitspendler. Die Stadt liegt am Zusammenfluss von Neris und Memel und wirkt nicht minder grün wie ihre große Schwester in der Nachbarschaft. Kaunas', dessen Stadttier ein Auerochse ist, fällt auf durch eine recht gemischte Architektur. Backsteingotik, sowjetische Gebäude, etwas Jugendstil, interessante Kirchengebäude und ein Rathaus, das von außen aussieht wie eine Kirche, prägen das Stadtbild. Bekannt ist das beschaulich wirkende Städtchen auch für seine Fußgängerallee, die mit Lindenbäumen gesäumt ist und als eine der ersten ihrer Art gilt.

Durch topfflache und grüne Landschaft fahren wir weiter nach Klaipeda. Es gibt im Baltikum kaum Autobahnen, wenn überhaupt nur in Litauen. Die drei Länder der Region werden von Prag und Warschau kommend durch die Via Baltica, der europäischen Fernverkehrsstraße 67, miteinander verbunden.

Klaipeda liegt an der Ostsee und wir schnuppern bereits wieder Festivalatmosphäre. Gerade findet ein alljährliches Jazzfestival statt und außerdem haben Dutzende (private) Segelschiffe im Hafen angedockt. Richtige Schmuckstücke sind das, die an diesem Wochenende am "Tall Ships Races 2024" teilnehmen wollen. Diese Regatta startet in Klaipeda und endet in Helsinki, Finnland. Die Stimmung im Hafen ist sommerlich beschwingt. Es wird gefuttert und getanzt, all das mit einer kleinen Meerbrise zwischen den Haaren.

Klaipeda gefällt, es hat Charme. Am Marktplatz mit dem schönen historischen Theater hören wir auch die Geschichte des Ännchen von Tharau-Brunnens, eine Hommage an einen Dichter der Stadt. Die zehn Strophen des Liedes zitieren wir nicht alle, obwohl unsere mit ganz viel Wissen glänzende Reiseleiterin Daiva sie durchaus hätte wiedergeben können. Die nebendran übenden Jazzmusiker übertönen uns ohnehin.
Klaipeda, in deutsch Memel, wurde im Zweiten Weltkrieg zu 65% zerstört und bezieht viel Bekanntes aus seiner bewegten Geschichte, auch durch die strategisch wichtige Lage am Fluß Dané. Das Stadtbild wirkt uneinheitlich, das architektonische Chaos hält sich aber in Grenzen. Einen besonderen Hinweis verdienen der Poltergeist der Stadt, eine Brücke über den Dané, die bei jedem überfahrenden Auto lautstark poltert und noch mehr vibriert. Das macht sie nicht gewollt, sondern infolge ihrer Konstruktion. Kurz hinter der Brücke findet sich, nah an einem wunderbar blühenden Rosenbeet, in einer Gasse mit urigem Kopfsteinpflaster, die goldene Wunsch-Maus. Die Legende besagt, dass die Wünsche, die man ihr ins Ohr flüstert, wahr werden. Ihre Ohren schimmern glattpoliert von den vielen Hoffnungen, die sie sich wohl täglich anhören muss. Sie verabschiedet den Wünschenden mit den Worten: "Lass aus Gedanken Taten werden und aus Taten Worte."

Nach dem überaus leckeren Abendessen im Hotel stromern einige von uns zurück zum Hafen, um die Segelschiffe und das festliche Treiben zu bestaunen. Und dann heißt es Daumen drücken für die deutsche Fußballnationalmannschaft im EM-Achtelfinale gegen Dänemark. Die Litauer werden dann sagen, dass die Dänen "trocken verloren" haben, weil sie kein Tor geschossen haben.

4. Tag: Litauen: Ausflug auf die Kurische Nehrung an der Ostsee mit Thomas–Mann–Haus in Nida

Wir verleben einen schönen Urlaubstag auf der Kurischen Nehrung. 98 Kilometer lang und an der breitesten Stelle nur 3.8 Kilometer messend, ist die Nehrung geographisch eine Halbinsel. Da die Grenze von der Exklave Kaliningrad kommend auf der Nehrung zwischen Litauen und Russland seit der Pandemie geschlossen ist, erreichen die Litauer das mehrheitlich zu ihrem Land gehörende Eiland nur als Insel, mit Fährverbindungen von Klaipeda.

Früh am morgen setzen wir auf dem Kurischen Haff, vorbei an internationalen Riesenfähren, über. Wir fahren durch viel Nadelwald, der die Insel auch ursprünglich überzogen hat. Erst die Rodungen im Nordischen Krieg im 17. Jahrhundert und später im 20. Jahrhundert haben die heute so bewunderten unbewachsenen Wanderdünen entstehen lassen.

Nach einem Spaziergang über den Hexenberg bei Joudkrante (zu deutsch Schwarzort), einer bewachsenen Düne, mit Holzschnitzereien von Märchen und Hexen-Sagen, erreichen wir den Hauptort Nida (deutsch: Nidden). Der Ort besteht eigentlich aus drei Dörfern, die sich an der Küstenlinie entlang ziehen: Schlammdorf, Ameisendorf und Nidden 3. Wir spazieren auf die Parnidis-Düne, auch Hohe oder Große Düne genannt. Diese bewachsene Düne erreicht eine Höhe von bis zu 52 Metern. Von ihrem höchsten Punkt, auf dem eine Sonnenuhr thront, sieht man hinüber zur russischen Grenze und hinunter nach Nidden. Auf der anderen Seite hinabschlendernd, immer die besondere Landschaft im Blick und vor der Linse, vorbei an Kite-Surfern, erreichen wir den Hafen. Unser kleines Schiff "Aistis" bringt uns zur höchsten unbewachsenen Düne mit dem Namen Vecekrug-Düne, direkt an der russischen Grenze, die durch Bojan markiert ist. Ein Seeadler begleitet uns, während sein Schatten auf dem Sand der Düne mitschwebt.

Nach dem Mittag spazieren wir direkt am Wasser bis zum Thomas-Mann-Sommerhaus. Die Familie Mann hat hier drei Sommer verbracht. Ein kurzer Film, in dem Original-Gedanken von Thomas Mann über die Zeit auf der Nehrung zu hören sind, ist interessant, wirken auch etwas aus der Zeit gefallen und lassen schmunzeln. Sie zeigen uns aber auch, wie Wahrnehmungen im Wandel der Zeit anders interpretiert werden. Das typische Haus auf einer Anhöhe mit Meeresblick und -rauschen war sicher auch ideal gelegen für Thomas Manns schriftstellerisches Werk. Das Arbeitszimmer, in dem er vor allem am Abend schrieb, befindet sich im ersten Stock mit Blick über das Haff.

Die Kurische Nehrung ist Weltkulturerbe der UNESCO (warum eigentlich nicht Weltnaturerbe?) und Nationalpark. Nach der Wiederansiedelung der Kormorane im ausgehenden 20. Jahrhundert haben sich die Wasservögel schnell verbreitet. Heute gibt es über 7.000 der Vögel auf der Insel, denen ein ganzes Waldstück bereits zum Opfer gefallen ist. Private Ernte von Pilzen und Beeren sind hier erlaubt. Da auf der Insel aber keine großen Hotels zu finden sind - zum Glück - bleibt die Natur im Gleichgewicht. Die Insel wirkt in der Tat naturbelassen. Dabei hilft, dass ein Eintritt in den Nationalpark als Besuchersteuerung und zum Unterhalt gezahlt werden muss.

Das Rauschen des Meeres im Ohr kehren wir nach einem Abendessen und einem gelungenen Urlaubstag zurück in unser Hotel nach Klaipeda. Ein starker Regenguss mit einem energischen Gewitter reinigt die Luft und alles zusammen lässt uns gut schlafen.

5. Tag: Litauen: Berg der Kreuze – Lettland: Schloss Rundale und Riga

Wir verlassen Klaipeda und fahren durch die dünn besiedelte Landschaft nach Norden. Oft geht es schnurgerade aus, ist topfeben, vorbei an landwirtschaftlich genutzten Flächen oder kleinen Wäldern. Litauens Landschaft ist nicht spektakulär, doch das Land wirkt trotzdem erfrischend grün.

Während unserer Fahrt erfahren wir Vieles über Land, Leben und Leute im Baltikum. Da wir immer weiter gen Norden fahren und damit näher an die direkte Grenze zu Russland, thematisieren wir die russische Minderheit in den baltischen Staaten. Diese ist sehr gut integriert und spricht, natürlich, nicht nur russisch, sondern auch die jeweilige Landessprache im Baltikum. Das Weltgeschehen lässt sich nur zum Teil ausblenden, befindet sich doch ein NATO-Flugplatz ganz in der Nähe unseres ersten Ziels heute: Der Berg der Kreuze bei Šiauliai.

Weit über 50.000 große und kleine, einfache und reich verzierte, Kreuze aus aller Welt zieren diesen Wallfahrtsort, dem auch Papst Johannes Paul II. schon einen Besuch abgestattet hatte. Warum gerade hier in Šiauliai eine solche heilige Stätte entstand, kann man entweder der Legende oder der Geschichte entnehmen. Die Legende besagt, dass im 16. Jahrhundert ein Vater hier ein Kreuz aufstellte, um für seine schwerkranke Tochter zu beten. Das Wunder geschah, das Kind wurde geheilt - und die frohe Kunde machte schnell die Runde. Geschichtliche Quellen vermuten den Aufstieg zum Wallfahrtsort mit Geschehnissen im Jahr 1863, als Aufstände gegen den Zaren blutig niedergeschlagen wurden. Die Kreuze wurden als Gedenken an die Opfer aufgestellt. Mit der Zeit kamen immer mehr Kreuze hinzu, bis der Wallfahrtsort internationale Berühmtheit erlangte und immer mehr Gäste als solcher anzieht.

Wir verlassen Litauen und werden direkt am Grenzübergang stilecht verabschiedet: Mit einem Storchennest direkt neben dem Grenzgebäude. Der Weißstorch ist das Nationaltier Litauens. Lettland lässt sich auch nicht lumpen und begrüßt uns ebenso vielfach mit Storchennestern, die immer ein Hingucker sind, egal wo man ist.

Unser nächstes Ziel ist das eindrückliche Barock-Schloss Rundale, oft auch als Versailles des Baltikums bezeichnet, auch weil Gebäude und Garten nach französischem Vorbild gebaut wurden. Das Schloss wurde 1768 eröffnet, auf Veranlassung der russischen Zarin Anna Iwanowna. Lange Zeit war es die Sommerresidenz des kurländischen Herzogs Ernst Johann Biron, bevor die Wendungen der Zeit es zur Dorfschule und im ausgehenden 20. Jahrhundert zum Kornspeicher werden ließen.

Nach dem gesellschaftliche Umbruch Anfang der 1990er Jahre wurden Gelände und Gebäude auf Basis historischer Dokumente von Grund auf renoviert und der Öffentlichkeit wieder zugänglich gemacht. Das riesige Schloss birgt 138 Zimmer und enthält Exponate der Kunst Europas und des Ostens aus der Zeit von vier Jahrhunderten.

Der imposant schöne und weitläufige Rosengarten lädt zum Flanieren ein. Fotografen kommen ebenso auf ihre Kosten, ist doch das Motiv mit farbenfroher Rose vor Schloss Rundale ein wirklicher Hingucker.

Vollgepackt mit kulturhistorischen und florierenden Eindrücken spazieren wir durch eine Kastanienallee zurück zu unserem Bus, der uns dann auf der Via Baltica nach Riga, in die lettische Hauptstadt, bringt. Riga ist die größte Stadt des Baltikums und hat rund 700.000 Einwohner. Da ganz Lettland lediglich 1.9 Millionen Einwohner hat, erahnen wir, dass der Rest des Landes ähnlich dünn besiedelt sein wird wie Litauen.

Riga gilt als Stadt mit den meisten Jugendstilbauten Europas. Diese werden wir morgen bei unserer Stadtbesichtigung erkunden. Heute lassen wir den Abend bei einem raffinierten und leckeren Buffet und in unseren hellen Hotelzimmern ausklingen.

6. Tag: Lettland: Stadtbesichtigung in Riga – Gauja–Nationalpark mit Burg Turaida

Am Vormittag erkunden wir Riga. Die "neurotische" Stadt, in der es niemals ruhig wird, so sagt man, ist bekannt für ihre Jugendstilhäuser. Ganz in der Nähe unseres Hotels liegt ein Jugendstilviertel, in dem sich fünf Prachtbauten vom Architekten Michael Eisenstein befinden. Die reich und kreativ verzierten Fassaden und der Jugendstil begeistern. Mehrere Botschaften sind hier ebenfalls ansässig und in ähnlich imposanten Gebäuden untergebracht. Für das Jugendstil-Museum, welches sich stilecht auch in diesem Viertel befindet, haben wir leider keine Zeit.

Die Stadt ist weitläufig, so dass wir für unsere Besichtigung auch auf den Bus zurückgreifen. Die riesengroße Markthalle mit vier Hallen (Fisch, Fleisch, Gemüse, allerlei) zieht uns ebenso magisch an wie die wunderschön restaurierte Altstadt Vecriga. Wir sehen viele Höhepunkte im Stadtzentrum, wie zum Beispiel den Rathausplatz, den Dom, den beschaulichen Livenplatz, das Schwedentor mit seiner eigenen Geschichte und nicht zuletzt das imposant-wunderschöne Schwabenhaus, das so reich verziert ist, dass man bei jedem Blick Neues entdeckt. Wenn man auf dem Domplatz genau hinschaut, kann im omnipräsenten Kopfsteinpflaster die Umrisse früherer Stadtzüge erkennen. Wisst Ihr eigentlich, an welcher Kirche sich draußen am Dach eine Sturmglocke befindet und welche Aufgabe sie hat? Eine Frage früherer Gesellenprüfungen, die jeder Besucher Rigas beantworten können sollte ...

Riga begeistert, gefällt. Die lettische Hauptstadt ist wesentlich quirliger und beschäftigter als ihre kleine litauische Schwester, doch auch hier dominiert eine gewisse Gelassenheit. Wer in der anschließenden Freizeit noch Elan hat, erklimmt (mit Aufzughilfe) den Turm der Petrikirche, der einen 360 Grad Umblick über die Stadt offeriert.

Nach dem Mittag verlassen wir die laute Stadt, um in die ruhigere lettische oder livländische Schweiz zu fahren. Jede Namensbezeichnung mit "Schweiz" deutet auf landschaftliche Schönheit hin, so auch hier. Der Gauja-Nationalpark, der sich hier befindet, ist Wander- und Fahrradzentrum mit viel frischem Grün und agrotouristischen Angeboten. Wir besuchen die Gutmannshöhle, eine Grotte, die Schauplatz der tragischen Geschichte der schönen Maja, der Rose von Turaida, ist. Mit historischen Dokumenten belegt, bleibt die unglückliche Liebe zwischen Maja, Adoptivtochter eines Burgschreibers, und dem Gärtner Viktor der Nachwelt erhalten. Wohl vor allem deshalb sagt man, dass das Quellwasser der Gutmannshöhle regelmäßig angewandt das Altern verlangsamt.

Nicht weit davon entfernt besuchen wir die Ruinen der mittelalterlichen und bischöflichen Burg Turaida, in der Maja und Viktor lebten. Eingebettet in eine schöne Parklandschaft atmen die Ruinen Geschichte. Das Schicksal der Burg ist ähnlich tragisch wie das von Maja, hat doch ein unvorhersehbares Unglück ihr Ende besiegelt. Liebevoll gestaltete Museen ergänzen Daivas ausführliche Beschreibungen. Vom Wachturm der Burg hat man einen herrlichen Rundumblick über die Flusslandschaft der Gauja und den dichten baltischen Wald.

Den Tag beschließen wir mit einem Spaziergang in die Altstadt, wo wir im Restaurant mit dem nicht alltäglichen Namen "Schwarzer Knoblauch" zu Abend essen. Zum Glück hielt sich die Zutat Knoblauch in überschaubaren Grenzen. Man stelle sich sonst die Gerüche in unserem Bus am nächsten Tag vor.

7. Tag: Weiterreise nach Estland: Pärnu – Tallinn

Wir müssen Riga schon wieder verlassen. Die Stadt hat uns gefallen, auch wenn der erste leicht verregnete Eindruck bei unserer Ankunft bei einigen Zweifel gesät hatte. Wir spuren uns ein auf der altbekannten Via Baltica, die sich nicht direkt küstennah und doch in unmittelbarer Nähe der Buch von Riga entlangschlängelt. Schon vor dem Mittag erreichen wir das dritte Land im baltischen Bunde, Estland.

Die Sprache ändert sich und überraschenderweise kann man mehr verstehen als man denkt. Estnisch klingt wie ein schöner Singsang und wir erfahren, dass die Einheimischen einen Aküfi (=Abkürzungsfimmel) haben und so viele Wörter wie möglich abkürzen. Diese Optimierung passt nicht zur Gelassenheit, die wir bis anhin im Baltikum beobachtet haben. Als pauschale Hilfe gilt: Esten sprechend das, was sie auch schreiben. Man muss sich also nur "einfach" durch Doppelpopulationen von Vokalen und Konsonanten durchlesen: "Illalla sillalla", diese singende klingende Phrase heißt übersetzt 'abends an der Brücke'.

Unsere Mittagspause verbringen wir im beschaulichen Ostseebad Pärnu. Wir atmen an der Ostsee tief die frische Seeluft ein. Zum Baden taugen die äußeren Temperaturen nicht. Bemerkenswert ist auch das Villenviertel des Ortes, oftmals aus traditionellen Holzhäusern bestehend und fast alle mit Veranden. Das nennt man Lebensgefühl.

Der weitere Weg nach Tallinn führt durch viel Grün, abwechselnd Wälder und Landwirtschaft. Estland ist das am dünnsten besiedelte Gebiet im Baltikum. In der Hauptstadt Tallinn leben rund ein Drittel der Bevölkerung. Dafür ist Estland führend im freien WiFi für alle, als digital-attraktives Land, hat eine hohe Mehrwertsteuer (22%) und stellt seine Staatsfinanzen auf sichere Füße.

Unser Hotel Metropol, mit Wellnesseinrichtung, liegt nah an der Altstadt, im Rotermann-Viertel. Der freie Nachmittag bietet Gelegenheit für einen ersten Stadtspaziergang, eine Massage oder um all die vielen Eindrücke der letzten Tage setzen zu lassen. Am Abend treffen wir uns zum gemeinsamen Abendessen im Hotel.

8. Tag: Estland: Stadtbesichtigung in Tallinn

Tallinn ruft und wir freuen uns auf die Besichtigung der estnischen Hauptstadt. Heute beginnen wir im Bus und fahren durch das idyllische Viertel Katharinenthal, in dem traditionelle Holzhäuser inmitten von Grün Wohnraum bieten. Solche romantischen Wohngegenden findet man selten in Großstädten, doch die größte estnische Stadt hat ja nur, im internationalen Vergleich bescheidene 420.000 Einwohner. Vorbei an der Sängerwiese, einer Waldbühne in Form einer Muschel, die ein finnischer Architekt konzipiert hat, erreichen wir das Ufer der Bucht von Tallinn.
Dort weht uns das Tallinner Lüftchen in die Nase, ein eher unangenehmer Geruch, der durch die enge Bucht und die warmen Wassertemperaturen entsteht. Zum Glück nehmen Fotos keine Gerüche auf, so dass unsere Fotos mit der Skyline des modernen Tallinn und der benachbarten Altstadt trotzdem schön wirken. Es herrscht reger Fährverkehr in Tallinn, der Estland mit Finnland und anderen Nord- und Ostseehäfen verbindet. An das Unglück der Fähre "Estonia", die im Jahr 1994 auf ihrem Weg nach Stockholm unter bis heute nicht ganz geklärten Umständen sank, erinnert das Mahnmal "Die gebrochene Linie" in Hafennähe.

Wir erreichen den Fuß des Domberges und es ist Zeit, zu Fuß unterwegs zu sein. Zusammen spazieren wir hinauf in die Oberstadt, die Tallinn (übersetzt) ihren Namen gibt. Gleich gegenüber der imposant-schönen russisch-orthodoxen Alexander-Newski-Kathedrale, mit ihren drei Zwiebeltürmen, die eigentlich "Kerzenwachs" darstellen (laut Daiva), befindet sich das Schloss, das heute das estnische Parlament beherbergt. Durch die engen Gassen, vorbei am Mariendom und anderen historischen Gebäuden, erreichen wir eine der Aussichtsplattformen über Tallinn. Wir verschnaufen und lassen den Blick schweifen. Wir entdecken die "Dicke Margharete", doch ihre Bedeutung und Geschichte kann man bei einem Besuch herausfinden.

Tallinn ist die kompakteste der drei Hauptstädte. Ihre Altstadt, eine der am besten erhaltenen aus der Hansezeit, ist durch eine Stadtmauer in Unter- und Oberstadt unterteilt. Zwei Straßen mit klingendem Namen verbinden die beiden Teile: Kurzes und langes Bein. Durch letztere spazieren wir hinab in die lebendige Unterstadt mit dem omnipräsenten Rathausplatz. Diesen zieren nicht nur viele Sitzgelegenheiten, die den Trubel etwas verschlucken, eine Apotheke aus dem Jahr 1422, viele Restaurants, sondern auch der 64 Meter hohe Rathausturm. Wie in der gesamten Stadt fallen auch hier Gebäude ins Auge, die mit estnischem Dolomit, einem sehr glatt wirkenden Gestein, gebaut worden sind.

Der Rest des Tages steht uns zur freien Verfügung. Wir spazieren durch die Gassen, die die Gelassenheit der Esten ausstrahlen, und fragen uns: Welche Hauptstadt gefällt am besten?

Am Abend treffen wir uns für unser gemeinsames Abschiedsessen in der schönen und wuseligen Altstadt. Wir lassen die Reise und unsere Erlebnisse Revue passieren und bedanken uns herzlich bei Daiva, die uns ihre Heimat so wunderbar nahe gebracht hat. Eventuell bleibt danach noch Muße und Platz im Magen für einen Besuch in der ältesten Chocolaterie der Stadt?

9. Tag: Heimreise nach Deutschland

Es heißt Abschied nehmen vom schönen Tallinn und Baltikum. Wir haben fast den gesamten Vormittag noch in der Stadt und nutzen die Zeit individuell.

Die Frage nach der schönsten der drei Hauptstädte muss nicht beantwortet werden. Es muss, soll oder braucht nicht immer einen Sieger geben. Es sind drei Länder mit drei Hauptstädten, verschiedene Kulturen, eigenen Geschichten, unterschiedlichen Menschen. Jede der drei Städte und jedes der Länder hat seine Eigenheiten und Schönheiten.

Die Stimmung in den Ländern hat uns gefallen und gut getan. Es war so herrlich unprätentiös. Freundlich, ohne Übertreibung. Authentisch. Ehrlich. Ausgeglichen. Gelassen. Lebensfroh. Gerne nehmen wir eine große Portion von all dem mit nach Hause und hoffen, unserem eigenen Alltag eine frische baltische Brise beimischen zu können.

Schlusswort

Danke Daiva, dass Du uns so kenntnisreich, authentisch und mit viel Herzblut durch Deine Heimat geführt hast. Wenn wir von nun an vom Baltikum hören, können wir es mit persönlichen und visuellen Eindrücken verbinden. Und, wir können die Hauptstädte unfallfrei und ganz sicher dem jeweiligen Land zuordnen. Es war eine schöne Reise, es hat richtig Spaß gemacht!

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