Reisebericht: Rundreise Bosnien–Herzegowina – Städte, Klöster und Natur

04.06. – 11.06.2024, 8 Tage Bosnien–Herzegowina mit Sarajevo – Travnik – Jajce – Rama–See – Mostar – Medjugorje – Blagaj – Pocitelj – Kravica–Wasserfälle


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Bosnien-Herzegowina? Was verbinden Sie mit diesem kleinen Land, das ehemals einer der sechs Teilstaaten Jugoslawiens war? Vermutlich denken Sie an Sarajevo, die Brücke von Mostar und den Balkankrieg. Ja, stimmt. Doch das kleine Land, versteckt auf der Balkaninsel, mit seinen grünen Bergen, einem Mix aus Kulturen und Religionen, sozialistischem Erbe und herzlichen Menschen hat noch sehr viel mehr zu bieten. Am Ende der Reise wissen Sie: Es ist ein Juwel, klein und dennoch sehr fein.
Ein Reisebericht von
Jana Wessendorf
Jana Wessendorf

Tag 1 – Flug nach Sarajevo – 04.06.2024

Sternenförmig, von verschiedenen Flughäfen und auf unterschiedliche Art und Weise, reisen wir via Wien nach Sarajevo an. Unser örtlicher Reiseleiter Adi heißt uns am Flughafen willkommen und wir fahren direkt zu unserem Hotel mitten in der wuseligen Altstadt.

Auf dem Weg dorthin bekommen wir erste Eindrücke dieser Stadt, die weltbekannt ist durch das Attentat auf Prinz Ferdinand 1914, die Olympischen Spiele 1984 und die jahrelange Belagerung im Bosnienkrieg Anfang der 1990er Jahre. Adi erklärt, dass Sarajevo einer Belagerung von 1425 Tagen ausgesetzt war - und somit länger als das heutige St. Petersburg im 2. Weltkrieg. Unvorstellbar. Einige Wunden dieses Krieges sind auch auf den ersten Blick immer noch erkennbar. Gleichzeitig entdecken wir auch die Schnittstelle zum früheren Osmanischen Reich und zwischen Moderne, Sozialismus und Altstadt. Adi sagt dazu: "Sozialistische Bauten sind hässlich, aber sie sind standhaft und halten sogar Beschuss aus. Das ist fast wichtiger."

Nach dem Einchecken im Hotel steht der restliche Nachmittag zur freien Verfügung. Da wir mitten im Zentrum wohnen, zwischen Markt, Altstadtgassen und Einkaufsstraßen, fällt es leicht, die unmittelbare Nähe unseres Hotels zu Fuß zu entdecken. Zwei Dinge fallen zuerst auf: Cevapcici gibt es überall. Die Liebe der Bosniaken zum Dessert und zu Süßigkeiten ist unübersehbar. Kleine Geschäfte bieten die Köstlichkeiten im Übermaß an.

Zum Abendessen treffen wir uns in der Lobby des Hotels und eröffnen unsere Reise offiziell. Ein kurzer Spaziergang bringt uns zum nahen Restaurant, wo wir ein 4-Gänge-Menü schlemmen. Interessanterweise läuft Musik der 1980er Jahre, unter anderem "Live is life" von Opus. Nach einer Vorstellungsrunde lassen wir den langen Tag ausklingen und freuen uns auf das Erkunden von Sarajevo morgen.

Tag 2 – Stadtführung in Sarajevo mit Sarajevo–Tunnel und Bierbrauerei – 05.06.2024

Sarajevo wartet auf uns und wir erkunden es mehrheitlich zu Fuß. Es wird ein intensiver Tag werden, vor allem emotional. Gleich um die Ecke unseres Hotels liegt die Stelle, an der 1914 durch das Attentat auf Prinz Franz Ferdinand und seine Frau der Erste Weltkrieg ausgelöst wurde. Wir haben das Gefühl, hautnah dabei zu sein, als Adi von der Abfolge der Ereignisse und der Fehlerkette berichtet.

Sarajevo ist die Hauptstadt Bosnien-Herzegowinas und wirkt doch so gar nicht als Hauptstadt. Fast wirkt die Stadt mit ihren rund 350.000 Einwohnern beschaulich, so gar nicht dem Rhythmus entsprechend den wir von europäischen Hauptstädten kennen. Zeit hat hier eine andere Bedeutung, Arbeit auch, das Miteinander ebenso. Wir spazieren vorbei an der Orthodoxen Kirche und Gazi Husrev-Beg Moschee, sehen eine Statue des Literaturnobelpreisträgers und früheren Diplomaten Ivo Andric, das imposante Rathaus und stromern durch die Altstadt mit ihrem historischen Markt Bašcaršija sowie dem berühmten Sebilj-Holzbrunnen. Kennen Sie das Symbol der Olympischen Winterspiele 1984 und seine Bedeutung? Entdecken Sie es in Sarajevo, es findet sich noch immer häufig in der Stadt! Wussten Sie eigentlich, dass die älteste öffentliche Toilette in Sarajevo noch heute - und das seit 1530 - betrieben wird?

Doch, bei aller Schönheit und Beschaulichkeit, kann man sich in Sarajevo den Geschehnissen der jüngeren Vergangenheit nicht entziehen. Adi vermittelt uns die schlimmen Ereignisse auf eindrückliche Art und Weise. Wir stellen Fragen, es kommt ein Austausch zustande. Das Ewige Feuer mit dem für Bosnien-Herzegowina so wichtigen Datum des 6. April oder die "Rosen von Sarajevo" stehen stellvertretend für die furchtbaren Ereignisse der Jahre 1992 bis 1995. Wir erfahren, dass die meisten der Einwohner Sarajevos die Belagerung über vier Jahre in der Stadt ausgehalten haben, was nahezu unwirklich erscheint. Lebensmittel- und Trinkwasserknappheit und der Zusammenbruch des Gesundheitssystems waren neben Heckenschützen und den täglichen Granatgeschossen (im Durschnitt täglich 329 Granaten) Alltag. Im Gegensatz dazu wurde das kulturelle Leben bewusst aufrecht erhalten, um mit Abwechslung und Inspiration Positivität zu vermitteln. Iron Maiden hat hier mitten im Krieg ein Konzert gegeben. Das Durchhaltevermögen der Bewohner Sarajevos ist zu bewundern.

Nach dem Mittag fahren wir zum "Tunnel des Lebens" oder auch "Tunnel der Hoffnung". Dieser wurde von Einwohnern Sarajevos unter dem von der UNO gehaltenen Flughafen gegraben, um die Innenstadt, mit Lebensmitteln, Waffen, Munition, Medikamenten zu versorgen oder auch Kranke und Verwundete zu evakuieren. Der Tunnel war 800 Meter lang und wurde über vier Monate und vier Tage gegraben und fertiggestellt. Der Tunnel beginnt an einem Ende in einem Wohnhaus einer Familie, deren Großmutter die gute Seele der Passierenden war. Sie lebt noch heute, 96-jährig, in der Nähe. Über eine Million Menschen sollen durch ihr Haus gekommen sein. Ein eindrücklicher Film über den Tunnelbau und Fotografien aus der Zeit runden das intensive Erlebnis ab. Zum Abschluss laufen wir rund 150 Meter durch einen Tunnelnachbau, der uns die Enge und Beklommenheit selbst fühlen lässt. Dabei fühlen wir uns sicher und wissen, dass heute über uns nicht geschossen wird und keine Granaten fliegen.

Zum Abschluss besuchen wir die Brauerei "Sarajevska", die 1864 vom Österreicher Ignaz Hajdinger gegründet wurde und als älteste im Land gilt. Anfangs nur für den lokalen Markt produzierend, werden die Getränke - Bier und Softgetränke - jetzt auch in exportiert. Der Widerstandswille der Einheimischen findet sich auch im Betrieb der Brauerei wider: In allen drei großen Kriegen - 1. und 2. Weltkrieg sowie der Bosnienkrieg - hat die Brauerei weiter produziert. Im Bosnienkrieg, mangels Nahrungsmitteln, eben mit Reis anstatt mit Hopfen, Gerste oder Malz. Gleichzeitig wurde die Brauerei zur Trinkwasserquelle, da die Trinkwasserzufuhr in die Stadt von der gegnerischen Armee gekappt wurde. Bei einem offerierten Glas Bier lassen wir all das Gesehene und Gehörte Revue passieren.

Heute wird unser Abendessen von den Klängen von Modern Talking begleitet. Wir fragen uns: Hört man diese Musik hier gerne oder spielt man das für uns, weil wir Deutsche und die einzigen Gäste im Restaurant sind? Fakt ist, dass beim weiteren Spaziergang durch die abendliche Altstadt "Moonlight Shadow" von Mike Oldfield aus einer Bar tönt - und dort sitzen nur Einheimische. Nicht jede Frage braucht immer eine Antwort.

Tag 3 – Travnik und Jajce – 06.06.2024

Es zieht uns in hinaus aus Sarajevo, in den Norden, in den Kanton Zentralbosnien. Zwei kleine und feine Städte wollen wir heute besichtigen: Jajce, im 14. Jahrhundert die Hauptstadt des bosnischen Königreichs, und Travnik, die frühere Hauptstadt des Osmanischen Reiches in Bosnien-Herzegowina.

Viel morgentlicher Berufsverkehr und einige Baustellen verzögern unseren Erkundungsdrang, aufhalten können sie ihn jedoch nicht. Nach knapp zwei Stunden erreichen wir Travnik. Unser erstes Ziel: Das Restoran "Lutvina Kahva", besser bekannt auch als Lieblingscafé des heimischen Literaturnobelpreisträgers Ivo Andric. Hier hat er seinen Roman "Wesire und Konsuln" geschrieben; hier spielen auch Teile der Handlung. Travnik trägt den Beinamen: Die Stadt der 77 Wesire und eines Nobelpreisträgers. Eine weitere Besonderheit im Café: Kaffee Lutvo. Am besten selber probieren - diese Mischung im Gedeck dürfte wirklich einmalig sein. Beim weiteren Spaziergang durch das kleine Städtchen, das auch Leipzigs Partnerstadt ist, entdecken wir Andric' Geburtshaus oder die bunte Moschee. Letztere ist eine Besonderheit unter Moscheen befindet sich doch unter ihr ein kleiner Basar. Ihr Minarett befindet sich auf der linken Seite (vom Eingang aus gesehen), was genauso selten ist wie die bunte Fasadenmalerei. Ein echter Hingucker! Die Menschen in Travniks Alltag lassen sich Zeit, alles wirkt ruhig und ausgeglichen. Eine Wohltat für uns und wohl auch für die Einheimischen. Könnte man ein Quäntchen davon nach Deutschland kopieren?

Nach unserer Mittagspause, Cevapcici oder Pita, fahren wir weiter nach Jajce. Auch bei der Fahrt zwischen den beiden Städtchen fällt wieder auf, was uns den gesamten Tag begleiten sollte: Grün, wohin das Auge blickt. Endlos erscheinende gesunde Wälder, Berge, Flüsse, und noch mehr Wälder. Unsere kurvenreiche Fahrt durch die Berglandschaft Zentralbosniens braucht ihre Zeit, doch sie ist landschaftlich wunderschön. Berge gibt es im Land viele. Wanderer kommen hier voll auf ihre Kosten, zumindest in dieser Gegend, die als minenfrei gilt.

Jajce liegt eingekuschelt im Talkessel und klebt am Hang. Zum Wasserfall hinab und wieder hinauf und weiter in Richtung Stadtmauer an der alten Burg erobern wir doch einige steilere Höhenmeter. Jajce ist eine Stadt mit bosnischen und kroatischen Einwohnern. Das Stadtzentrum ist eine interessante Mischung aus Altbauten, verfallenden Wohnhäusern, einem gut erhaltenen sozialistischen Kulturpalast, alten Stadttoren und neumodischen Bankgebäuden. Das muss man erstmal wirken lassen! Ein Höhepunkt ist der Besuch der Katakombe von Jajce, mit einer Untergrundkirche, Gräbern und einer Krypta, die bis ins frühe 15. Jahrhundert zurückverfolgt werden kann. Auch Josip Tito, der 20 Jahre lang die politischen Geschicke Jugoslawiens leitete, soll sich hier eine Weile versteckt gehalten haben, um wichtige Dokumente gegen Ende des 2. Weltkriegs zu studieren und zu unterzeichnen.

Vor dem AVNOJ-Museum, in dem in den 1940er Jahren die staatliche Neuordnung Jugoslawiens beschlossen wurde, müssen wir für unsere Reisegruppe eine ebensolche schwerwiegende Mitteilung machen: Unser Reiseleiter Adi muss uns heute Abend aus persönlichen Gründen verlassen. Das ist sehr schade, hat er uns doch mit Witz und viel Wissen durch die ersten Tage begleitet. Auf der Fahrt zurück verabschieden wir Adi und bedanken uns herzlich.

Tag 4 – Rama–See – Franziskanerkloster Rama – Šcit – Mostar – 07.06.2024

Unser neuer örtlicher Reiseleiter Muhamed erwartet uns nach dem Frühstück. Wir steigen in unseren Bus und fahren in Richtung Süden, nach Herzegowina. Die herrlich grün bewaldete, unendlich erscheinende Bergwelt begeister, jetzt als Karstgebirge, und bleibt in unserem Blickfeld, bis wir die Neretva-Schlucht verlassen und Mostar erreichen.

In der Kleinstadt Konjic, in dessen Nähe Tito einen Atombunker errichten lies, dessen Fertigstellung er nicht lange überlebte, erreichen wir den Jablanica-Stausee, der aus dem Flusslauf der Neretva aufgestaut wird. Die Neretva gilt als einer der kältesten Flüsse der Welt, wird auch im Sommer selten wärmer als sieben Grad Celsius. Das intensive Türkis, das Schönheit und Kälte zugleich ausstrahlt, rührt auch von Kupferbestandteilen her. Unsere Straße schmiegt sich an den Verlauf des Sees, den wir fast eine Stunde begleiten. Über einen kleinen Bergpass wechseln wir die Bergseite und haben auf der anderen Seite das Gefühl, mal eben im Paradies gelandet zu sein. Unter uns liegt die Hochebene mit dem Rama-Stausee und kleinen Dörfern, umgeben von Bergen. Begeistert von der Schönheit stehen wir staunend am Seeufer.

Auf einer Halbinsel im Stausee, dem einige Dörfer der Rama zum Opfer fielen, wartet das Franziskanerkloster Rama - Šcit auf unseren Besuch. Ein deutschsprechender ehemaliger Pfarrer des Klosters führt uns zur imposanten Klosterkirche sowie durch die mit moderner Kunst und unerwarteten Motiven aufwartenden kleinen Galerie. Das liebevoll eingerichtete und reich bestückte ethnografische Museum, das das traditionelle Leben der Rama erzählt, gefällt uns. Ein vier Meter hohes bronzenes Kreuz wie auch die aus gleichem Material hergestellte Statue des Abendmahls, prächtig vor der beeindruckenden Landschaft in Szene gesetzt, bringen die Kameras in Dauereinsatz. Zum Ende der Führung dürfen wir noch Süßkirschen vom Baum pflücken.

Das Kloster, in dem noch zwei Nonnen arbeiten, hat Nachwuchssorgen, ziehen die jungen Menschen doch heute lieber in die weite und digitale Welt hinaus. Möglicherweise eignet sich solch ein Platz heute eher für Menschen, die der Hektik des Alltags entfliehen wollen? Wer Detox von Zivilisation und schlimmen Nachrichten wünscht, ist hier jedenfalls genau richtig.

Wir verlassen das kleine Paradies und machen uns auf den Weg nach Mostar. Bei einem Fotostopp an der (nachgebauten) Weltkriegsbrücke in Jablanica, die als Filmkulisse für den Film „Die Schlacht an der Neretva“ erbaut wurde, erfahren wir von Titos realem Ablenkungsmanöver der Brückensprengung und von seiner nächtlichen Flucht auf einer heimlich errichteten provisorischen Brücke.

Kurze Zeit später sitzen wir hoch oben am Flussufer der Neretva, mit fantastischen Aus- und Weitblicken, und kosten vom traditionellen gegrillten Lamm, das auf den saftigen Bergwiesen grasen darf, oder von der Forelle, die hier gezüchtet wird. In jedem Fall war es ausnehmend lecker.

Am späten Nachmittag erreichen wir unser Hotel in Mostar. Die ganz Unternehmungslustigen unter uns machen sich gleich noch auf den Weg zur berühmten Brücke, dem Wahrzeichen der Stadt, dass symbolisch Kroaten und Bosniaken verband und verbindet. Andere ruhen sich aus in den schönen Zimmern mit Balkon und Aussichten auf die Berge im Hinterland Mostars.

Das Abendessen im Hotel, auf Wunsch mit hier angebauten Hauswein serviert, übertrifft unsere Erwartungen, wird doch eine reich bestückte Fleischplatte mit Cevapcici, Kalbskotelett, Gulasch, Hühnchen und Schnitzel gereicht. Vegetarier haben es schwer in Bosnien - Herzegowina, wiewohl die fleischlose Küche langsam populärer wird, langsam.

Ob wir morgen bei unserem Stadtrundgang Zeuge werden, wie jemand von der "Alten Brücke" mutig in den Fluss springt?

Tag 5 – Ausflug nach Medugorje und Blagaj – Stadtrundgang in Mostar – 08.06.2024

Das Wetter meint es gut mit uns, schon die gesamte Zeit. Auch heute wieder ist der Himmel strahlend blau. Das Thermometer klettert erstmals über die 30 Grad. Das Wetter hier in Herzegowina ist wärmer als in Bosnien, der nahen Adria sei Dank fühlt es sich auch etwas humid an.

Herzegowina, der Name, der etwas deutsch klingt, hat tatsächlich seinen Ursprung in unserer Sprache. Einst von einem bayrischen Herzog als Herzogtum regiert, wurde diese Ableitung schwupps zum Namen dieser Region auf dem Balkan. Heute erkunden wir die Region um Mostar, die uns auch mit Tiefblicken auf die Stadt, die unvermeidliche Neretva und auch die Weinberge verzückt. Pilgerorte stehen auf unserem Reiseplan: Ein christlicher, Medugorje, und später ein muslimischer, mit dem Derwischkloster Bagaj. Bei soviel religiöser Vielfalt soll auch die serbisch-orthodoxe Kirche nicht unerwähnt bleiben, die auch in Bosnien-Herzegowina Anhänger und Pilgerstätten hat. Bosniaken, Kroaten und Serben bilden auch die ethnische Vielfalt im Land, die im gelben Dreieck auf der Landesflagge abgebildet wird. Die andere Farbe, blau, und die Sterne, deuten auf Europa, natürlich, denn Bosnien-Herzegowina möchte EU-Mitglied werden. Wenn dann in naher oder ferner Zukunft alle sechs Staaten des ehemaligen Jugoslawien in der EU vereint sein sollten, kann man sich fragen, warum Anfang der 1990er Jahre gekämpft werden musste. Geostrategische Ambitionen, wie bei jedem Krieg, leider - das ist keine Rechtfertigung und taugt auch kaum als haltbare Erklärung, wenn es Menschenleben kostet.

Aus aller Herren Länder strömen Gläubige nach Medugorje, seit hier 1981 ein paar Jugendlichen auf dem in der Nähe befindlichen Hausberg Maria erschienen sein soll. Auch heute ist die große Kirche voll gefüllt, als wir gerade zu der Zeit eines öffentlichen Gottesdienstes dort ankommen. Kurze Zeit später erreichen wir das osmanisch geprägte Blagaj, einen Ort, direkt vor mächtigen Karstbergen gelegen. Hier gründeten Gläubige im 16. Jahrhundert ein kleines Derwischkloster, direkt an der Mündung der Buna in einer Höhle gelegen. Kristallklares Wasser strömt in Massen aus dem Berg. Diese Szenerie, gepaart mit der besonderen Atmosphäre des Sufismus, zieht nicht minder wenige Besucher an als im nahen Medugorje.

Am frühen Nachmittag erreichen wir Mostars Altstadt, die an diesem Samstagnachmittag ebenso viele Besucher, Tagesgäste und auch Einheimische anzieht. Der magische Anziehungspunkt ist die "Stari Most", die Alte Brücke. Im Bosnien-Krieg nahezu komplett zerstört, wurde die Brücke mit EU-Millionen wieder aufgebaut. Die Steine und Stufen der Brücke sind spiegelglatt von den, gefühlt, Millionen jährlichen Besuchern. Ohne Zweifel, sie ist ein Schmuckstuck, ein Hingucker. Eine Brücke, im wahrsten Sinne des Wortes, in einer Gegend, wo derartig verschiedene Ethnien und Religionen zusammenleben. Ein anderer Höhepunkt, die osmanisch geprägte Koski-Mehmed-Pascha-Moschee, mit ihrem gut erhaltenen Innenraum, gefällt ebenso. Wer enge steile Treppe nicht ablehnt, dem sei ein Aufstieg auf das Minarett empfohlen; selbstredend mit freiem Blick auf ihre berühmte Nachbarin, "Stari Most".

Der restliche Nachmittag steht der individuellen Erkundung von Mostar zur Verfügung. Unsere Hoffnung, einen tollkühnen Sprung ins kalte Nass der Neretva zu erleben, wird nicht erfüllt. Die Hoffnung muss mit Bargeld unterstützt werden, mit touristischer Schwarmfinanzierung also. Heute haben sich wohl viele gefragt, warum sie zahlen sollen, damit ein jugendlich Verrückter aus einer Höhe von gefühlt 20 Metern in einen nicht mal 10 Meter tiefen und weniger als 10 Grad kalten Fluss springt. Der mutmaßliche finanzielle Anstoß für den Absprung liegt bei kolportierten 50 Euro. Würden Sie dafür springen?

Die Hitze und die viele Sonne sind unerbittlich. Das frisch renovierte Hotel bietet neben Erholung auch Abkühlung und später am Abend ein leckeres Dinner an.

Tag 6 – Ausflug zu den Kravica–Wasserfällen und nach Pocitelj – 09.06.2024

Wir fahren zu den Miniatur-Niagarafällen, die mit richtigem Namen Kravica heissen. Der Fluss Trebižat stürzt in einer natürlichen Senke über eine Breite von 100 Metern rund 30 Meter in die Tiefe. Da der Tag noch jung ist, sind wir mit die Ersten, die das Naturschauspiel bestaunen. Es gibt Mutige, die in der kalten Naturbadewanne baden. Für uns ist es schon verwegen, die Füße in das kühle Nass zu tauchen. Wenn sich dann noch eine Seeschlange darunter entlang windet, fühlt man sich ein bißchen verwildert.

Von den Wasserfällen reisen wir weiter zum steinernen Festungsstädtchen Pocitelj, das mit seinem dörflichen Charme überzeugt. Das den kleinen Ort weit überragende Minarett der Šišman Ibrahim Pasha Moschee ist ebenso wie der hoch über dem Dorf thronende Festungsturm die Hauptsehenswürdigkeit, wiewohl der Charme des Ortes seine eigentliche Seele ist. Die Geschichte des Dorfes reicht zurück bis zum Mittelalter. Wenn man auf den Steinpfaden und -wegen durch das an den Hang gebaute Dorf schlendert, fühlt man sich etwas aus der Zeit gefallen oder in der Zeit gefangen, fühlt es sich doch an, als stände sie still. Der sich zwischen den Häusern hinauf windende Aufstieg zum Festungsturm ist weniger schlimm als es von unten aussieht. Wer es wagt, wird mit prächtigen Aussichten über die Neretva-Ebene bis hin zu den allgegenwärtigen Bergen belohnt. Ein kleiner Plausch mit einer der Dorffrauen, die Obst und Saft verkaufen, und leckerer Granatapfelsaft belohnen für die Mühen. Welch' ein Kontrast zu den Menschenmassen in den gestrigen Pilgerorten in Medugorje und Blagaj. Pilgern kann man auch zu solch kleinen Juwelen wie Pocitelj eines ist.

Herzegowina ist eine Weingegend, was nicht weithin bekannt ist. Bei einer Weinprobe auf dem als Familienunternehmen gegründeten Gut Carska kosten wir vom Saft der edlen einheimischen Trauben von Blatina (rot) und Žilavka (weiß) und stoßen auf unsere gelungene Reise in dieses kleine unverschämt schöne Land, Bosnien-Herzegowina, an.

Wer möchte, lässt den Nachmittag im Zentrum vom Mostar ausklingen, oder erholt sich in unserem Hotel. Morgen reisen wir zurück nach Sarajevo.

Tag 7 – Mostar – Konjic – Sarajevo – 10.06.2024

Unsere Reise neigt sich langsam dem Ende zu. Wir verlassen Mostar und Herzegowina, um nach Sarajevo und Bosnien zurückzukehren. Unterwegs sehen wir wieder viele der gepflegten und reich bestückten Gemüsegärten, die es bei jedem Haus zu geben scheint. Obstbäume, egal ob Kirschen, Johannisbeeren, Granatapfel, Apfel oder Birnen dürfen natürlich auch nicht fehlen.

Wegen eines Unfalls in einem der vielen Tunnel in der Neretva-Schlucht kommt es zu einem Stau. Nach einer Woche Rundreise in Bosnien-Herzegowina sind wir entspannt und ausgeglichen, so wie die Menschen hier jeden Tag ihren Alltag leben. Wir können es nicht ändern, wir können es nicht beeinflussen. Es gibt nur diese eine Straße nach Sarajevo, zumindest noch so lange, bis die Autobahn fertiggestellt sein wird.
Nach zwei Stunden geht es weiter und wir erreichen das Städtchen Konjic, das für seine Steinbrücke bekannt ist, genau zur Mittagszeit. Wir verbinden Fotostopp und Mittagspause. Am frühen Nachmittag sind wir zurück im schönen Sarajevo. Es fühlt sich an wie nach Hause zu kommen. Wir alle lieben Sarajevo, den Charme der Stadt, die Lage im Talbecken der vier Berge, das Gewusel in der Altstadt. Wir verstreuen uns für verschiedene Erlebnisse: Mit der Seilbahn auf den Berg Trebevic fahren und dort die verlassene olympische Bobbahn anschauen, eine Foto-Ausstellung zum Srebrenica-Kriegsverbrechen besuchen, zu den olympischen Skisprungschanzen auf dem Berg Igman mit Zeugen des Kriegs fahren oder einfach in die lebendige Altstadt eintauchen, um Souvenirs zu kaufen.

In einem Lokal, das für seine köstliche einheimische Küche bekannt ist, lassen wir unsere schönen Tage in diesem kleinen wunderschönen Land ausklingen. Die herzhaft-robuste Chefin bringt uns zum Schmunzeln, während wir die bosnischen Spezialitäten futtern.

Dann, ein letztes Abschiedsbild vor dem beleuchteten Rathaus mit dem Sarajevo-Schriftzug. Etwas Nostalgie und Abschiedsschmerz kommen auf ...

Tag 8 – Heimreise – 11.06.2024

Es ist unvermeidlich. Unsere Reise in Bosnien-Herzegowina endet heute. Es hat uns Spaß gemacht. Gerne wären wir noch ein paar Tage länger geblieben und hätten diese Reisejuwel mit seinen freundlichen Menschen bereist. Die Schönheit des Landes, gepaart mit seiner kürzlichen tragischen Geschichte, die Offenheit der Bewohner, das Klima, das leckere Essen, das viele Grün - all das fordert subtil dazu auf, wiederzukommen. Hvala, Bosnien-Herzegowina. Es war schön!

Genauso sternenförmig wie wir angereist sind, reisen wir auch wieder zurück. Wir bringen jede Menge schöne Erinnerungen an ein Land heim, das uns bis vor kurzem noch unbekannt war.

Schlusswort

Jeder Moment in diesem Land hat uns gezeigt, wie reich und vielschichtig die Historie und Kultur Bosnien-Herzegowinas ist. Diese Reise war mehr als nur eine Erkundung – sie war eine Begegnung mit einer tief verwurzelten Kultur, Naturschönheiten und einer außergewöhnlichen Geschichte, die uns ein Leben lang begleiten wird. Bis zum nächsten Mal, Bosnien-Herzegowina – wir freuen uns schon darauf, wiederzukehren und noch mehr von deinem unvergleichlichen Charme zu entdecken.

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