Reisebericht: Rundreise Frankreich – Burgund vom Feinsten

15.05. – 21.05.2016, 7 Tage Busreise im klassischen Burgund nach Dijon – Clos Vougeot – Beaune – Citeaux – Cluny – Cormatin – Paray le Monial – Autun – Fontenay – Vezelay


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Über Mulhouse und Ronchamp ins Burgund nach Dijon, Senf- und Käseverkostung, zum Schloss Vougeot und den Klöstern Citeaux und Fontenay. Cluny und Schloss Cromartin in die Weinstadt Beaune mit Besuch der Wallfahrtsorte Paray-le-Monial, Autun und Vezelay.
Dass Burgund mehr ist als nur eine Weinregion, dass sie das ideale Urlaubsziel für Feinschmecker, Kulturliebhaber und Freunde der französischen Lebensart ist und dass viele der malerischen Orte mit ihren verwinkelten Innenstädten den Interessierten rasch in ihren Bann ziehen, davon konnten wir uns während der intensiven, wenn auch nur sieben Tage dauernden Reise in eines der Zentren französischer Kultur und Vergangenheit überzeugen. Großartige Kathedral- und Kirchenbauten, nicht selten mit den in hier in Burgund kreierten Stil- und Baumerkmalen, zogen uns ebenso in ihren Bann wie zahlreiche kulinarische Köstlichkeiten und die mit der französischen und gesamteuropäischen Geschichte verknüpften, geheimnisvoll wirkenden Abteien, die einst Zentren des christlichen Mittelalters in Europa waren.
Ein Reisebericht von
Dr. Michael Krause
Dr. Michael Krause

Dresden – Karlsruhe – Neuf–Brisach – Mulhouse: erster Tag, Sonntag, 15.05.16:

Wie immer bei unseren Reisen nach Frankreich von Dresden aus mussten wir Deutschland auf der Autobahn von Osten nach Südwesten durchqueren. Diesmal gab es nur wenige Stopps unterwegs und wir waren mit 24 Mitreisenden im Bus - vier weitere Reisegäste würden heute Abend im elsässischen Mulhouse zu uns stoßen, die per Flugzeug bzw. mit dem Auto angereist waren. Nach einigen Pausen auf bequemen Autobahnraststätten überquerten wir nachmittags den Rhein bei Freiburg und damit die deutsch-französische Grenze. Hier waren wir früh genug dran, um schon am ersten Tag ein kleines Reise-Extra einzubauen: Nur wnige Kilometer hinter der Grenze liegt die Kleinstadt Neuf-Brisach, die 1699 bis 1703 von Sébastien Le Prestre de Vauban, dem berühmten Festungsbaumeister des französischen „Sonnenkönigs" Ludwig XIV., in Form eines Achrtecks als „ideale Festungsstadt" angelegt wurde. Damals eine der größten Festungsanlagen Europas steht Neuf-Brisach heute auf der Denkmalliste des UNESCO-Weltkulturerbes und stellt mit seiner Anlage als barocke Planstadt, schachbrettartig angelegt und an allen Seiten mit dreieckig bzw. sternförmig vorragenden Wall-Graben und Mauer-Anlagen eine ganz besondere Sehenswürdigkeit dar. Ihre Mitte bildet bis heute der riesige Exerzierplatz, jetzt als Marktplatz genutzt und man kann durch die komplett erhaltenen Festungswerke einen guten Eindruck von den Besonderheiten einer barocken Artilleriefestung gewinnen. Wir hatten Hier Zeit für einen kleinen Bummel durch die Wall-Graben-Anlagen und zum erhaltenen Torbau, denn trotz mehrtägigen Artilleriebeschusses im deutsch-französischen Krieg 1870/71 waren diese im Gegensatz zu den Wohnbauten im Stadtinneren fast unversehrt geblieben.

Mulhouse

Später fuhren wir zu unserem Tagesziel Mulhouse im Elsass und checkten ins Hotel ein. Die noch verbleibende Zeit bis zum Abendessen nutzten wir zu einem kleinen Rundgang in die schöne Altstadt, die nicht weit von unserem Hotel lag. Der zentrale „Platz der Wiedervereinigung", an dem die meisten interessanten Innenstadt-Gebäude liegen, wird dominiert von der protestantischen Stephanskirche und vor allem vom schmucken Rathaus, das noch aus der Renaissancezeit stammt und mit roten und goldenen Farben bemalt ist. Heute beherbergt es das Stadtmuseum und enthält als historische Besonderheit einen „Klapperstein", den früher Raufbolde, Beleidiger und Ruhestörer zur Strafe durch die Stadt tragen mussten. Neben dem Rathaus erinnert das Schweizerhaus mit übergroßer hölzerner Tell-Figur und Schweizer Wappen daran, dass Mulhouse bis zu seinem Anschluss an Frankreich mit den Schweizer Kantionen verbündet war.
Zum Abendessen kehrten wir in unser Hotel zurück.

Mulhouse – Belfort – Ronchamp – Dijon, zweiter Tag, Montag 16.05.16:

Nach unserem Aufbruch von Mulhouse zum ersten Ziel Ronchamp am Fuße der Vogesen legten wir zunächst einen Fotostopp in Belfort ein. Die gewaltige Festung hier stammt ebenfalls in ihren Grundzügen von Baumeister Vauban, wurde aber - im Unterschied zum gestrigen Neuf-Brisach, das komplett in der flachen Rheinebene lag, dem Relief angepasst in hügeligem Gelände errichtet. Wir hatten Gelegenheit, uns dieeinige der gewaltgen, hoch aufragenden Festungsmauern mit ihren aufgesetzten Wachtürmchen anzusehen, bevor es weiterging an den Rand der Vogesen.
Hier liegt die Gemeinde Ronchamp, vor allem bekannt wegen ihrer modernen und einzigartigen Wallfahrtskapelle. Schon sehr lange in der Vergangenheit beherbergte das Städtchen eine Kapelle und einen Ort der Marienverehrung - die Bauten wurden aber in den Kämpfen des zweiten Weltkrieges zerstört. Mit dem Wiederaufbau beauftragte man den damals berühmten schweizerisch-französischen Architekten Le Corbusier (1887 - 1965), der zu den einflussreichsten Architekten des vorigen Jahrhunderts zählte. Dass sein Werk durchaus auch kontrovers diskutiert wurde, kann man sich leicht vorstellen beim Anblick der modernen Kirche, die man wegen ihrer exponierten Hügellage schon von weitem sehen kann. Die 1955 eingeweihte Kapelle „Notre Dame du Haut" (Unsere liebe Frau von der Höhe) gilt als Meilenstein und wegweisende Kirchenarchitektur der Moderne und ist alljährlich Anziehungspunkt für Zehntausende Pilger und Besucher, auch wenn der Versuch, sie ins UNESCO-Weltkulturerbe aufzunehmen, bisher noch nicht geglückt ist. Le Corbusier hat hier durch seinen Einsatz von Beton und modernen Materialien, die Verwendung blendendweißer Fassaden und der sehr einfachen Betontürme als „Lichtfänger" einen höchst interessanten Gegenentwurf zur Gotik geschaffen - beide spielen mit Licht und Schatten und der Hervorhebung einzelner Besonderheiten und zentraler Orte in der Kirche. Neben dem sparsam ausgestatteten Innenraum kann man an der Marienkapelle von Ronchamp die interessanten Einrichtungen für den Außengottesdienst bewundern.

Dijon

Nach der Besichtigung der modernen Kirche setzten wir unseren Weg in die burgundische Hauptstadt Dijon fort, die wir nach kurzer Mittagspause unterwegs am frühen Nachmittag erreichten. Ein Stadtführer erwartete uns, der uns auf einem gut anderthalbstündigen Rundgang das Zentrum seiner Heimatstadt näherbrachte. Die einstige Metropole Burgunds ist heute der Hauptort der erst Anfang 2016 gegründeten Großregion Burgund-Franche-Comte und bekannt für ihren Senf und als Weinhandelsstadt. Den Mittelpunkt der Innenstadt bildet der halbkreisförmige, von Kolonnaden gesäumte Befreiungsplatz, an dem sich der ehemalige herzogliche Palast befindet, der heute das Rathaus und das Museum der schönen Künste beherbergt. Wir staunten über die schön erhaltene Altstadt mit zahlreichen Patrizierhäusern, viel Fachwerk und die großzügigen, teilweise wundervoll architektonisch verzierten Sandstein-Paläste die die verwinkelten Straßen rund um den Herzogspalast mit seinem 46 m hohen, an einen Geschlechterturm erinnernden Aussichtsturm Philippe-Le-Bon aus dem 15. Jh. säumen. Nach dem Rundgang hatten wir etwas Muße bis zum nächsten Programmpunkt und konnten die Gelegenheit nutzen, das im Herzogspalast untergebrachte Kunstmuseum zu besuchen und uns vor allem den Gardesaal, auch „Saal der Grabmäler" genannt, anzusehen: Die Grabdenkmäler für zwei der burgundischen Herzöge - Philipp II. den Kühnen und Johann Ohnefurcht - aus dem 15. Jh. sind hier zu sehen, von namhaften Künstlern ihrer Zeit gestaltet und mit beeindruckenden Marmor- und Alabasterfiguren versehen, die Trauernde darstellen.
Nach dem Besuch im Kunstmuseum wandten wir uns einem Produkt zu, für das Dijon weithin bekannt ist: Senf. Obwohl die lokale traditionelle Produktion sich niocht mehr gegen Großhersteller behaupten konnte und die letzten Senffabriken schon vor etwa zehn Jahren schlossen, wird in Burgund - vor allem Beaune - immer noch in Handarbeit Senf hergestellt. Er besteht überwiegend aus gemahlenen Senfkörnern und dem (sauren) Saft unreifer Trauben - im Gegensatz zum Senf anderer Regionen, für den Essigverwendet wird. Da die gemahlenen Senfkörner für Dijon-Senf nicht entölt werden, ist er besonders gut zum Kochen und für Saucen geeignet. Nachdem uns eine der netten Angestellten im bekanntesten „Senfhaus" in Dijon einiges zur Herstellung erzählt hatte, konnten wir einige sehr interessante Geschmackskombinationen verkosten, wobei besonders der Senf mit Cassis-Anteil, Senf mit Honig und Feige, Senf mit Cognac oder der leckere Lebkuchensenf zu erwähnen sind. Natürlich ergab sich auch die Gelegenheit, einige der seltenen Sorten zu kaufen. Nach dem Besuch hier gab es noch einmal etwas Freizeit für individuelle Unternehmungen, bevor es dann zu unserem Bus und zum Check in ins Hotel ging. Das war eine tolle Sache, denn es lag direkt in der Innenstadt, nur wenige Laufminuten von Rathaus, Markthalle und der zentralen Kirche Notre Dame entfernt. Unser Abendessen nahmen wir in einem renommierten Restaurant in der Nähe ein.

Dijon – Käserei – Schloss Clos de Vougeot – Beaune, dritter Tag, Dienstag 17.05.16:

Zu Beginn des Tages erwartete uns ein Besuch in einer Käserei - zur Verkostung einer weiteren französischen Spezialität. Bei Gaugry, unweit von Dijon nahe dem Dörfchen Brochon gelegen, stellt man Weichkäse her. Mit mehreren kleinen Filmen wurden wir in die Grundlagen seiner Herstellung eingeführt - nach der Behandlung und Gerinnung der fischen und der teilweise pateurisierten Milch wird die Masse in Formen gefüllt, wo sie zunächst trocknet und Wasser und Molke verliert. 9000 - 12.000 Liter Milch verarbeite die Käserei jeden Tag - wir konnten einen Teil der im Film erläuterten Prozesse „live" durch Glasscheiben verfolgen, die uns Einblicke in die laufende Produktion gewährten. Die frischen Käse müssen erst einmal trocknen, dann werden sie regelmäßig gewaschen - in Handarbeit! - und das entscheidet über ihren endgültigen Geschmack. Das Abwaschen mit Salzwasser erzeugt dabei einen anderen Geschmack als das mit Weißwein oder gar „Marc de Bourgogne", mit Tresterschnaps. Nach mehrmonatiger Reife werden die Käse verpackt und versandt. Von dem Ergebnis konnten wir uns gleich darauf bei einer Verkostung von Käsestücken in fünf Geschmacksrichtungen überzeugen - zünftig begleitet von einem Glas rotem Burgunder.
Von der Käserei aus fuhren wir durch die Weinfelder der Gegend von Nuits-St.-Georges, entlang der „Route des Grand Crus", der besten Weinlagen in Burgund, in der „Cote d'Or" (Goldküste) genannten Region zum Wohl bekanntesten Schloss inmitten der Weinfelder. Das Clos de Vougeot liegt inmitten von ca. 51 Hektar seiner eigenen Weinlage, der vielleicht begehrtesten und kostbarsten in Burgund. Die als besonders gut eingeschätzte Weinlage verteilt sich heute auf 86 Besitzer, die alle nach eigenen Kriterien und Maßstäben Wein erzeugen, der überall Höchstpreise erzielt. Von der Geschichte her entstand das Schloss schon im 12. Bis 14. Jh. als Landwirtschaftsgut (Grangie) der Zisterziensermönche von Citeaux. Später wechselte das Schloss die Besitzer und gehört heute zur Bruderschaft oder Ritterschaft der Weinverkoster, der „Chevaliers du Tastevin", die hier im Schloss mehrmals im Jahr große Festessen mit Weinverkostungen veranstalten. Nach einer Führung durch das Schloss und Erklärung Außenbesuch der Weinlage fuhren wir gegen Mittag weiter nach Beaune. Zunächst zeigte uns eine Rundfahrt mit dem Bus die malerische Stadtbefestigung, die noch fast vollständig erhalten ist.

Beaune

Beaune war neben Dijon seit dem 14. Jh. Wohnsitz der Herzöge und zeitweilig Hauptstadt von Burgund und ist bis heute Konkurrentin des wesentlich größeren Dijon. Mit einem kurzen Spaziergang vom Busparkplatz aus erreichten wir dann das Hôtel-Dieu, das 1443 vom damaligen burgundischen Kanzler gegründete Krankenhaus und Armenhospiz, das bis 1971 als Krankenhaus diente. Teilweise werden seine Einrichtungen bis heute für die Altenpflege genutzt, aber der größte Teil des herrlichen Bauwerkes ist Museum und gibt einen unerwarteten und höchst interessanten Einblick in die Krankenpflege und die medizinischen Vorstellungen der frühen Neuzeit. Neben dem imposanten Armensaal sind die Kapelle, die Apotheke und das Laboratorium höchst interessant - der bedeutendste Kunstschatz jedoch ist zweifellos das Altargemälde von Rogier van der Weyden. Es stellt das Jüngste Gericht dar und stammt aus dem 15. Jh. Neben dem richtenden Christus und dem die Seelenwaage haltenden Erzengel Michael sind Engel und in mehreren Personengruppen die Teilung der Menschen in Kandidaten für Himmel und Hölle dargestellt.
Nach dem Rundgang durch das Hôtel-Dieu - das vor allem für seine Dächer mit Mustern aus glasierten Ziegeln bekannt ist, gab es noch eine kleine Stadtführung bis zum Zentrum von Beaune mit Belfried und Kollegiatskirche Notre Dame, bevor wir uns dem Städtchen mit seinem mittelalterlichen Flair individuell zuwenden konnten.
Als Tagesabschluss besuchten wir dann noch das Cassissium, gewidmet einem weiteren bekannten burgundischen Produkt, dem Cassislikör. Hergestellt aus einer besonders großen, im Burgund gezüchteten Sorte Schwarzer Johannisbeeren bildet er zusammen mit Weißwein die Grundlage eines in Frankreich oft und gern verwendeten Aperitif. Der Kir ist nach einem ehemaligen Bürgermeister von Dijon benannt, der ihn zuerst serviert haben soll. Bei einer Runde durch die Produktionsstätte des Johannisbeer-Likörs erfuhren wir viel Wissenswertes über seine Herstellung und konnten ihn danach reichhaltig mit Rot- oder Weißwein oder auch pur verkosten.
Nach unserer Rückkehr nach Dijon aßen wir im selben Restaurant wie Tags zuvor leckeres Schweinefilet mit Dijoner Senfsauce zu Abend, bevor wir ins Hotel gingen.

Dijon – Citeaux – Cluny – Cormatin – Dijon, vierter Tag, Mittwoch 18.05.2016:

Von Dijon aus war es nicht weit bis nach Citeaux. Dieses schon im Jahr 1098 gegründete Kloster hieß auf Lateinisch „Cistercium" und wurde namengebend für den Reformorden der Zisterzienser, deren Gründungs- und Mutterkloster es war. Robert von Molesme, Stephen Harding und Bernhard von Clairvaux sind die berühmtesten Äbte aus der Gründungszeit der Zisterzienser und haben mit ihrem Orden und seinen weit über 1000 Tochterklöstern wesentlich Erscheinungsbild, Geschichte und Kirchenpolitik im Mittelalter in Europa mit geprägt. Hin zu einer strengeren Auslegung der inzwischen im Alltagsleben der Mönchsgemeinschaften immer mehr gelockerten Benediktinerregel wollten die Zisterzienser und schufen ein Ordensregelwerk, bestimmt von Stundengebeten, harten Lebensbedingungen und anstrengender körperlicher Arbeit. Einer ihrer berühmtesten Vetreter, der von Citeaux aus ein eigenes Tochterkloster gründete, war der später heiliggesprochene Abt Bernhard von Clairvaux, der großen Einfluss in der katholischen Kirche und der europäischen Politik besaß. Citeaux wurde in der französischen Revolution fast völlig zerstört, seine Gebäude als Steinbruch benutzt. Wir konnten uns zwei der drei noch vorhandenen Gebäude anschauen, darunter die gerade frisch restaurierte Bibliothek mit einer interessanten Ausstellung über die Arbeit im Scriptorium von Citeaux, jener Schreibstube der Mönche, in der Bibeln kopiert und illustriert wurden.

Cluny - Mönchsimperium des Mittelalters

Von Citeaux ging es nach Cluny, ebenfalls einst Zentrum eines „Mönchs-Imperiums" mit mehr als tausend Niederlassungen - Tochterklöstern - europaweit. Wir erreichten das Städtchen am frühen Nachmittag. Höchst beeindruckend sind die Reste der gewaltigen Klosterkirche, deren Grundriss einen guten Teil der Innenstadt einnimmt. Bis zum Bau des heutigen Petersdomes in Rom war sie der größte Sakralbau der Christenheit, mit 187 Metern Länge des Hauptschiffes - 57 m länger als das von Notre Dame in Paris! - fünfschiffig und mit zwei Querhäusern. Mit einem örtlichen Führer erkundeten wir die immer noch Respekt einflößenden Überreste der einstigen Benediktinerabtei von Cluny, wobei uns modernste Technik zur Verfügung stand: durch den Einsatz von Grafikmodellen auf Tablets, die wir ausgehändigt bekamen, entstanden Grundrisse und animierte Bilder und Rekonstruktionen, die eine gute Vorstellung vom einstigen Erscheinungsbild der gewaltigen Abtei vermittelten. Als „Licht der Welt" wurde Cluny einst bezeichnet, Ausgangspunkt bedeutender Klosterreformen und eines der einflussreichsten religiösen Zentren der Kirchengeschichte. Immerhin wurden zwei der ehemaligen Äbte von Cluny zu Päpsten gewählt, darunter Urban II., der 1096 zum ersten Kreuzzug aufrief. Als erstes Monument in Frankreich überhaupt wurde die Abtei 2007 vom französischen Staat mit dem „Europäischen Kulturerbe-Siegel" ausgezeichnet. Nach der geführten Besichtigung, bei der wir auch die Reste eines Kreuzganges und des ehemaligen Abteigebäudes sahen, konnten wir noch einige individuelle Erkundungen in der Stadt machen.
Anschließend ging es zum malerischen Wasserschloss Cormatin, erbaut im frühen 17. Jh. im Stil der Renaissance auf den Resten einer älteren Wasserburg. Der heutige Zustand wurde teil bei Umbauten und Restaurierungen späterer Jahrhunderte hergestellt, aber einige Details der Inneneinrichtung sind sehr selten. Sie spiegeln nicht nur die enge Verbindung des Besitzers zum französischen Königshof wider, sondern sind insofern representativ, da sie viele Details und Besonderheiten von Interieur mit Adelssymbolik zeigen, die es so in Paris nicht mehr gibt - vor allem weil sie in der französischen Revolution in der Hauptstadt beseitigt wurden.
Nach dem Besuch des Wasserschlosses kehrten wir nach Dijon zurück und nahmen heute unser Abendessen mit burgundischen Spezialitäten in einem historischenRestaurant im Zentrum der Regionshauptstadt ein.


Dijon - Charolles - Paray-le-Monial - Autun, fünfter Tag, Donnerstag, 19.05.2016:

Heute ging es wieder in Richtung Cluny, bis nach Charolles, dem namengebenden Ort der Landschaft Charollais, die unter anderem für ihre Viehzucht mit einer eigenen Rinder- und einer Schafsrasse bekannt ist. Am Stadtrand liegt eine Filiale der traditionsreichen Schokoladenfabrik des preisgekrönten Chocolatiers Bernard Dufoux, der in den 60er Jahren des 20. Jh. bei Frankreichs berühmtesten und kreativsten Konfektherstellern in die Lehre gegangen war. Die kleine Schokoladenfabrik, die nach den Fabriken in Lyon und La Clayette und den Boutiquen in Chalons und Macon die neueste Errungenschaft des Schoko-Künstlers ist, präsentierte uns eine Erläuterung, wie ECHTE Schokolade entsteht, wie die Kakaobohnen verarbeitet und verfeinert werden und mit welchen Gewürzen und Zutaten man feinste Confiserie und Schokoladenprodukte erhält. Insgesamt fünf verschiedene, geschmacklich deutlich unterschiedliche Pralinen konnten wir verkosten.
Natürlich gab es auch einiges zu kaufen, eher wir uns wieder auf den Weg machten und den Wallfahrtsort Paray-le-Monial aufsuchten. Gelegen am Canal du Centre und dem malerischen Flüsschen Bourbince wurde der Ort in der zweiten Hälfte des 19. Jh. zum Zentrum der Herz-Jesu-Bewegung. Die Visionen einer hier im 17. Jh. lebenden Ordensschwester, die 1863 selig- und 1920 heiliggesprochen wurde, lösten nach der Überwindung der Religionsablehnung der französischen Revolution eine mächtige Wallfahrtsbewegung aus, deren Zentrum Paray wurde. Die fantastische Kirchenanlage gehört zu den schönsten Exemplaren der burgundischen Romanik und stellt - in nur knapp zwanzig Jahren um 1100 fertiggeworden - eine Art verkleinertes Modell der Abteikirche von Cluny dar. Dessen berühmter Abt Hugo war der Bauherr der einst der Jungfrau Maria geweihten Basilika. Der an und für sich schlichte Bau wirkt mit seinen klaren Formen, der räumlichen Anordnung, seinen Proportionen und dem Licht- und Schattenspiel ganz besonders schön und ausgewogen. Auffallend ist die in der Baulichkeit immer wiederkehrende Zahl drei als Symbol der himmlischen Dreifaltigkeit: in drei Schiffen mit je drei Jochen Länge gibt es über den Arkaden Dreierbögen mit je drei Fenstern darüber. Sowohl die kunstvollen Kapitelle im Inneren als auch die schlicht ausgeführte Außengliederung der Kirche, die im 19. Jh. zur Domkirche erhoben und in Herz-Jesu-Balika umbenannt wurde, sind nahezu perfekt erhalten und stellen ein prächtiges Paradebeispiel der Burgunder-Romanik dar.
Ein weiteres Beispiel des für die Region typischen Baustils würden wir heute noch kenenlernen. Es ging in die in der Landschaft des Morvan gelegene Stadt Autun, schon seit dem 12. Jh. Bischofssitz. Den Charakter als Wallfahrtsort hatte die Stadt aber schon früher, denn seitdem im 10. Jh. die Reliquien des Heiligen Lazarus hierher gebracht worden waren, wurde sie zum beliebten Pilgerziel für Kranke, insbesondere von der Lepra Betroffene. Zwischen 1120 und 1146 erbaut, ist die Lazarus-Kathedrale von Autun ebenfalls ein Paradebeispiel der burgundischen Romanik. Insbesondere das Hauptportal ist etwas Einzigartiges, die Skulpturen des Tympanon, des Bogenfeldes über der Eingangstür wurden vermutlich zwischen 1130 und 1135 geschaffen. Sie werden dem Meister Gislebertus, der in Cluny und Vezelay ausgebildet wurde, zugeschrieben und gehören zu den besten Werken in der romanischen Bauplastik. Auch in Autun hatten wir wieder individuell etwas Zeit, bevor wir uns auf den Weg zurück nach Dijon machten. Ein üppiges, regionstypisches Abendessen in einem Traditionsrestaurant schloss den Tag ab.


Dijon - Flavigny-sur-Ozerain - Abtei Fontenay - Vezelay - Fotagny - Dijon, sechster Tag, Freitag 20.05.2016:

Heute war unser erstes Ziel der pittoreske Ort Flavigny-sur-Ozerain. Auf dem Weg dorthin konnten wir einen Fotostopp an der faszinierenden Wasserburg von Posanges. Die äußerst wehrhaft wirkende Anlage wurde im 15. Jh. von einem Günstling des Burgunderherzogs Philipp des Guten errichtet und zeigt noch sehr schön die Funktionsweise der einstigen Eingangsanlagen mit Toren und Zugbrücke, die damals noch in das große Einfahrtstor für Kutschen und eine unabhängig davon verschließbare Schlupfpforte gegliedert waren. Unsere Ankunft in Flavigny-sur-Ozerain zeigte uns einen malerischen, teilweise noch von seiner Schutzmauer mit Toranlage umgebenen Ort, der als Filmkulisse beispielsweise des 2000 gedrehten Films „Chocolát" bekannt wurde. Zudem ist er schon seit langer Zeit als eines der schönsten Dörfer Frankreichs klassifiziert. Neben der - heute komplett geschlossenen - Chocolaterie aus dem Film weist er einige bemerkenswerte alte Häuser, wohl ehemalige Adelssitze auf und eine ehemalige Benediktinerabtei, deren Krypta aus karolingischer Zeit man besichtigen kann. In der dazugehörigen Abtei befindet sich heute eine Fabrik, in der die berühmten Anis-de-Flavigny-Bonbons hergestellt werden. Ein Anismuseum daneben und ein Geschäft, in der man diese Bonbons in zahlreichen Geschmacksrichtungen kaufen kann, sind zusätzliche Attraktionen des Dorfes.
Von Flavigny aus nahmen wir unseren Weg zu einem nahegelegenen Weingut, in der uns der Besitzer einiges über seine Weine erzählte und wir drei davon - verschiedene Sorten - verkosteten.

Abtei von Fontenay

Unser nächstes Ziel war die Abtei von Fontenay, die seit 1981 zum UNESCO Weltkulturerbe gehört. Bernhard von Clairvaux hatte sie als Tochterkloster schon 1118 gegründet, kurz nachdem er im wenige Jahre zuvor gegründeten Clairvaux Abt geworden war. Noch heute entsprechen die Gebäude etwa dem Originalzustand und sind damit ein Stück Geschichte zisterziensischer Romanik. Die Westfassade der Abteikirche überzeugt durch ihre Schlichtheit, das Innere durch seine erstaunliche Raumwirkung. Selbst das Fehlen des Fussbodens - der später eingefügte und höhergelegte wurde bei der Restaurierung durch die Besitzer Fontenay ist immer noch Privatbesitz - entfernt, hilft dabei, die Originalwirkung einer Kirche des 12. Jh. herzustellen. Ebenso original ist der dem Chor der dreischiffigen Basilika seitlich direkt angeschlossene Schlaf- und Krankensaal der Mönche. Hier kann man sich noch in den Eindruck des 12. Jh. hineinversetzen - ein Fensterdurchbruch vom Chor zum Schlafsaal, der über eine Empoire direkt aus der Kirche erreicht werden kann, erlaubte es beispielsweise kranken oder gehbehinderten Mönchen, vom Saal aus dem Gottesdienst zu folgen.
Bemerkenswertes Detail der Abtei von Fontenay ist auch das machtige Gebäude der Schmiede, ebenfalls erhallten. Die Mönche gewannen in einer nahegelegenen Grube Eisenerz, das hier verarbeitet wurde - wozu sie unter anderem Wasserkraft für ein Hammerwerk nutzten, das als Modell kürzlich im Rahmen eines internationalen Projekts mit Wasserrad und Kraftübertragung komplett und originalgetreu wiederhergestellt wurde.

Vezelay

Von Fontenay aus ging es dann zu unserer letzten Besichtigung während unserer langsam zu Ende gehenden Burgund-Reise: Die Kosterkirche Ste-Marie-Madeleine liegt, die Umgebung beherrschend auf dem Hügel des befestigten Ortes Vezelay. Von den Stufen der gewaltigen Klosterkirche hatte 1146 einst der Heilige Bernhard von Clairvaux zum zweiten Kreuzzug aufgerufen, nachdem zuvor die Muslime unter Sultan Saladdin die Stadt Jerusalem, Zentrum des kurzzeitig existierenden christlichen Landes von Outremer im Heiligen Land, zurückerobert hatten. Das Kloster Vezelay war schon im 10. Jh. gegründet worden. Es sollte das Grab der Heiligen Maria Magdalena beherbergen und zog zahlreiche Pilger an. Bei einem verheerenden Brand wurde die Kirche 1120 völlig zerstört, wobei ihrr Einsturz mehr als 1000 Pilger unter sich begrub. Der Wiederaufbau begann im 12. Jh. in romanischem Stil, aber Chor und Querschiff wurden um 1215 schon frühgotisch fertiggestellt. Wie in Autun sind hier Portal und Tympanon äußerst sehenswert - und das gleich zweimal - das originale der Kirche von vor dem Brand ist direkt am inneren Eingang zum Langhaus zu bewundern, das äußere Portal an der Vorhalle (Nartex) in zeitgenössischer Kopie nach dem Brand errichtet, ist mit den davorliegenden Stufen die Kulisse,, vor der Bernhard seine Kreuzzugsrede hielt. Die Basilika gehört nicht nur zum UNESCO-Weltkulturerbe, sie macht das mittelalterliche Städtchen Vezelay auch zu einem der meistbesuchten Touristenorte in Burgund. Im Inneren des Langhauses, mit hell-dunkel abgesetztem Kalkstein der Gewölbebögen und interessanter Lichtwirkung dominieren die Säulen, die das Mittelschiff tragen und ihre abwechslungsreichen, fein gearbeiteten Kapitelle, die biblische Geschichten erzählen oder Allegorien biblischer Ereignisse und kirchlicher Moral darstellen.
Auch in Vezelay hatten wir noch etwas Freizeit zum individuellen Bummel, bevor wir uns am Bus trafen. Wir fuhren zum Abendessen in ein rustikales Landrestaurant, wo man uns zum Abschluss der Reise noch mit verschiedenen deftigen lokalen Spezialitäten verwöhnte. Erst relativ spät kehrten wir ins Hotel zurück.


Dijon - Mulhouse - Karlsruhe - Dresden, siebter Tag, Samstag, 21.05.2016:

Recht früh starteten wir heute aus Dijon zur doch recht langen Fahrt nach Hause. Nach der ersten Rast fuhren wir zum Hotel in Mulhouse, wo wir die erste Nacht dieser Reise verbracht hatten und verabschiedeten uns von den ersten vier Gästen, die per Auto oder Flugzeug in die Heimat zurückkehren würden. Von nun an ging es unaufhaltsam in Richtung Dresden - mit mehreren Zwischenstopps zu den Punkten, an denen pünktlich die Fahrzeuge des Eberhardt-Haustürtransfers auf unsere Gäste warteten.
Eine Reise mit zahlreichen Kulturerlebnissen, aber auch kulinarischer Erfahrungen war dann am späten Abend in Dresden zu Ende. Sie wird in ihrer Vielfalt und Reichhaltigkeit uns allen bestimmt in guter Erinnerung bleiben - und zu mehr anregen. In Frankreich gibt es noch mehr interessante Ziele und auch andere Länder in West-, Mittel- und Osteuropa, an Atlantik, Mittelmeer und Adria wollen entdeckt werden.
Vielleicht sehen wir uns auf einer dieser Touren einmal wieder - ich würde mich jedenfalls sehr freuen!
Ihr Dr. Michael Krause, Eberhardt-Studienreiseleiter.

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