Reisebericht: Nordost–Italien – Rundreise durch Friaul–Julisch Venetien

31.08. – 08.09.2018, 9 Tage Busreise Julische Alpen – Lignano Sabbiadoro – Spilimbergo – Udine – Aquilea – Lagunenstadt Grado – Triest – Schloss Miramare – Görz/Gorizia – Collio–Weinanbau–Gebiet – Verona – 6 Übernachtungen im 5–Sterne–Hotel


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Neun Tage unter meist strahlender Sonne, Meer, Berge, Kultur und kulinarische Genüsse zuhauf- eine eher unbekannte Region weckt neue Sehnsüchte.
Ein Reisebericht von
Andreas Höhn

Anfahrt, Ventone und San Daniele

Die Anreise am Freitag klappte trotz einiger kleinerer Staus im Raum München recht gut, so daß wir gegen 19 Uhr in unserem Hotel einchecken konnten. Man überraschte uns mit einem hervorragenden Abendessen, zu dem es sogar den Rotwein als Zugabe des Hauses gab. Auf dem Hinweg hatte es schon immer mal geregnet, aber in der Nacht entlud sich ein veritables Dauergewitter mit mächtigen Regengüssen, das offenbar nicht aus den Gebirgstälern raus kam. Am nächsten Morgen trafen wir nach dem Frühstück unsere örtliche Reiseleiterin Emanuela auf dem Bahnhof von Venzone und fuhren mit ihr in den Ort, der 1976 gleich zweimal von verheerenden Erdbeben heimgesucht wurde. In der Region forderten die beben insgesamt 70.000 Opfer und Venzone glich einer Trümmerlandschaft. Die Bewohner entschieden sich dafür, den Ort wieder nach historischen Befunden aufzubauen, nur eine Kirche ließ man als Ruine stehen. Wir besichtigten zunächst die dreifach ausgeführte Stadtmauer, an der wohl noch lange gearbeitet werden wird, besahen den Markt mit dem Rathaus und schlenderten durch den Ort zum Dom Sann Andrea Apostolo, der auch wieder aufgebaut werden mußte. Die Gäste waren innen besonders von einem modernen Schnitzwerk begeistert, das der Künstler aus dem Stamm einer riesigen alten Linde geschaffen hat. Die freiwilligen Erbauer des Domes recken ihre Hände flehend zum Himmel und bitten wohl um den Segen für den neuen Dom und ihr Leben überhaupt.
Weiter ging es nach San Daniele, das erstaunlicherweise nicht von den Erdbeben betroffen war. Die ganze Stadt samt der umliegenden Region beschäftigt sich mit der Herstellung und Vermarktung des berühmten Schinkens, den man überall kosten und kaufen kann. Nach der Mittagspause besichtigten wir auf dem Markt das Rathaus und den Dom, der dem Erzengel Michael geweiht ist. Vor das spätgotische Gebäude hat man zu Beginn des 18. Jahrhunderts eine Fassade im Stil Palladios geblendet. Interessantestes Ausstattungsstück sind Altartafeln des Renaissancemalers Il´Pordenone. In der Kirche San Antonio Abate ist der gesamte Chorbereich von der Werkstatt des Schwiegersohns von Pordenone ausgemalt worden. So kam die Kirche zum Namen „Sixtina von Friaul". Die Fresken zeigen neben der Jesusgeschichte die Vita des heiligen Antonius des Einsiedlers. Anschließend fuhren wir an die friaulische Küste zur Lagunenhalbinsel von Grado, wo wir unser Hotelquartier für die restliche Zeit bezogen. In Grado fand gerade ein international besetzter Triathlonwettkampf mit 700 Teilnehmern statt, der reichlich Leben in die Stadt brachte. Trotzdem konnte man vor und nach dem Abendessen noch schön am Strand und in dem alten Badeort bummeln und sich die historistischen Pensionen ansehen, in denen einst die oberen Zehntausend der K.u.K.-Monarchie logierten.

Sonntag, der 02. September– Mosaiken, Grappa und ein Dogenpalast

Nach dem Frühstück fuhren wir mit Emanuela nach Spilimbergo zur ersten und einzigen Mosaikschule Italiens. Sie wurde hier 1922 gegründet, weil im Ort seit dem 17. Jahrhundert diese Kunst gepflegt und verbreitet wurde. Mosaizisten aus Spilimbergo gingen zunächst zum Arbeiten nach Venedig und ins Veneto, später nach Rom, Europa und Übersee. Den größten Auftrag bekam die Schule vom Duce mit einem Mosaik für das Foro Italiano in Rom, das zehntausend Quadratmeter umfaßte. Wir hatten das Glück, eine Sonderausstattung mit Werken der Jahrgangsbesten sehen zu können. Neben Rekonstruktionen historisch wertvoller Mosaike wird auc die moderne Kunst in dieser Gattung gepflegt. Ein Rundgang im Ort zeigte uns ein pittoreskes Städtchen mit vielen Laubengängen. Der imposante Dom Santa Maria Assunta ist das bedeutendste gotische Bauwerk des Friaul und beherbergt viele schöne gotische Fresken und unter dem Chor eine archaisch anmutende Krypta mit vier Räumen. Nach der Mittagspause fuhren wir in das Örtchen Casions di Zoppola zur Familie Pagura, die sich hier seit über hundert Jahren wird noch auf traditionelle Destillation von Grappa verschrieben hat. Der wird noch auf traditionelle Weise hergestellt, aber zum Beispiel wird jedes Jahr eine limitierte Edition in je 200 eigens von bekannten Künstlern entworfenen Gefäßen abgefüllt. Nach einem kleinen Imbiss konnte man mehrere Sorten Grappa und auch einen lieblichen Nusslikör verkosten und natürlich auch erwerben. Den Abschluß des Tages bildete die Besichtigung des riesigen Landsitzes der Familie Manin in Passariano. Sie war im 13. Jahrhundert aus der Toscana nach Venedig und ins Friaul gekommen und stellte den letzten regierenden Dogen. Unbekannte Architekten hatten seit dem 17. Jahrhundert ein imposantes Bauensemble geschaffen, dessen Vorbild eindeutig Berninis Gestaltung des Petersplatzes in Rom war.

Montag, den 03. September– Udine und Wein

Nach dem Frühstück ging es nach Udine, der zweitgrößten Stadt in Friaul nach Triest. Wir stiegen auf dem riesigen Rundplatz des 1. Mai aus und schlenderten in die Altstadt. Wir begannen auf der Piazza Libertá, der von zwei eindrucksvollen Loggien begrenzt wird. Die Loggia San Giovanni entstand 1542 im Renaissancestil. Markuslöwe und Neptun repräsentieren Macht und Meer. Gegenüber die Loggia del Lionella ist noch ganz die gotische Versammlungshalle, gebaut 1448 aus weißen und rosafarbenen Steinen. Der Dom Santa Maria Annunziata geht auf das Jahr 1245 zurück und besitzt zwei Hauptwerke von Tiepolo. Ein kunstgeschichtlicher Höhepunkt war die so genannte Tiepologalerie, die seit dem 16. Jahrhundert der Sitz der Patriarchen von Aquileia war. Neben einigen friaulischen und langobardischen Kunstwerken beherbergt das Museum diverse Räume und vor allem Flure und das Treppenhaus mit Fresken von Tiepolo. Die anschließende Mittagspause konnte man gut mit einem Geschäftsbummel durch die Udiner Flaniermeile verbinden.
Danach ging es ins nahe gelegene Strassoldo zur Winzerfirma Vitas, einem alten Familienbetrieb, durch den uns Frau Nicole Hofbauer aus Österreich führte. Ein Spaziergang in den Park mit einer eindrucksvollen Magnolienallee stimmte ein auf die fachgerecht zelebrierte Weinprobe. Natürlich konnte man auch seinen Lieblingstropfen mit nach Hause nehmen.

Dienstag, den 04. September– Aquileia und Lagune

Der für viele kunsthistorisch eindeutige Höhepunkt der Reise war die Fahrt nach Aquileia. Schon in der Römerzeit war der heute eher kleine und etwas verschlafen wirkende Ort eine Großstadt mit über zweihunderttausend Einwohnern, wovon das ausgegrabene Forum einen gewissen Eindruck vermittelt, obschon nur dessen Größe und der Anschluß an den Flußhafen durchaus imponiert. 314, noch vor der Lateransbasilika, stand in Aqileia schon die angeblich erste offizielle Kirche der europäischen Christenheit und im neunten Jahrhundert entstand die jetzige Basilika, in der um die zehntausend Gläubige Platz fanden. Erst Anfang des 20. Jahrhundert wurden die grandiosen antiken Mosaike frei gelegt, die heute viele Besucher aus aller Welt anziehen. Romanische Säulen tragen die Krypta der Fresken, die im sechsten Jahrhundert von den Langobarden zur Aufbewahrung von Reliquien angelegt wurde. Überhaupt ist das gesamte Bauensemble überaus imposant und wirkte beim strahlenden Sonnenschein vor dunklen Gewitterwolken geradezu grandios. Nach der Mittagspause in Grado unternahmen wir einen Spaziergang in die Altstadt dieses wirklich schönen Ortes, den bereits die oberen Zehntausend der k.u.k.-Monarchie für sich als Bade- und Erholungsort entdeckt hatten. Doch auch hier schlägt dem Besucher der Atem der Geschichte entgegen. Seit der Zeitenwende war die Halbinsel Grado Fluchtort für die Bewohner von Aquileia vor räubernden Kriegshorden und in der Völkerwanderungszeit verstärkte sich dies. Inmitten der pittresken Altstadt mit kleinen verwinkelten Gassen finden sich zwei frühchristliche Kirchen und ein Baptisterium aus dem fünften Jahrhundert, während von der Johannesbasilika aus dem vierten Jahrhundert nur noch ein paar Grundmauern und Mosaikreste vorhanden sind.
Zeit zum ruhigen Schauen bot die anschließende zweistündige Lagunenfahrt, bei der man aus der Ferne auch die auf einem Inselchen gelegene Wallfahrtskirche Santa Maria di Barbana sehen konnte, deren gewaltige Kuppel weit über die Lagune ragt. Sie soll an eine Pestepidemie im Jahre 1237 erinnern und in ihr wird eine Marienstatue verehrt, die der Legende nach 582 hier angeschwemmt wurde. Der Abend klang aus im Restaurant Al Canevon in der Altstadt, wo wir unter freiem Himmel ein sehr leckeres Menu genießen konnten.

Mittwoch, den 05.09.2018 – Valvasone, Wein und Pordenone

Nach dem Frühstück fuhren wir nach Pordenone, um am Bahnhof Emanuela abzuholen und mit ihr in das mittelalterliche Städtchen Valvasone zu fahren. Die Stadt bereitete sich gerade auf ein Mittelalterfest vor, das am Wochenende stattfinden sollte. Wie viele alte Städte im Friaul ist auch Valvasone in Contraden genannte Stadtviertel aufgeteilt, ganz so, wie man es von Siena kennt. Und ähnlich wie dort bekämpfen sich die Bewohner der jeweiligen Viertel, eingekleidet in historische Kostüme, nur daß es kein Pferderennen gibt, sondern ritterliche Spiele. Mitten im Ort liegt das Kastell aus dem 13. Jahrhundert, dessen Keller und Erdgeschoss wir im Rahmen einer Führung besichtigen konnten. Interessant waren einige groteske Fresken, die zum Beispiel einen König in Eselsgestalt und seinen Berater als Wolf zeigen, der gleiche Wolf wie im Wappen der adligen Besitzer. Die Pfarrkirche Santissimo Corpo di Christo birgt die einzig erhaltene und spielbare venezianische Orgel aus dem 16. Jahrhundert, deren Flügel und Tribüne von 1535 bis zu seinem Tode vier Jahre später von Pordenone bemalt wurden. Sein Schüler und Schwiegersohn Amalteo vollendete bis 1549 das Werk. Nach so viel Kunst fuhren wir in das Winzerdorf San Martino al Tagliamento zum Weingut Pitars, das 150 Hektar Land bewirtschaftet und seinen Wein bis nach Asien liefert, China ein Hauptabnehmer ist. Nach einem Rundgang durch Keller und Produktionsanlagen gab es in einem nach ökologischen Gesichtspunkten aus reinen Naturmaterialien mit viel Holz gerichteten Neubau eine umfangreiche Weinverkostung, zu der leckere Happen mit einheimischer Wurst und regionalem Schinken gereicht wurden. Beschwingt fuhren wir nach Pordeneone, um bei einem Rundgang durch die belebte mittelalterliche Altstadt mit schönen Laubengängen in der Pasticceria Cioccolateria Peratoner einzukehren, wo uns eine berühmte dort hergestellte Schokolade und einige süße Delikatessen erwarteten. Nach einem individuellen Bummel durch die nette Geschäftsstraße führte uns der Reiseleiter in eine Gasse zum gotischen Franziskanerkloster, dem gegenüber ein bekanntes Schinkenlokal liegt, wo wir nicht nur den berühmten Schinken aus San Daniele verkosten, sondern gleich noch ein opulentes Dreigangmenu verspeisen konnten. So gesättigt traten wir gegen neun den Heimweg nach Grado an.

Donnerstag, den 06. September– Cividale und Görz

Nach dem Frühstück erwartete uns Emanuela am Hotel und gemeinsam fuhren wir durch die Lagune in die alte Langobardenstadt Cividale, in die wir über die eindrucksvolle Teufelsbrücke gelangten. Die duch Cäsar um 50 nach Chrisus gegründete Stadt wurde 568 von den Langobarden erobert und zur Hauptstadt ihrer ersten italienischen Besitzungen erhoben. Nirgendwo finden sich mehr Zeugnisse dieser Epoche. Wir begannen den Stadtrundgang beim keltischen Hypogäum, von dem man eine tolle Aussicht auf den natisone hat, an dessen Felsenhang die Häuser wie Vogelnester kleben. Gleich dahinter gefällt die kleine Franziskanerkirche und schon ist man am Dom, dessen langobardische Wurzeln sich aber hinter der dominanten Architektur venezianischer Bettelordenskirchen verbergen. Gleich dahinter befinden sich das Dommuseum und das archäologische Museum, deren vor allem langobardische Schätze sich viele Gäste während der absichtlich ausgedehnteren Mittagspause zu Gemüte führten.
Direkt am Fluss liegt das Ursulinenenkloster. Der Baukomplex umfaßt mehrere äußerst qualitätvolle Relikte aus der langobardenzeit, allen voran den berühmten Tempietto aus dem achten Jahrhundert, dessen Ausstattung absolut höchstrangig ist. Dies betrifft die Fresken, von denen die schönsten allerdings im Museum bewahrt werden, wie auch die noch verbliebene Stuckausstattungmit sechs lebensgroßen Heiligenfiguren.
Nach der Mittagspause dann fuhren wir an die slowenische Grenze nach Görz, wo wir auf den Kastellhügel fuhren, um die Burg der Grafen von Görz und die pittoreske Sophienkirche anzuschauen. Den Grafen von Görz gehörte in ihrer Blütezeit neben einem Großteil von Friaul und Istrien auch das gesamte Tirol und große Teile Kärntens, wodurch sie bis ins 14. Jahrhundert hinein weit vor den Habsburgern zu den wichtigsten Geschlechtern im Reich zählten. Doch seitdem starb ein Zweig nach dem anderen aus und meist waren es eben die Habsburger, die in die Fußstapfen traten. Anschließend schlenderten wir in die Unterstadt und besichtigten den Dom und den Siegesplatz mit der Jesuitenkirche. Per Bus ging es an die einst unüberwindliche Grenze und auf den heute slowenischen Bahnhof.

Freitag, den 07. September– Triest und Miramare

Mit 204.000 Einwohnern ist Triest die größte Stadt der Region und auch deren administratives Zentrum. Seit 1509 gehörte die Stadt zu Österreich und war für das Land der einzige Zugang zum Mittelmeer, dadurch von eminenter Bedeutung für Handel und Marine. Hier lag das Geld und noch heute künden protzige Paläste vom Reichtum, ähnlich Prag oder Wien. Wir fuhren entlang der 1857 von Wien aus fertig gestellten Südbahn in die Stadt und sahen als erstes die vielen alten Lagerhäuser und Kontore entlang der Bahnlinie, bis hin zum Bahnhof aus der Gründerzeit, an dem wir Emanuela abholten. Mit ihr fuhren wir in die Altstadt und bummelten am Canal Grande entlang zur griechisch-orthodoxen Kirche, um dann auf dem eindrucksvoll gestalteten Hauptplatz das Verditheater, den klassizistischen Dom und die vielen öffentlichen Bauten und Paläste zu bewundern. In der Mittagspause konnte jeder nach Belieben die Besichtigung fortsetzen oder in einem der vielen Cafés und Bistros entspannen, bevor es ins nahe gelegene Schloss Miramare ging, daß sich der mexikanische Kaiser Maximilian, ein Bruder des ösrreichischen Kaisers Franz Josef, nach 1865 bauen ließ. Inmitten einer exotisch angelegten Parklandschaft liegt die neogotische Villa direkt am Adriastrand und die Einrichtung ist teils original aus der Erbauungszeit, teils vom Herzog von Aosta, der das Anwesen 1931-37 bewohnte. Natürlich war auch Kaiserin Sissi hier zu Besuch und überhaupt künden zahlreiche Herrscherporträts von der hochnoblen Verwandschaft des Bauherrn.
In Grado war noch schönstes Badewetter und so erholten sich viele Gäste noch am Strand. Am nächsten Tag stand die Heimreise bevor, die glücklicherweise ganz ohne Staus verlief. Selbst die lästigen Grenzkontrollen konnte unser versierte Busfahrer Peter geschickt umfahren. Voll von vielen schönen Eindrücken und doch auch erholt kamen wir pünktlich an unsere Zielorte.

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