Reisebericht: Rundreise Namibia – Die Erlebnistour mit Lüderitz

11.09. – 26.09.2024, 16 Tage Rundreise Namibia mit Kalahari – Fish River–Canyon – Lüderitz – Namib – Swakopmund – Erongo Gebirge – Etosha Nationalpark – Windhoek


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Was fällt Ihnen ein, wenn Sie Namibia hören? Deutsch-Süd-West-Afrika, Kolonie, Namib, viele Wüsten, Caprivi-Streifen, Windhoek, indigene Völker, Buschmänner, Staub, endlose Weite, Tiere, Atlantik oder Diamanten. Nach unserer schönen Reise wissen wir: Namibia hat viel zu bieten. Wir werden nicht nur die landschaftlichen Schönheiten des Landes kennenlernen, sondern auch kulturelle Einsichten bekommen und uns mit seiner Geschichte befassen, in der auch Deutschland eine Rolle spielt. Walalapo in Namibia!
Ein Reisebericht von
Jana Wessendorf
Jana Wessendorf

Flug nach Windhoek – 11. September 2024

"Auch eine Reise von tausend Meilen beginnt mit dem ersten Schritt", soll der chinesische Philosoph Laotse im 6. Jahrhundert gesagt haben. Da wusste er noch nicht, dass Flugzeuge Verspätung haben können.

Ankunft in Windhoek – 12. September 2024

Butterweich landet unser Airbus auf dem kleinen Flughafen in Windhoek am Abend. Es ist bereits dunkel, so dass wir bis morgen früh warten müssen, um Namibia endlich bei Tageslicht zu sehen. Unsere Anreise bis hierher verlief alles andere als butterweich. Unser Flug wird um fast 13 Stunden verspätet, warum wissen wir nicht. Technische Gründe sind es nicht, das zumindest beruhigt. Gleichzeitig ist in Frankfurt am Main Messe, so dass auch die kurzfristige Suche nach Hotelzimmern zur Herausforderung wird, die wir jedoch und natürlich meistern. Als wir am nächsten Morgen borden, sind Crew und Passagiere voller Optimismus, dass wir nun mit Rückenwind fast über den gesamten afrikanischen Kontinent düsen können. Ein Stromgenerator jedoch ist bockig und hat etwas dagegen. Er fordert seinen Moment des Ruhms, den er bekommt.

Drei Stunden lang sind die Techniker am Werk, bevor der Generator Daumen hoch zeigt und wir endlich, endlich abheben können. Der Flug kommt uns sehr lange vor, was wohl mit der Wartezeit nahe der Rollbahn zusammenhängt. Von Nord bis fast ganz nach Süden überfliegen wir Afrika. Mit jeder Flugminute wird die Vorfreude und Aufregung größer. Namibia, die ehemalige deutsche Kolonie, ein Land, das jünger ist als ein jeder von uns in der Reisegruppe, erwartet uns. Wir landen um 21.00 Uhr Ortszeit in Namibias Hauptstadt und bekommen unseren Stempel in den Pass.

Harold, unser örtlicher Reiseleiter, der ein gutes Deutsch spricht, begrüßt uns zu später Stunde. Wir fahren eine knappe Stunde in das Zentrum von Windhoek. In unserem Hotel warten geräumige Zimmer auf uns. Wer möchte, kann noch zu Abendessen. Nach der langen Anreise endlich afrikanischen Boden unter den Füßen zu haben, lässt uns alle schnell einschlafen.

Morgen geht sie endlich los, unsere Erlebnisreise durch Namibia!

Windhoek – Fahrt in die Kalahari – Kalarahi Sundowner – Kalahari Farmhouse – 13. September 2024

Die Nacht war kurz, doch die Vorfreude ist riesengroß. Der Tag beginnt mit einem Blick über das Zentrum von Namibias Hauptstadt und bei einem exzellenten Frühstücksbuffet, das absolut keine Wünsche übrig lässt. Alles da, sogar die leckeren Bratwürste, Boerewors (=Bauernbratwurst) genannt, die bei keinem afrikanischen Braai fehlen dürfen.

Eine kleine Hürde stellt das Geldwechseln da. Nicht jeder ATM funktioniert, mancher nimmt nur EC-, aber nicht Visakarte, manch eine Wechselstube öffnet, ohne Bargeld zu haben. Auch das bewältigen wir mit kulturtypischer Gelassenheit, Lächeln und Geduld und schwupps sitzen wir in unserem Offroad-Bus, der uns wohl auch sicher über die holprigste Buckelpiste führen wird.

Nach Süden geht es in Richtung Kalahari. Die Region südlich von Namibia, die steinige Halbwüste Nama Karoo, durchfahren wir. Begleitet von Pavianen am Straßenrand und einer fast archaischen anmutenden Wüstenlandschaft erreichen wir den südlichen Wendekreis des Steinbocks. Die B1, eine gut asphaltierte Bundesstraße, führt gefühlt schnurgerade in den Süden. Wüstenlandschaft soweit das Auge reicht, hin und wieder unterbrochen von kleinen Siedlungen oder einer Straßenkreuzung.

Harold berichtet von seiner Herkunft und seinem Werdegang. Er ist ein Herero, eine Stammesgemeinschaft, die ungefähr 7% der Landesbevölkerung ausmacht. Er ist in der Kalahari, unserem Tagesziel, das wir nun auch langsam erreichen, aufgewachsen. Wir bekommen echte Einblicke von einer traditionellen Hochzeit der Herero und dem Prozedere, das dazu gehört. Wussten Sie, dass Herero-Männer auch einem vorehelichen Test unterzogen werden könnten und welche Rolle dabei eine Cousine spielt?

Am frühen Nachmittag erreichen wir unsere Lodge, Kalahari Farmhouse, eine liebevoll geführte grüne Oase inmitten der ansonsten kargen Landschaft. Es bleibt uns kurz Zeit zum Verschnaufen. Ganz mutige springen in den überraschend frischen Swimmingpool.

Dann wartet ein echter erster Höhepunkt auf uns: Ein Sundowner Nature Drive auf dem Gelände der Kalahari Anib Lodge. Drei Stunden lang begeben wir uns auf Pirsch, um Steinböcke, Oryx-Antilopen, Kudus und Gnus zu beobachten, die riesigen Nester der Webervögel zu bestaunen und plötzlich eine Giraffenfamilie zu entdecken. Eine Babygiraffe futtert von einem kleinen Baum, den sie schon erreichen kann.

Zum Sonnenuntergang treffen wir uns auf einer der typischen roten Sanddünen der Kalahari - und die Lichtstimmung zieht uns in ihren Bann. Augenblick, verweile doch, du bist so schön! Ein kleiner Apero wird aufgebaut, mit Biltong und anderen Snacks, und wir stoßen glücklich an auf unsere Namibiareise. Ein voller Moment der Glückseligkeit und Ausgelassenheit erfasst uns!

Zurück in unserer Lodge bekommen wir noch ein leckeres Vier-Gänge-Menü kredenzt. Danach fallen wir müde und doch mit tollen Eindrücken in unsere gemütlichen Betten. Schon allein dieser erste Tag entschädigt für die Mühen der Anreisen. Oder: Was machen Flugverspätungen schon aus, wenn man dann einen solchen Tag im schönen Namibia erleben darf?

Kalahari Farmhouse – Giant's Playground – Naute Kristall – Canyon Village – 14. September 2024

Fröhliche Vogelstimmen wecken uns in unser Oase des Kalahari Farmhouse. Die himmlische Ruhe in Wüsten, wo die Stille für Unstete laut schreien kann, ist immer wieder magisch. Nach dem Frühstück steigen wir in unseren Bus, der uns am Ende des Tages unter die Haut gehen wird.

Wir passieren Mariental und Harold geht auf die deutsche Kolonialzeit ein, natürlich auch auf ihre Schattenseiten und die kriegerischen Auseinandersetzungen mit den Einheimischen. Aktuelle Debatten um eine Fabrik zur Herstellung von grünem Wasserstoff haben da einen fahlen Beigeschmack, soll dieses Werk doch genau dort errichtet werden, wo der Kolonialzeit gedacht wird. Politik spricht mit doppelter Zunge, erst recht wann man weiß, dass China in Afrika und auch in Namibia bereits groß investiert und Infrastruktur aufbaut.

Wir fahren durch diese beeindruckend gewaltige, weite und konstante Halbwüstenlandschaft der Nama Karoo, die hin und wieder durch Bergketten am Horizont, die Wellblechhütten in kleinen Ortschaften und sich wandelnde Vegetation verändert wird. Am Mittag erreichen wir den Köcherbaumwald von Giant's Playground, den wir für einen Spaziergang nutzen. Der Köcherbaum ist der Nationalbaum Namibias und braucht die Symbiose von sich leicht aufwärmenden Riesensteinen, den Riesen (=Giants), um perfekt in diese kargen Landschaft gedeihen zu können. Der Köcherbaum ist dabei eigentlich kein Baum, sondern eine Sukkulente mit Aloe-DNA. Die Szenerie bietet schöne Fotomotive, unter anderem auch: Köcherbaumkrone unter strahlend blauem Himmel.

Zurück im Bus fahren wir durch Keetmanshoop, das an Kolonialisten erinnert. Südafrika ist ganz nah, der verstärkte niederländische Einfluss im Süden Namibias lässt sich so leicht erklären. Keetmanshoop ist nach dem deutschen Kaufmann und Bankier Johann Keetman benannt und seiner Hoffnung (=hoop), hier eine nachhaltige Siedlung aufzubauen. Kurze Zeit später biegen wir links ab, in Richtung Fish River Canyon, und finden uns recht bald - einem Stausee sei Dank - inmitten einer grünen Plantagenlandschaft wieder. Hier werden Datteln, Granatäpfel und Trauben angebaut. Die Früchte werden vorwiegend in den arabischen Raum exportiert. Was dort nicht hingelangt, nutzt die Destillerie Naute Kristall, um Gin, Wein und Nappa (das namibische Pendant zum Grappa) zu produzieren. Wir verkosten ausführlich und werden in perfektem Deutsch der Gastgeber über die Produktion und Zusammensetzung der feinen Getränke aufgeklärt. Der hier produzierte Gin ist der einzige weltweit, der auf Dattelbasis hergestellt wird. Er schmeckt schlicht vorzüglich.

Gut gelaunt sitzen wir wieder im Bus und fahren zu unserem Tagesziel, dem Canyon Village. Unser Bus, der uns dank Harolds Fahrkünsten sicher durch das Land bringt, beginnt zu muckern. Kein Wunder auf diesen typischen afrikanischen Schotterpisten. Wir erreichen Canyon Village und sind alle heilfroh, dass die Fahrt an diesem Tag nicht weitergehen muss. Verhaltensforscher hätten ihre Freude daran, wie wir individuell und als Gruppe damit umgehen. Jeder spürt, dass das Muckern an diese Stelle nicht gehört, doch erst bei Ankunft in der Lodge thematisieren wir es offen. Doch, wie schon bei der Flugverspätung, lassen wir uns unsere Stimmung und gute Laune nicht verderben!

Wir genießen die Sonnenuntergangsstimmung im Camp. Harold kümmert sich um den Bus bis in den Abend hinein und bekommt dankenswerterweise Unterstützung von einem Kenner aus unserer Gruppe. Berufsehre! Ein Fahrzeug mitten in der Wüste, kilometerweit und stundenlang entfernt von der nächsten Werkstatt zu reparieren, ist eine Kunst, die beherrscht werden will. Doch auch das ist Afrika, das gehört zum Abenteuer dazu. Die Probefahrt am Abend ist erfolgreich, so dass wir alle hoffnungsfroh und gut gelaunt den Tag beschließen.

Wir ahnen noch nicht, dass diese Geschichte noch nicht vorbei ist ...

Canyon Village – Fish River Canyon – Kleinaus Vista Desert Horse Inn Lodge – 15. September 2024

Die Ruhe in einer Wüste ist eindrucksvoll. Sie kann ohrenbetäubend sein. In unserem Canyon Village wird sie am Morgen nur durchbrochen durch das fröhliche Gezwitscher der Vögel, die sich auf der Lodge wohlfühlen.

Zwei Ziele haben wir heute: den Fish River Canyon, den zweitgrößten Canyon der Welt nach dem Grand Canyon in den Vereinigten Staaten von Amerika. Und danach fahren wir in Richtung Nordwesten in Richtung Sperrgebiet-Nationalpark und Atlantik. Die Magie des Reisens besteht auch darin, dass nicht immer alles nach Plan läuft. Etwas, zugegeben, was wir Deutschen natur- und kulturgemäß soweit wie möglich ausschließen wollen, weil es Kontrollverlust bedeutet. Diese Magie des Reisens wird uns heute ereilen, was wir natürlich bei der Abfahrt von unserer Lodge in froher Erwartung des Tages nicht wissen. Es ist vermutlich nicht zu kühn zu behaupten, dass uns unsere Namibia-Reise auch aufgrund der unerwarteten Wendungen nachhaltig in Erinnerung bleiben wird - neben der unbegreiflich schönen Landschaft, die das Land bietet.

Als wir den Rand des Fish River Canyons erreichen, sind wir baff erstaunt über die gewaltige Schönheit, die sich unter uns ausbreitet. Immer wieder, bei jedem Schritt und Blick bleiben wir stehen und bestaunen diese Erhabenheit, diese Größe, diese Weite, diese Unnahbarkeit, diese Landschaft. Der Fish River Canyon ist 160 Kilometer lang, bis zu 550 Meter tief und zwischen fünf und 27 Kilometern breit. Ein Gigant also. Für ganz Unentwegte kann man auf dem Talgrund des Canyons, wenn er in der Trockenzeit kein Wasser führt, eine 85 Kilometer lange Fernwanderung machen, die bis zum Ort Ais-Ais (mit Thermalquellen) führt. Fünf Tage sind für dieses Trekking vorgesehen. Ein solcher Abenteuergrad ist nichts für uns, wiewohl es sicher ein Erlebnis sondergleichen ist. Wir begnügen uns heute mit einer ebenfalls beeindruckenden kleinen Wanderung vom Hauptaussichtspunkt zum Hiker's Point, wobei letzterer - der Name ist Programm - der Ausgangspunkt der besagten Fernwanderung wäre. Immer am Rand des Canyons entlang spazieren wir für rund zwei Kilometer, die Schönheit dieser Schluchtenlandschaft immer wieder aufs Neue in uns aufnehmend. Die Bewegung tut gut, die Weite der Landschaft öffnet die Seele.

Kurze Zeit später brausen wir durch diese karge und staubige Wüstenlandschaft in Richtung Aus. Als unser Bus zu zuckeln anfängt, schauen wir uns alle betreten an, Schlimmes ahnend. Da kommt die Lodge des "Canyon Farmhouse" gerade recht, die nicht nur mit origineller Oldtimer-Dekoration und einer Toiletten-Überraschung aufwartet, sondern vor allem mit einem kolossal leckeren Amarula-Käsekuchen, den wir ausnahmslos alle futtern. Die Pause nutzt Harold nicht nur zum Tanken, sondern nach einem Kontakt mit der Zentrale auch, um ein paar Kunstgriffe am stotternden Motor vorzunehmen.

Weiter geht unsere Wüstenfahrt, wieder vorbei an der Destillerie Naute Kristall, die uns gestern mit flüssigen Köstlichkeiten versorgt hat. Und dann passiert es, endgültig: nach einer intensiven Ruppel-Schotter-Passage wird unser riesiges Gefährt in einem kurzen knackigen Anstieg zur Schnecke, kämpft sich unter Applaus aber gerade noch oben drüber. Harold fängt das kämpfende Fahrzeug immer wieder ab, doch irgendwann geht der Bus einfach aus und wir stranden. Es ist ein heißer Tag, die Sonne brennt unermüdlich. Zusammen mit der Werkstatt in Windhoek wird versucht, das Problem zu beheben. Die Zeit vergeht, schneller als man es in einer Wüste für möglich hält. Eine Notreparatur soll helfen, uns zur Lodge zu bringen, die noch fast zweieinhalb Stunden entfernt ist. Gleichzeitig wird ein Ersatzteil aus Windhoek gebracht.

Das ist der Plan.

Er hält eine halbe Stunde. Nachdem wir die Brücke über den ausgetrockneten Fish River überfahren haben, im nächsten steileren Anstieg, stehen wir wieder. Harold schafft es noch, uns und unseren Bus an eine kleine Bucht neben der Fernstraße zu fahren. Dann heißt es telefonieren, besprechen, auch diskutieren, die Lage der Gäste verdeutlichen - und warten. Ein Shuttle wird organisiert, dass aus dem rund 50 Kilometer entfernten Keetmanshoop kommt und uns Gestrandete aufnimmt.

Erst spät kommen wir an in der wunderschönen Kleinaus Vista Desert Horse Inn Lodge, die wir fast nur bei Dunkelheit sehen werden. Zeit zum Ausruhen bleibt uns nicht. Es ist Zeit für das Abendessen, das köstlichst schmeckt und hervorragend angerichtet ist. Vor allem Vorspeisen, Salate und Desserts begeistern uns. Danach sind wir groggy, geschafft vom Erlebten, der Hitze, aber auch aufgrund der Anspannung und der Ungewissheit um unseren Bus.

Währenddessen wartet Harold am bewegungslosen Bus auf das Ersatzteil. Und wir hoffen, dass damit unser Gefährt wieder flott gemacht werden kann. Sie kommen gegen 3 Uhr nachts in der Lodge an. Wie wird diese Geschichte wohl weitergehen? Gerade hatten wir die Flugverspätung im Reiseplan aufgeholt, da passiert wieder Unerwartetes.

Kleinaus Vista Desert Inn Lodge – Kolmanskop – Lüderitz – Kleinaus Vista Desert Horse Inn Lodge – 16. September 2024

Unser Reisefahrzeug ist in der Nacht repariert worden vom Mechaniker, der aus Windhoek mit dem Ersatzteil kam. Es fährt, doch hält es durch?

Kurz vor acht Uhr fahren wir hinein in die Namib-Wüste mit dem Ziel die Diamantenstadt Kolmanskop zu besuchen und dann nach Lüderitz an den Atlantik zu fahren. Es ist sehr windig heute, ein kleiner Sandsturm fegt über das flache Land. Bald haben wir den feinkörnigen Namib-Staub überall: im Haar, an und unter der Kleidung, im Gesicht und auch durch die Ritzen im Auto findet die Sandkörner ihren Weg. Namibia, so wie es auch sein kann.

Angekommen in Kolmanskop, gelegen im Sperrgebiet-Nationalpark, das in seiner Blütezeit in den 1920er Jahren zu den modernsten Städten Afrikas gehörte, beginnen wir eine Führung durch die Ruinen der kleinen Stadt. Wir erfahren allerhand Wissenswertes und ebenso Kurioses. Lange galten die Diamanten als alltägliches Zahlungsmittel im Ort, bis die deutsche Regierung das Potential erkannte und den Handel mit den wertvollen Steinen vollständig übernommen hat. Findige versuchen, die Steine anderweitig aus dem Ort zu schmuggeln, unter anderem mit Brieftauben (die werden dann verboten) oder durch Verschlucken (daraufhin folgen eine Rizinusölkur und Quarantäne). Wussten Sie eigentlich, dass Kolmanskop nach einem Lastwagenfahrer benannt ist, der hier mitten in einem schlimmen Sandsturm gerettet worden ist?

Wir bekommen einen Eindruck, wie die Einheimischen damals gewohnt haben, von Bäckerei, Laden und Eismanufaktur. Schule und Krankenhaus können besucht werden. Manche der Ruinen werden nicht mehr vom Sand freigehalten und sind jetzt Quartier für Sanddünen, Skorpione oder Schlangen. Gute 100 Jahre ist die Hochzeit von Kolmanskop jetzt her, es war ein anderes Kapitel der Geschichte. Damals fuhren Eisenbahnen durch die Wüste, deren Strecke ganz schnell erbaut wurden, heute finden sich nur noch alte Bahnhofsgebäude und die Gleise, die schon seit einiger Zeit kaputt sind und noch nicht repariert werden konnten - und das in einer Zeit, in der wir mit Space Shuttles in den Weltraum fliegen oder wir täglich über KI begeistert sind.

Nur zehn Kilometer hinter Kolmanskop liegt der Atlantik und an ihm die Bucht von Lüderitz. Wir fahren zur Diaz-Spitze mit Leuchtturm und gleichnamigen Kreuz (Original errichtet im 15. Jahrhundert) und lassen uns an der windumtosten Küste einmal kräftig durchwehen. Die Robbenkolonie ist heute nicht da, dafür weiden Flamingos an einem der ruhigeren Abschnitte. Im Ort Lüderitz selbst fahren wir vorbei an Goethe-Haus (erbaut von einem der Diamantenunternehmer) und Felsenkirche (leider geschlossen) zur Waterfront, wo wir unsere Mittagspause verbringen. Der kleine Ort, der während der deutschen Kolonialzeit im Jahr 1883 gegründet wurde, wirkt schläfrig, was wir so nicht erwartet hatten.

Wir spuren uns wieder auf der gut ausgebauten B4 ein, um durch die schöne Namib zurück zur Lodge zu fahren. Jeder Blick aus einem der Fenster begeistert. Sand ist überall, dennoch kann man sich nicht satt sehen. Nach rund einer Stunde Fahrt hat unser Reisefahrzeug genug und stellt den Dienst endgültig ein. Dummerweise hat es sich eine Stelle ausgesucht, wo es keinerlei Handyempfang hat. Nun heißt es improvisieren. Harold fährt per Anhalter nach Lüderitz zurück und organisiert, mal wieder, ein Shuttle. Wir schaukeln im Bus, der uns so viel Geduld abverlangt, leicht im Sandsturm an Ort und Stelle und vertreiben uns die Zeit mit Witz und Humor. Eine Oryx-Antilope an den Gleisen der alten Eisenbahn wird zum Shootingstar! Dann taucht Harold wieder auf und mit ihm unser Shuttle. Wir steigen um und fahren in Richtung Lodge.

Wir, die wir uns jetzt "die Gestrandeten" nennen, brauchen noch einen positiven Abschluss des Tages, etwas für die Seele. Da kommt die Wasserstelle der Namib-Wildpferde gerade recht. Und wir haben Glück, die Herde grast in der Nähe, direkt vor dem markanten Berg des "dicken Wilhelm". Zwei Tiere halten sich am Parkplatz auf und stehen Pate für besondere Fotomotive: Namib-Wildpferd in der Wüste vor aufgehenden Mond bei Sonnenuntergang. Es tut uns einfach gut, die Tiere hier so friedlich weiden zu sehen. Glück muss man haben! Die Geschichte der Namib-Wildpferde ist eine besondere und auch unsere Lodge steht ganz im Zeichen dieser beeindruckenden Tiere.

Wir genießen unser exzellentes Abendessen und stoßen gemeinsam an. Die kalte aber klare Wüstennacht lädt zum Sternegucken ein. Ob heute Abend jemand das Kreuz des Südens entdecken wird?

Unterdessen ist Harold noch immer beim Fahrzeug. Es wird nicht mehr repariert werden können. Es ist jetzt auch gestrandet, dort, an der Stelle, wo wir es verlassen mussten. Mitten in der endlosen Wüste. Wir fühlen alle, dass dieses neuerliche Stranden folgerichtig und mit Ansage war ... aber es stand für uns heute schlicht kein anderes Fahrzeug zur Verfügung, mit dem wir hätten fahren können.

Kleinaus Vista Desert Horse Inn Lodge – Helmeringshausen – Sossusvlei Lodge – 17. September 2024

Die Datenleitungen zwischen Kleinaus und Kesselsdorf sowie zwischen Harold und Windhoek laufen seit gestern Abend heiß. Wie kommen wir heraus aus der gefühlten Endlosschleife aus Pannen, in der Wüste stranden, warten und nicht wissen, was als Nächstes kommt? Reisende sind (mehrheitlich) von Natur aus flexible Menschen, die wissen, dass Ungeplantes und Unerwartetes passieren kann. Urlaubszeit ist auch kostbar, so dass wir uns nach drei Tagen Stopp & Go berechtigterweise einen Plan B wünschen. Und den gibt es! Ein Shuttle soll uns in Richtung Sossusvlei bringen und unterwegs wird uns ein Ersatzfahrzeug zugebracht. Darüber hinaus werden wir unterwegs zu einem Mittagessen eingeladen. Das ist der Plan. Aber - unsere Pechsträhne endet noch immer nicht ganz.

Das Shuttle verspätet sich, da es sehr kurzfristig gebucht wurde und erst noch bestehende Transfers abarbeiten muss. Wir warten (un)geduldig. Als es dann in Sichtweite kommt, wir alle stehen aufgeregt vor der Lobby der schönen Lodge, und zu uns abbiegt, gibt es einen lauten Knall - und das Shuttle bleibt stehen. Ungläubig blicken wir auf das, was sich da vor unseren Augen abspielt. Selbst die Schlagfertigsten unter uns sind für einen Moment sprachlos. Die Achse des Anhängers, der unser Gepäck transportieren soll, ist gebrochen. Es muss ein Ersatz im nahen Städtchen Aus besorgt werden. Wir warten also weiter. Darin sind wir mittlerweile Meister. Abenteuer Afrika, Du verlangst unserer deutschen Geduld einiges ab. Zum Glück sind wir alle lebens-weise und wissen, dass negative Energie die Situation noch schlimmer macht, also besser ruhig und positiv bleiben. Nicht alles liegt in unserer Hand, doch das, was wir direkt beeinflussen können, wollen wir nicht aus der Hand gleiten lassen.

Der neue Anhänger ist doch relativ schnell da, der Fahrer ist untröstlich und entschuldigt sich vielmals. Wir sagen ihm, dass diese Dinge passieren können und dann wird mit vereinten Kräften das Gepäck, eingepackt in staubsichere Plastiktüten, geladen. Wir tuckern über eine Schotterpiste nach Helmeringhausen, ein kleiner Ort mit deutscher Kolonialhistorie, der sich urplötzlich aus der weiten Wüsten- und Berglandschaft erhebt. Dort wartet unser neues Reisefahrzeug, was wir mit froher Erwartung sehen. Wir legen die versprochene Mittagspause ein - in einem Restaurant mit bayrischer Flagge in Namibia futtern wir Lasagne. Situationskomik!

Und dann, wir können es kaum erwarten, boarden wir unseren neuen Bus. Der Tag ist schon ein bisschen fortgeschritten und wir haben noch rund vier Stunden Fahrt vor uns. In Richtung Maltahöhe fahren wir über den Tsaris-Pass - bei Sonnenuntergang - fahren wir durch die Tsaris-Berge und Namib-Wüste in Richtung Sossusvlei. Die Strecke ist landschaftlich beeindruckend, wie jeden Tag. Die Stimmung um Sonnenuntergang und Dämmerung kleidet die Landschaft in ein besonderes Licht. In der Dämmerung werden die Wildtiere aktiver. Schakale düsen über die Straße, Oryx-Antilopen und Springböcke weiden rechts und links der Piste. Die seltenen Bergzebras, die es hier geben soll, können wir nur in der Ferne entdecken.

Wir kommen gegen 20 Uhr in unserer Sossusvlei Lodge an, die gut besucht ist. Die Anlage wirkt wie eine kleine Stadt, was uns nach den Anstrengungen der letzten Tage im ersten Moment etwas überfordert. Das leckere Dinner, mit frischem Grill, lässt uns ankommen.

Sternenfreunde suchen noch gemeinsam das Sternbild des Kreuz des Südens. Harold erklärt uns, wie wir von dort aus Süden definieren können. Schakale heulen in der Nacht. Auch Wüstengeräusche können unterhaltsam sein. Vor unseren Zimmern kann man auf einer kleinen Terrasse sitzen und der Wüstennatur lauschen. Eine entspannende Art, den Tag ausklingen zu lassen.

Sossusvlei Lodge – Sossusvlei im Namib–Naukluft–Nationalpark – Sesriem Canyon – Sossusvlei Lodge – 18. September 2024

Voller Vorfreude reihen wir uns die Warteschlange am Eingangstor des Namib-Naukluft-Nationalparks ein, die sich bereits vor sieben Uhr aufreiht. Zum Sonnenaufgang öffnen sich die Tore. Unsere Lodge liegt ganz nah daneben, so dass wir nicht ganz sehr früh aufstehen müssen. Als Fahrzeug Nummer 51 registrieren wir uns und fahren hinein in den Sonnenaufgang über dem Sossusvlei. Neben dem Etosha-Nationalpark ist das Sossusvlei die bekannteste Attraktion Namibias. Das Sossusvlei ist eine von Sanddünen umschlossene beige Salz-Ton-Pfanne („Vlei“), in die der Fluss Tsauchab versandet. Nur in seltenen guten Regenjahren führt das Sossusvlei Wasser. Die umgebenden orangefarbenen Sanddünen sind spektakulär und gehören zu den höchsten der Welt. Während wir durch die wunderschöne Landschaft fahren, bestaunen wir die morgendlichen Farbspiele. Viele der Dünen haben eine Schatten- und eine Sonnenseite, fast ein bißchen wie Ying-Yang wirkend. Unsere Kameras sind im Dauereinsatz, doch es ist mindestens genauso schön dieses Schauspiel einfach bloßen Auges aufzunehmen. Auf einem Selbstfahrerauto entdecken wir ein Paar, das es sich direkt gegenüber Düne 45, die als Fotomotiv direkt neben der Straße liegt, auf ihrem Autodach bequem gemacht hat und diese besondere Stimmung genießt.

Kurze Zeit später endet die asphaltierte Straße. Wir müssen unseren Bus parken und auf Allradshuttles umsteigen, die sich durch den Wüstensand pflügen können. Wir wollen zum Dead Vlei fahren, um ein Naturschauspiel zu bewundern und auf eine der Sanddünen zu wandern. Das Wetter ist kühler als erwartet, was uns noch helfen sollte. Als wir die fünf Kilometer im Shuttle geschafft haben, kräftig durchgerüttelt und mit Abenteuer-Adrenalin aufgepumpt, stellt eine Familie fest, dass ihre Kamera verschwunden ist. Der Schreck fährt uns allen in die Glieder und wir regen an, dass sie nochmals zurück zum Parkplatz fahren, um nachzuschauen. Eine gute halbe Stunde später kommen sie freudestrahlend und kameraschwenkend zurück. Erleichterung überall!

Wir spazieren gemeinsam los und Harold erklärt uns anschaulich, wie es zur Wüstenbildung gekommen ist und zeigt uns auch, dass der Wüstensand Bestandteile von Magnetit enthält. Dann heißt es, eine Entscheidung zu treffen: Hinauf auf die Sanddüne Big Daddy, die die höchste der hiesigen Sanddünen ist, oder direkt zum Sossusvlei? Harold nimmt sich die Dünenbesteiger mit hinauf, Schritt für Schritt im gleichmäßigen Tempo. Durch den weichen und sanften Sand zu waten, ist auch ein bißchen anstrengend, jedoch auch gelenkschonen. Andere spazieren direkt zum Dead Vlei, einer weiteren Sandpfanne, die für die abgestorbenen Bäume berühmt ist. Diese Bäume wurden durch die Wüstenbildung überrascht, die sie vom Tsauchab abgeschnitten hat und stehen jetzt als Baumskelette inmitten des orangenen Wüstensandes und der hohen Düne. Ein irres Landschaftsphänomen! Diese Baumleichen unter dem strahlend blauen Himmel vor den Sanddünen ist jeden Klick wert.

Die Dünenwanderer hört man, bevor man sie sehen kann. Ein Gegenlichtfoto mit den glücklichen Gipfelstürmern erinnert an diese Momente. Und dann geht's abwärts, den Wüstensand hinunterrutschend. Ein Gaudi, das jung und alt entzückt. Es ist noch ein bisschen Zeit, bis wir uns alle am Parkplatz einfinden, so dass jeder Gelegenheit hat, das Wüstengefühl in sich aufzunehmen. Nicht wenige ziehen die Schuhe aus und genießen das Wüstengefühl barfuß. So langsam wird es richtig warm, heiß sogar, und wir spüren, wie wichtig Schatten und Trinken werden.
Wir rumpeln zurück zu unserem Bus durch den tiefen Sand. Wir passen nicht alle ein Shuttle, so dass zwei von uns in einem anderen Shuttle fahren. Dieses bleibt im Sand stecken, fährt sich fest. Doch der erfahrene Fahrer bleibt ruhig und geduldig und manövriert uns Millimeter für Millimeter hinaus. Geschafft! Wir fahren zurück Richtung Lodge, doch biegen kurz vor dem Ausgang rechts ab. Holpernd erreichen wir den Sesriem Canyon, der ebenfalls zum Nationalpark gehört. Sesriem ist Afrikaans und bedeutet Riemen. Die ersten Siedler mussten sechs Riemen aneinanderknüpfen, um aus dem bis zu 30 Meter tiefen Canyon Wasser zu schöpfen. Der Tsauchab-Fluß, der uns immer wieder begegnet, hat sich hier über Millionen von Jahren in den Kies eingegraben und für eine spektakuläre Schlucht gesorgt. Auf dem Grund des Canyons, den man relativ leicht erreichen kann, ist es schattig und kühl. Mit etwas Glück findet man sogar noch ein Wasserloch.

Den Nachmittag verbringen wir auf unserer Lodge, bevor wir wieder zum Sundowner aufbrechen. Unsere Pannenserie der letzten Tage beschert uns diese Überraschung. Der untergehenden Sonne entgegen bewundern wir diese karge, weite und besondere Landschaft. Erdhörnchen und Springböcke machen uns ihre Aufwartung. Hinter einem Felsen, windgeschützt, bauen unsere Fahrer Jason und Eddie den Sundowner-Apero auf. Wir stoßen alle gemeinsam an auf das Reisen, schöne Erlebnisse und die einmalige Wüstenatmosphäre. Eine kleine Wüstenmaus beobachtet uns und wir beobachten die Lichtspiele beim und nach dem Sonnenuntergang. Wieder in den Jeeps schlagen unsere Fahrer nicht den Heimweg an, sondern fahren in eine andere windgeschützte Felsenmulde in der Namib. Sie bitten uns auszusteigen und ihnen zu folgen.

Doch was uns hinter der nächsten Kurve erwartet, versetzt uns in Sprachlosigkeit und Entzücken gleichermaßen: Ein Wüstendinner ist für uns vorbereitet. Dutzende Kerzen erleuchten den Weg in jetzt dunkler Nacht, Lagerfeuer brennen und ein Buffet mit vielen Köstlichkeiten wartet auf uns. Was für eine Überraschung, was für eine Stimmung! Spontan applaudieren wir - und genießen dann den Moment, die Schönheit und Gastfreundschaft Namibias sowie das feine Essen. Augenblick verweile doch, Du bist so schön!

Sossusvlei Lodge – Gaubpass – Kuiseb–Canyon – Swakopmund – 19. September 2024

Ausgeschlafen verlassen wir die Sossusvlei-Lodge mit ihrer schönen Wüstenlandschaft in Richtung Atlantikküste mit dem beschaulichen Swakopmund. Wir durchfahren viele Stunden eine karge Wüstenlandschaft, die manchmal weit über den Horizont hinaus reicht, und uns doch bezaubert. Unsere Fahrt führt vorbei an der lebendigen Einöde mit dem treffenden Namen Solitaire (=Einzelgänger), die vor allem für ihre Bäckerei mit dem famosen Apfelkuchen berühmt ist. Wir kreuzen wieder den südlichen Wendekreis des Steinbocks und hoppeln über die teils ruppige Schotterpiste immer weiter gen Westen. Hin und wieder taucht ein Wildtier inmitten dieser unwirtlichen Landschaft auf und wir fragen uns, wie diese hier überhaupt überleben können. Harold erzählt uns, dass Strauß, Oryx-Antilope und Steinböcke am besten an das Leben hier angepasst sind und auch unter widrigsten Bedingungen noch Nahrung finden können. Wenn man bedenkt, dass in Solitaire gerade 3mm Regen in diesem Jahr gefallen sind und das gesamte Land von einer schlimmen Dürre heimgesucht wird, ist der Überlebenswille der Tiere besonders bemerkenswert. Kein Wunder, dass die Oryx-Antilope das Nationaltier Namibias ist. Ein würdiger Vertreter in diesem Lebensraum!

Die landschaftliche Szenerie ändert sich immer wieder. Über den Gaubpass mit einer zerklüfteten Felslandschaft erreichen wir später den Kuiseb-Canyon. Letzter ist berühmt geworden durch den Bestseller "Wenn es Krieg gibt, gehen wir in die Wüste" von Prof. Dr. Henno Martin. Die Einblicke in den Canyon, die wir mitbekommen, lassen erahnen, wie hart der Überlebenskampf von Martin und seinem Begleiter Hermann Korn gewesen sein muss, die sich zwei Jahre lang aus Angst, eingezogen zu werden um für Nazideutschland im 2. Weltkrieg zu kämpfen, in dieser Wüste versteckt hielten.

Zu großen Strecken sind wir heute in Namib-Naukluft-Nationalpark unterwegs. Die riesige Namib, Namensgeberin für das Land Namibia, ist eine der wenigen Küsten- und Nebelwüsten der Erde. Ihr Name stammt aus der Sprache der Nama und bedeutet soviel wie "Weiter Platz". Manchmal, wenn wir aus dem Fenster schauen, geht der endlos scheinende Sand über den Horizont hinaus. Der Name ist also Programm. Der zweite Namensteil, Naukluft, bezieht sich auf eine enge Schlucht ("Nau Kluft") in den Bergen. Auf unserer Fahrt sehen wir auch Hinweisschilder zur Wüstenforschungsstation Gobabeb, die in den Bereichen Klima, Ökologie und Geomorphologie forscht.

Namibia ist ein junges und großes Land mit nur drei Millionen Einwohnern, die sich in der wüstlichen Weite verlaufen. Windhoek hat gerade einmal 350.000 Einwohner. Wieviele Milliarden Sandkörner wird es wohl hier geben? Namibias Flagge besteht aus fünf Farben. Spannenderweise ist eine Farbe für den vielen Sand nicht vorgesehen. Ob das wohl daran liegt, dass der Sand in den verschiedenen Gebieten des Landes unterschiedliche Farben hat?

Kurze Zeit später endet die lange Fahrt und wir erreichen die Stadt Walvis Bay, die mit unserem Ziel Swakopmund auf einer bestens ausgebauten Straße verbunden ist. Wie so oft verläuft parallel dazu die alte Schienenstrecke aus dem vorigen Jahrhundert. Wir trauen unseren Augen nicht, denn da steht doch wirklich ein Zug auf den Gleisen. Unglaublich. Güterzüge fahren hier aufgrund der hohen Temperaturen meist nachts, der Personenverkehr ist eingestellt.

Wir erreichen Swakopmund, wo wir im schönen Hotel Delight für zwei Nächte verweilen werden. Harold macht uns bei einer kleinen Rundfahrt mit dem beschaulichen Ort bekannt. Die berühmte Seebrücke Jetty, die für ihre schönen Sonnenuntergänge bekannt ist, ist fußläufig vom Hotel erreichbar. Nachmittag und Abend stehen zur freien Verfügung, die wir nach eigener Façon verbringen. Am Abend, im Zimmer, werden wir alle überrascht, und zwar so, dass wirklich niemand es erwarten konnte: Wir bekommen Wärmeflaschen für die Nacht. Für hiesige Verhältnisse ist es gerade kalt hier, circa 15 Grad am Tag und kühler in der Nacht. Trotz Klimaanlage reicht das für eine Wärmeflasche aus - und wir haben alle zugegriffen.

Swakopmund und Bootsfahrt in Walvis Bay – 20. September 2024

Gut erholt lassen wir uns das köstliche Frühstück in unserem Hotel schmecken. Für die Gourmets unter uns warten auch Austern! Was ein gelungener Auftakt in den Tag. Draußen ist es frisch und neblig. An 100 Tagen im Jahr liegt über Swakopmund Nebel, der sich am späten Vormittag lichtet.

Alle von uns haben sich für die Tour mit dem Katamaran in der Walvis Bay entschieden. Walvis ist Afrikaans und heißt übersetzt Walfisch. Die Bucht, die rund 30 Kilometer südlich von Swakopmund liegt, bekam ihren Namen vom Walfischfang und der zugehörigen Industrie, die bis in die 1950er Jahren dort ansässig war. Zum Glück jetzt nicht mehr. Viele lange Jahre gehörte Walvis Bay zu Südafrika, bis Nelson Mandela das Gebiet im Jahr 1990 an den nördlichen Anrainerstaat, das damals blutjunge Namibia, zurückgegeben hat.

Am Hafen in Walvis Bay tummeln sich viele Ausflügler. Man hört deutsch, natürlich in Namibia, aber auch englisch und italienisch. Verschiedene Schiffe und Katamarane warten auf die Gäste. Ein paar tierische Gäste bringen sich auch in Stellung. Pelikane und Seelöwen gehören de facto auch zur Crew und pendeln immer zwischen den Booten hin und her. Sie kommen uns auf unserem Boot so nah wie wir Menschen nebeneinander sitzen. Der ein oder andere muss seine Kameratasche gut festhalten, damit die Pelikane damit keinen Unsinn treiben. Mit einem riesigen Pelikan Auge in Auge gegenüberzusitzen, nur durch eine Schnabellänge getrennt, ist eine Erfahrung für sich.

Ernst, unser Guide auf der Silverskye, begrüßt uns mit einer Sicherheitseinweisung. Wichtigste Botschaften: Die Tiere nicht anfassen und erst über Bord springen, wenn die Crew es ansagt. Bei leichtem Seegang in der Bucht, den offenen Atlantik erreichen wir zum Glück nur ganz am Rande, fahren wir in Richtung der sandigen Halbinsel, auf der sich eine Seelöwenkolonie mit bis zu 50.000 Tieren tummelt. Wir lernen die Big 5 des Ozeans kennen und verstehen, wie die Strömung in der Bucht funktioniert. Vorne am Bug, wo wir trotz des kühlen Wetters fast alle eingemummelt in Decken sitzen, lauschen wir Ernst und seinen Ausführungen. Er blickt auf mehr als 20 Jahre Seeerfahrung zurück. Sicher steht er an vorderster Front, trotz des Wellengangs. Eine Runde (oder auch zwei) namibisches "Brot" (selber ausprobieren!) wärmt uns auf.
Der weiß-schwarze Leuchtturm auf der Halbinsel kommt näher und mit ihm das typische Rufen und Grunzen der Seelöwen. Die verspielten Tiere umschwimmen die Boote, zum Teil auch in Rückenlage, und treiben ihren Schabernack. Es wimmelt nur so in der lebendigen Kolonie.

Dann ertönt der Ruf: "Wal voraus!" Und tatsächlich, ein Buckelwal taucht einige Male auf. Welch' ein Glück für uns. Lange Zeit waren die Tiere aus der Bucht verschwunden. Wohl erst 60 Jahre nach Beendigung des Walfangs kehrten sie in die Bucht zurück.

Wir wenden und gleiten langsam zurück in Richtung Hafen. Doch jetzt werden noch kleine Köstlichkeiten kredenzt, unter anderem Austern, Tintenfischringe und überbackene Muscheln. Dazu ein Glas Sekt oder auch zwei. Wie bestellt hat sich jetzt auch die Sonne freigekämpft. Wir genießen die Atmosphäre an Bord und den glückseligen Moment. Einfach schön!

Zum Abschied posiert ein Pelikan noch vor der Flagge Namibias, als wüsste er, was die Gäste wollen. Dann müssen wir von Deck gehen, nicht ohne zu wissen, dass diese besonderen Stunden in Erinnerung bleiben werden.

Der Nachmittag steht wieder zur freien Verfügung. Swakopmund lädt zum Schlendern ein, ohne Stress, ganz unaufgeregt. Ein kleines Museum, ein Markt mit Souvenirs, einige oftmals restaurierte deutsche Kolonialbauten, eine Galerie mit Kristallen oder auch das Café Anton mit Schwarzwälder Kirschtorte können entdeckt werden. Im Ort fallen die vielen deutschen Namen an kleinen Läden oder Restaurants auf, Reminiszenz an die deutsche Kolonialzeit. Badewetter ist nicht, aber frische Seeluft tut noch immer gut. Am Abend treffen wir uns an der Seebrücke, um gemeinsam in den Sonnenuntergang zu speisen. Jetty ist wind- und wellenumtost, so dass das Bemühen um ein schönes Foto auch mit einer Dusche enden kann. Der Atlantik zeigt sich heute von seiner rauen Seite. Unser Dinner schmeckt, die frischen Fischspezialitäten sind lecker. Ein Spaziergang zurück zum Hotel beendet den erholsamen und abwechslungsreichen Urlaubstag.

Swakopmund – Erongo–Gebirge – Ai–Aiba Rock Painting Lodge bei Omaruru – 21. September 2024

Swakopmund hat uns gefallen. Bei den vielen unterschiedlichen Wüstenlandschaften - auch Swakopmund ist von der Namib umgeben - tat es auch gut, mal wieder Palmen und etwas mehr Grün zu sehen. Das beschauliche Städtchen entschleunigt.

Unser Ziel heute ist das Erongo-Gebirge mit der schön gelegenen Ai-Aiba Lodge beim Städtchen Omaruru. Wie jeden Morgen bei Abfahrt beschreibt Harold unsere Fahrtroute, so dass wir diese auf unseren Namibia-Karten nachvollziehen können. Wir beginnen mit einer Asphaltstraße, die uns vorbei an einigen Uran-Minen führt. Wussten Sie eigentlich, dass Namibia der zweitgrößte Uranproduzent weltweit ist?

Am Abzweig Usakos befindet sich ein kleiner Markt, der sich auf Halbedelsteine und Kristalle spezialisiert hat, die alle aus Namibia stammen. Handeln ist angesagt! Im Dorf arbeitet auch gerade ein Tierarzt, der Hunde kostenfrei sterilisiert. Ein ehrenwertes Unterfangen, das auch den Streunern ein ärmliches Leben erspart.

Es ist nicht nur sehr heiß heute, sondern auch windig. Die Sicht ist nicht klar, doch die Spitzkoppe, der als Matterhorn Namibias markante Berg, können wir am Horizont ausmachen. Mit diesem Fotostopp beginnt die holprige Schotterpiste, die uns für den Rest des Tages begleiten wird. Harold hat noch eine Überraschung parat, hat er doch ein Picknick organisiert, das wir bei Christa's Bergcafé aufbauen. Christa, die auf einer der Campsites in den Erongo-Bergen arbeitet, ist auch dabei. Ihre herzlich-bescheidene Zurückhaltung ist ansteckend und bald sitzt sie als Teil der Gruppe mit am Tisch. Es gibt Käse, Salat, Biltong, Aufschnitt mit deutschem Namen, Brötchen, Chips - und Amarula zum Anstoßen. Die Erongo-Berge gefallen, geben sie doch der Landschaft eine gewissen Lebendigkeit.

Kurze Zeit später besuchen wir das "Lebendige Museum der San", ein Projekt, dass den San, auch als Buschmänner bekannt, die eigentlich in der Kalahari ansässig sind, eine Partizipation am vielen Tourismus, der in Richtung Etosha-Nationalpark führt, ermöglicht. Wir begegnen Menschen völlig unterschiedlicher Kultur, Sprache (mit Klicklauten) und auch Aussehen (nahezu unbekleidet). Wir lernen, wie die San Schmuck herstellen (aus Straußeneiern), Feuer machen, Seile aus einer Pflanze herausfasern und wie sie auf die Jagd geben. Der Jagderfolg, der in der teils lebensfeindlichen Wüste nicht garantiert ist, wird ausgiebig mit einem Giraffentanz gefeiert. Ebenso wird Regen zelebriert und der zugehörige Regenbogentanz hat einen Rhythmus, bei dem auch schon die zweijährigen im Takt mitschwingen. Alle drei Monate übernimmt eine andere Familie die Vorführungen und die anderen kehren nach Hause in die Kalahari zurück. Ein eindrückliches Erlebnis, dass uns wieder spiegelt, wie einfach unser Leben doch ist - im Vergleich zu den indigenen Völkern Namibias. Neben den San (3%) begegnen uns dabei vor allem die Ovambo (50%), Herero (7%), Nama (5%), Damara (7%) und die bekannten Himba (noch rund 5000 Menschen). Insgesamt zählt man 12 indigene Völker in Namibia - alle repräsentiert jeweils durch ein Sonnenstrahl an der Sonne auf der Landesflagge.

Wir erreichen unsere schöne Lodge kurze Zeit später und entspannen in dieser Landschaft, fernab jeglicher Zivilisation. Es ist zu schön, um wahr zu sein. Warzenschweine grasen direkt neben der Rezeption, eine Giraffe und Paviane sind ebenfalls nicht weit entfernt. Es gibt ein Wasserloch, so dass wir Hoffnung haben bei Sonnenuntergang oder Einsetzen der Dämmerung Tiere beobachten zu können. Selbst wenn nicht, die Landschaft mit den rötlichen Erongo-Bergen ist eine Schönheit für sich und das Auge kann sich fast nicht satt sehen.

Ein Swimmingpool offeriert die dringend benötigte Abkühlung für uns Menschen. Ob heute noch jemand eine kleine Wanderung zu den Felszeichnungen macht, für die die Lodge bekannt ist?

Ai–Aiba Rock Painting Lodge bei Omaruru – Etosha–Nationalpark – Toshari Lodge – 22. September 2024

Es wurde einer dieser besonderen Urlaubstage, die am liebsten nicht zu Ende gehen dürfen ...

Morgenliebhaber und Frühaufsteher treffen sich um 6.30 Uhr an der Rezeption für eine Sonnenaufgangswanderung. Sonnenaufgänge sind unterbewertet, sind sie doch nicht minder schön wie Sonnenuntergänge, doch schlicht weniger besucht. Gerade als der Tag anbricht, wandern wir in der frühmorgendlichen Stille hinauf auf den großen Hügel hinter unserer Lodge. Das rötliche Licht und die rötlichen Felsen sorgen für eine angenehme Stimmung. Auf einem großen runden Stein mit Aussicht nach Osten begleiten wir die feuerrote Sonne beim Aufgehen, als sie sich hinter einer der markanten Bergspitzen der Erongo-Berge langsam hervorschiebt. Wir folgen den weißen Pfeilen, die markant unseren kleinen Pfad leiten. Im zweiten Teil des Rundweges erreichen wir einige der Felsmalereien, für die die Lodge bekannt ist. Die roten Motive von Tieren und Menschen geben einen Eindruck von der Kommunikation der indigenen Bevölkerung, die einstmals hier gelebt hat. Wir sind begeistert, die verschiedenen Zeichnungen zu bestimmen. Kreativität am Morgen ist gefragt. Der kleine Ausflug macht uns großen Spaß und sorgt für eine ausgelassene Stimmung.

Nach dem Frühstück (sehr zu empfehlen: Omelett mit Spinat und Feta-Käse) fahren wir zu einem der besonderen Höhepunkte unserer Namibia-Reise: Dem Etosha-Nationalpark im Norden des Landes. Die Einstimmung ist perfekt, denn kurz nach Abfahrt entdecken wir die Spuren eines Leoparden und mehrere Dik-Diks, die kleinste Antilopenart. Vorbei an den Orten Kalkfeld und Outjo erreichen wir das riesige Schutzgebiet. Mit einer Größen von rund 22.000 Quadratkilometern ist es halb so groß wie Schweiz. Übersetzt bedeutet der Name Etosha "großer weißer Platz" mit dem Herzstück der riesigen Etosha-Pfanne im Herzen des Parks. Die Weite im Nationalpark ist so riesig, dass das Ende am Horizont nicht immer zu erkennen ist. Mehrere Wasserlöcher im Park ziehen die Tiere, gerade in der Trockenzeit, an, um das überlebensnotwendige Wasser aufzunehmen.

Die Big 5 Afrikas werden wir nicht alle sehen können, da es keine Büffel hier gibt. Doch auf Elefant, Giraffe, Löwe und Leopard hoffen wir. Das schwarzgesichtige Impala, eine Antilopenart, ist hier endemisch und begrüßt uns als eines der ersten Tiere nach unserer Einfahrt in den Park. Wir lernen, Impala und Springbock voneinander zu unterscheiden. Der Tag ist sehr heiß (und Namibia von einer Dürre heimgesucht), so dass sich die Tiere am Nachmittag noch lange im Schatten aufhalten. Wir entdecken zwei Zebras und die ein oder andere Giraffe. Auch an einem bekannten Wasserloch ist tierische Ebbe. Lediglich ein Sekretär macht sich lautstark bemerkbar. Morgen ist auch noch ein Tag, denken wir uns, und fahren in Richtung Ausgang, da wir den Park vor Sonnenuntergang verlassen müssen. Gerade haben wir das Wasserloch verlassen, als Harold am entfernten Waldrand eine Elefantenherde entdeckt, die ziemlich wahrscheinlich zu ebendiesem Wasserloch zieht. Wir halten an und beobachten die Dickhäuter, wie sie langsam näher kommen. Der Star der Gruppe ist der kleinste, ein Mini-Elefant, der noch nicht alt sein kann. Sie ziehen direkt vor unserem Fahrzeug vorüber und ignorieren uns so gut sie können. Eines der Jungtiere stellt die Ohren auf, um das unbekannte Gefährt zu analysieren. Uns fallt auf, wie die Herde die Jungtiere vom Fahrzeug abschirmt. Der kleine Hüpfer schwirrt unter den ausgewachsenen Tieren hin und her. Als sie uns passiert haben, wendet Harold den Bus und wir fahren geschwind zur Wasserstelle zurück. Wir kommen gerade rechtzeitig an, als die Herde einmarschiert und wie automatisch dem Trampelpfad folgt. Dann wird eifrig getrunken. Das Baby kann den langen Rüssel noch nicht perfekt koordinieren und wirkt ungeschickt beim Trinken. Da muss jemand noch üben! Nach dem Trinken folgt das Wellness-Programm mit Schlammspritzen und Duschen. Welch' eine Wonne, dies so hautnah erleben zu dürfen.

Wir sind glückselig - und für morgen noch viel positiver gestimmt.

Ein Safari–Tag im Etosha–Nationalpark – 23. September 2024

Es ist noch dunkel, als wir frühstücken. Eine Stunde später haben wir das Anderson Gate des Etosha-Nationalparks passiert. Keine 20 weiteren Minuten später haben wir nicht schon viele Springböcke, einen Adler, eine Giraffe, sondern auch vier Löwen gesehen. Drei der Löwen machen sich durch die Büsche auf zum nahen Wasserloch. Wir antizipieren das und fahren das kurze Stück zurück. Solche Neuigkeiten verbreiten sich schnell, so dass, als wir am Wasserloch ankommen, bereits ein Dutzend Safari-Autos die Ankunft der Könige der Wildnis erwarten. Der Kampf um Zentimeter und die beste Position ist schon fast skurril. Als einige der Fahrer dann mit ihren Autos die offensichtliche Laufstrecke der Tiere blockieren, muss man schon den Kopf schütteln. Das ist ein Nationalpark, die Natur regiert und nicht die Fotoapparate übereifriger und sorgloser Menschen. Die Löwen bemerken natürlich den Trubel, finden aber mit einen kurzen Sprint eine Lücke zwischen zwei Autos. Sie trinken lange, sehr lange, am Wasserloch. Der dritte Löwe hatte sich das Ganze aus gesicherter Entfernung angeschaut und nimmt einen anderen Weg zum rettenden Nass. Ein schöner, ein aufschlussreicher Start in unseren Safari-Tag. Besser hätten wir uns das nicht wünschen und inszenieren können. Das sind Bilder, die lange nachhängen.

Das Safari-Glück sollte uns den gesamten Tag über hold bleiben. Die Temperatur ist merklich kühler als gestern, es geht ein frischer Wind. Das lässt nicht nur uns sich besser und aktiver fühlen, sondern auch die Tiere atmen durch. Die weite weiße und große Fläche, die als Namensgeberin Pate steht für den Etosha-Park, wimmelt heute vor Lebendigkeit. Gerade an den Wasserlöchern ist viel los. Wir lernen, dass es eine strikte Hierarchie gibt, wer wann trinken darf. Die Elefanten sind die klaren Chefs, gefolgt von Löwen, Giraffen und dann anderen Tieren. Wenn ein Elefant seine Wellness-Behandlung beginnt, ist Geduld gefragt. Er trinkt, er bespritzt sich mit Wasser, er plantscht im Schlamm, er trinkt, er bespritzt sich mit Wüstenstaub, er trinkt, er kratzt sich die Füße an Steinen oder stretcht seine Beine. Das kann schon mal eine halbe Stunde dauern. Dann trottet er gemächlich von dann. Dann kommen die Löwen und je nach Laune, legen die sich schonmal demonstrativ, ohne zu trinken, an den Rand des Wasserlochs, mit einem überheblich-schelmischen Grinsen im Gesicht. Wenn Du da als Giraffe die gesamte Zeit danebenstehst und richtig Durst hast, musst Du schon ein so friedliches Tier wie eine Giraffe sein, um nicht die Selbstbeherrschung zu verlieren.

Das Gebiet um die Wasserlöcher wimmelt nur so von Tieren. Teilweise tummeln sich bis zu sechs verschiedene Tiere gleichzeitig. Neben Elefanten, Löwen und Giraffen auch die omnipräsenten Springböcke, Gnus, Oryx-Antilopen, Warzenschweine, Straußenvögel oder auch Zebras und Kuhantilopen. Am Ende des Tages haben wir 20 markante Tiere des Nationalparks entdeckt. Nicht jeder Wunsch kann erfüllt werden, so dass Leopard, Nashorn und Gepard unentdeckt bleiben.

Doch Etosha lebt und wir freuen uns! Viele Tiere beglücken uns mit besonderen Momenten. Der Gewinner in der Kategorie "Clown des Tages" ist ein Springbock, der soviel gute Laune hat, dass er enthemmt in seinem Rudel "tanzend" (=springend) über die Ebene düst, immer hin und her. Der "Pfiffikus des Tages" ist eine Tüpfelhyäne, die ob der vielen Aufmerksamkeit an ihrem Wesen schwupps in einem kleinen Tunnel unterhalb der Straße verschwindet, wohlwissend, dass die Zweibeiner in den Autos darüber dann schnell das Interesse verlieren. Und der "Tollpatsch des Tages" ist ein Mini-Elefant, der beim Plantschen in einem Wasserloch seines Rüssels nicht Herr wird. Einfach herrlich schön!

Die berühmte, riesige Etosha-(Salz-)Pfanne im Herzen des Parks sehen wir auch direkt vor uns. Unendliche graue Weite soweit das Auge reicht. Das Funktionieren des gesamten Ökosystems mit seinen unterschiedlichen Bestandteilen ist nicht nur spannend, sondern auch grundlegend wichtig für die gesamte Region.

Der Tag geht schnell vorbei und endet, wie er begonnen hat. Mit Löwen an einem Wasserloch. Es gibt, geschätzt, 250 Löwen im Etosha, davon durften wir heute acht sehen. Glückspilze! Beseelt fahren wir zu unserer Lodge zurück und lassen uns das feine Abendessen schmecken. Während des Abendessens unterhalten die Service-Mitarbeiter mit einer Gesangs- und Tanzeinlage. Sie haben den Rhythmus einfach im Blut!
Als wir abends im Bett liegen fallen leichte Regentropfen auf die Dächer unserer Zimmer. Regen, der so dringend ersehnte und essenzielle Regen. Es ist nur wenig, doch es tut Fauna und Flora in Namibia so gut. Man kann spüren, wie auch die Menschen im Land rufen: Mehr davon, bitte. Die Regenzeit beginnt jetzt im Oktober. Hoffentlich, hoffentlich beschert sie dem Land viel Niederschlag.

Toshari Lodge beim Etosha–Nationalpark – Otjiwarongo – Okahandja – Windhoek – 24. September 2024

Ein letztes feines Frühstück mit Lodge-Feeling genießen wir, wohlwissend, dass uns unsere Reisewege heute in die Hauptstadt zurückführen. Nach dem Regen der gestrigen Nacht wirkt alles frischer, wozu natürlich auch die angenehmen Temperaturen beitragen. Man mag es nicht glauben, aber kurz nach unserer Abfahrt machen wir Fotos von regennassen Busfenstern. Für die Einheimischen muss das erquickende Nass eine wohltuende Überraschung gewesen sein.

400 Kilometer fahren wir heute, ausschließlich auf Asphalt-Straßen. Unsere Fahrt führt uns zurück nach Outjo und dann vorbei an den beiden Städten Otjiwarongo und Okahandja. Das Gebiet hat Bedeutung für den Stamm der Herero. Während der Fahrt, mit dem Waterberg-Plateau am Horizont, erfahren wir von Harold einiges über den Kampf der Herero gegen die Kolonialisten, die zur fast vollständigen Vernichtung der Herero führte. Kein rühmliches Kapitel der deutschen Geschichte. Der im Exil verstorbener Häuptling Maharero, der sein Volk nach der Schlacht am Waterberg durch die Omaheke führte, in diese fliehen mussten, wurde in den 1920er Jahren in Okahandja beigesetzt. Die Stadt gedenkt seither an diesem Jahrestag ihrer Ahnen und zieht Herero aus nah und fern an. Überhaupt lässt Harold viele Einblicke zu in seine Kultur, spricht vom Alltag, den Schwierigkeiten in einem Wüstenland mit vielen Wildtieren, von der Verantwortung und Bürde als Familienoberhaupt, von der Zerrissenheit der jungen Menschen zwischen einem traditionellen Leben inmitten des Stammes oder dem Reiz, in die Stadt zu gehen.

Wir erreichen Windhoek am Nachmittag. Katutura ist der größte Stadtteil von Namibias Hauptstadt, in der rund die Hälfte aller Bewohner lebt. Mehrheitlich leben sie in ärmlichen Verhältnissen in Wellblechhütten ohne Strom und ohne fließendes Wasser. Das Gebiet hat Township-Charakter, wiewohl das Leben hier auch pulsiert. Kinder spielen auf den Straßen, überall kocht und brutzelt das Street Food, es wird verkauft und gehandelt. Jedoch, die Armut ist nicht zu übersehen. Unser Bus fällt - natürlich - auf und zieht die Aufmerksamkeit auf sich. Unser Ziel ist ein Kindergarten, der von einer Einheimischen gegründet und betreut wird und ein Zuhause bietet für 30 Waisenkinder und weitere 50 aus ärmlichen Verhältnissen. Das Projekt muss ohne staatliche Unterstützung auskommen. Unser Besuch versetzt die Kinder in Ekstase, die sich über die unerwarteten Gäste freuen.

Weiter geht unsere Fahrt durch Windhoek, kurze Zeit später vorbei am prachtvollen Neubau der regierenden Partei, in direkter Nähe zu Katutura. Unser Hotel liegt am anderen Ende der Stadt, auf einem Hügel, mit einem schönen Panoramablick über die Stadt. Wir lassen uns trudeln, lassen die Reise Revue passieren und essen auf der Terrasse zu Abend. Der Etosha-Nationalpark mit seinen Tieren, die Wüstenlandschaften und das viele schöne Erlebte, sind gerade so nah und doch liegen sie leider schon hinter uns. Namibia hat begeistert.

Stadtrundfahrt in Windhoek und Heimreise – 25. September 2024

Gemütlich und ohne Zeitdruck mit einem ausgedehnten Frühstück beginnen wir unseren letzten Urlaubstag in Namibia.

Windhoek hat, wie viele Großstädte in der Region, nicht diese Vielzahl an touristischen Sehenswürdigkeiten oder zentrumsnahe Altstädte wie wir das aus anderen Regionen kennen. Unsere Stadtrundfahrt beginnt beim Bahnhof, der noch mit beschreibbaren Abfahrtstafeln glänzt. Man sieht dem Schienennetz an, dass nur spärlich Züge darüber rattern. Doch, man glaube es nicht, der Ticketschalter ist besetzt. Die Hauptstadt wartet noch mit vielen deutschen Straßennamen auf, auch manche Gebäude haben ihre deutsche Bezeichnung aus der wenig ruhmreichen Kolonialzeit behalten. Das lässt uns nachdenken, stehen wir doch kurze Zeit später beim Völkermord-Denkmal, das explizit an die Verbrechen unter deutscher Kolonialherrschaft erinnert. Die Alte Feste, Windhoeks ältestes Gebäude, das das Nationalmuseum mit dem bekannten Reiterdenkmal beherbergt, direkt hinter dem Denkmal gelegen, verfällt leider kontinuierlich. 2024 wurde eine umfangreiche Sanierung beschlossen. Doch wie sagt man so schön: "Africa owns the time." Diese Sanierung wird vermutlich eine längere Zeit dauern. Themenmäßig passt auch das dritte Gebäude direkt daneben dazu, das Unabhängigkeitsmuseum. Das moderne Gebäude lockt mit einer Aussicht vom Dach über die Häuser der Stadt. Die Auffahrt mit dem Aufzug ist kostenlos, ein Angebot das verlockt und lohnt. Der Blick auf die nahe Christuskirche, inmitten eines Kreisverkehrs, lässt die Kameras klicken. Wir fahren vorbei an verschiedenen Museen, der Hauptpost und der Fußgängerzone.

Windhoek ist eine vergleichsweise kleine Hauptstadt und sie wirkt beschaulich. Das Leben pulsiert, aber in einem gemächlicheren Gang als in anderen Großstädten weltweit. Nach einem letzten Souvenir-Shopping im Crafts Centre, wo wirklich jeder in der Gruppe noch ein Mitbringsel gefunden hat, fahren wir zum letzten Höhepunkt unserer Reise.

Die kleine lokale Brauerei "Roof of Africa", mit deutschem Einschlag, produziert zehn verschiedene Biere, nach deutschem Reinheitsgebot versteht sich. Die hauseigene Schlachterei und Bäckerei versorgt uns mit einer deftigen Schlachteplatte, während wir die Biere alle (!) verköstigen. Der klare Favorit ist das grüne Bier, Nummer acht in der Liste. Welches Bier das ist, wird nicht verraten - selbst kosten heißt die Devise. Der deutsch sprechende Braumeister ist leider nicht im Hause, das tut der Stimmung keinen Abbruch. Lustig geht es zu in diesen letzten gemeinsamen Stunden, in denen wir auch an unsere Reise und die verschiedenen Erlebnisse zurückdenken. Harold fasst es perfekt zusammen: Es hat nicht alles perfekt geklappt, aber wir haben uns die Stimmung nicht vermiesen lassen und sind sicher und ohne Zwischenfälle gereist. Das Reiseglück war uns mehrheitlich hold. Wir fahren mit einem breiten Lachen im Gesicht zum Flughafen.

Unsere letzte Fahrt endet stilecht: Eine Schotterpiste übelster Art führt zum Flughafen. Das sorgt für Begeisterung und für Staunen gleichermaßen. Namibia ist anders, eigen, überraschend. Und eben auch noch ein junges Land, gerade einmal 34 Jahre alt. Manche Dinge brauchen Zeit, dürfen und müssen wachsen.

Als wir später an Bord geben dürfen, müssen wir ein relativ großes Stück über das Rollfeld gehen. Es regnet. Namibia weint, dass wir wieder nach Hause reisen müssen und spricht uns damit aus der Seele. Gleichzeitig sind Regen und Wasser ein großes Glück für das trockene Land, und eine absolute Notwendigkeit für Landwirtschaft und funktionierende Ökosysteme. Möge es anhalten, dieses Glück, für Namibia, seine Menschen und seine Natur!

Ankunft zu Hause – 26. September 2024

“Kümmere dich nicht um die Schlaglöcher in der Straße und zelebriere die Reise.” – Fitzhugh Mullan

Schlusswort

Namibia hat uns mit all seinen Facetten verzaubert: die endlosen Weiten der Kalahari, die goldenen Dünen der Namib und das vielseitige Leben im Etosha-Nationalpark. Wir lauschten dem Rauschen des Windes, begegneten majestätischen Tieren und erlebten die Stille der Wüste, die wie ein Flüstern der Ewigkeit wirkt. Mit Sand in den Schuhen, Sternenstaub im Gepäck und einem Herzen voller Erinnerungen kehren wir heim, aber ein Teil von uns bleibt in Namibia. Diese Reise war mehr als nur ein Abenteuer; sie war eine Reise, die einmalig bleiben wird und so nicht wiederholt werden kann. Wir haben es erlebt! Es hat uns viel Spaß gemacht. Danke Harold für eine tolle Reise!

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