Reisebericht: Große Rundreise mit dem Zug in der Schweiz

11.06. – 19.06.2024, 9 Tage Bahnreise in der Schweiz mit Fluganreise sowie St. Gallen – Voralpen–Express – Luzern–Interlaken Express – Interlaken – GoldenPass – Lausanne – Zermatt – Glacier Express – St. Moritz – Bernina Express – Lugano – Gotthard Panorama Express – Zürich


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Reisebericht Große Schweizreise

Die Grand Tour – mit der Bahn durch die Schweiz – ein spektakuläres Erlebnis. Auf rund 1280 km fahren wir durch die Alpenrepublik, sitzen im schnittig blauen Voralpenexpress, speisen im Glacier Express zu Mittag, staunen über die Landschaft und freuen uns über das angenehme Reisen mit Kofferservice. Eine Reise, die man sehr lange in Erinnerung behält.
Ein Reisebericht von
Vivian Kreft
Vivian Kreft

Alle Wege führen nach St. Gallen

Aus allen Teilen Deutschlands strömen wir zusammen: aus Schwerin, dem Saarland, Erfurt und Jena, München und Berlin. Wir fahren mit dem Zug, dem Auto oder fliegen. Treffpunkt: St. Gallen, Hotel Einstein, 15.30 Uhr in der Lobby.

Und es klappt. Die fliegenden Gäste bekommen schon einen ersten Vorgeschmack auf die nächsten Tage: Der Zug vom Zürcher Flughafen bringt uns wie auf einem fliegenden Teppich nach St. Gallen. Die Bahn legt sich in die Kurve wie wenn sich unsereins weich in den Hüften wiegen würde. Es geht durch sattes Grün, für das Auge angenehme Ortschaften rechts und links der Strecke.

Das Hotel Einstein ist ein wunderbares Haus. Die Zimmer und Einbauschränke sind hoch-wertig, überall hängt Kunst an den Wänden, stehen Skulpturen und laden zum Anschauen ein. Früher war es eine Spinnerei, was zur Stadt der Spitze hervorragend passt.

Am Nachmittag geht es zur Stadtführung. Zunächst besuchen wir die Stiftsbibliothek, die zum UNESCO Welterbe gehört. Ein barocker Raum mit Bücherregalen von oben bis unten, um-kränzt von einer durchgehenden Empore. Sie schwingt nach vorne und nach hinten, Putti symbolisieren die verschiedenen Wissenschaften. Ein Festsaal für die Buchkunst und die Wissenschaft.

Die Stiftskirche ist einer der wenigen Barockräume in der Schweiz. Verhalten, elegant, aus einem Guss. Ein weiter, hoher Raum. Die Sage um St. Gallus ist in verschiedenen Szenen abgebildet, die wie eine Theaterszene aus Stuck gearbeitet sind.

Die eigentliche Kirchenfassade mit den zwei Glockentürmen – wie dunkel die Glocke im Ton schlägt, als wir heraustreten – ist auf der Rückseite. Ein schöner Rücken kann auch entzü-cken. Zum Stadtplatz gelegen hätte der Spaziergänger bzw. die Stadt mehr von ihr, ist doch eine Kirchenfassade raumbildend.

Unser Weg führt durch die Altstadt, an einigen der 111 Erker vorbei. Gotik Barock, Jugendstil, die schönen Hausfassaden wechseln sind ab. Zunächst mit Leinen, dann mit Baumwolle, dann mit Spitzen ist die Stadt reich geworden, was in den Stadtbauten manifestiert ist. Mit der Wirtschaftskrise kam der Einbruch, geblieben ist das sehr harmonische Stadtbild von St. Gal-len. Die Innenstadt ist autofrei und so laufen wir mit hochgereckten Köpfen durch die Straßen und Gassen. Ruhig ist es im Zentrum, beschaulich. Wie wenn das Leben woanders stattfin-det. Uns gefällt es.

Am Abend lassen wir uns das ausgezeichnete Essen schmecken. Es sind gute Portionen, die wir uns heute verdient haben aufgrund der Anreise und des mäßigen Wetters. Die Teller sind leer – morgen wird es schön.

Mit dem Voralpen–Express nach Luzern

Und so ist es: Der Morgen beginnt um 4.15 Uhr mit schönstem Gezwitscher aus Schweizer Vogelkehlen. In Schwyzerdütsch freilich. Und als wir munter am reichhalten Frühstückstisch sitzen, scheint die Sonne.

Die lädt geradewegs ein, den einen oder anderen Weg von gestern noch einmal unter die Füße zu nehmen. Wie anders wirkt die Stadt heute: Sonnenschirme sind aufgespannt, Mütter mit Kindern und Menschen, die um 9 Uhr nichts Schöneres vorhaben, als einen Café Creme zu trinken, sitzen draußen. Und in der Stiftskirche ist schon Gottesdienst. Auch wir machen uns den heutigen Tag zum Geschenk.

Unsere Koffer werden mit einem Gepäckdienst nach Luzern gefahren und so machen wir uns leichtfüßig zum Bahnhof.

Von hier aus fährt der Voralpen-Express nach Luzern, zunächst über das höchste Eisen-bahnviadukt der Schweiz mit 90 Metern. Dann geht es durch das Appenzell nach Wattwil, weiter nach Rapperswil. Hier fahren wir über dem Seedamm auf die andere Seite des Zürich-sees nach Pfäffikon. Von hier steigt der Zug in die Höhe, überquert den Hirzel, wo Johanna Spyri, die Autorin von „Heidi“ geboren worden ist. Runter geht es zum Zuger See, entlang von Wiesen mit Kirschbäumen. Die tragen die berühmten Zuger Kirschen, die gleich genascht oder zu Kirschwasser verarbeitet werden, um die berühmte Zuger Kirschtorte zu veredeln. Wir träumen kurz von diesem kulinarischen Genuss, dann sind wir auch schon in Küssnacht i.R. Hier ist die berühmte Hohle Gasse, in der Wilhelm Tell den grausamen Landvogt Gessler mit seiner Armbrust erschossen hat.

Nun sind wir am Vierwaldstätter See. Und kurz darauf erreichen wir Luzern. Ein Erinnerungs-foto am Zug mit der Aufschrift „Voralpen-Express“, dann treffen wir auf unsere Stadtführerin Yvonne, die uns Luzern in den nächsten zwei Stunden zeigt. Zuerst die berühmte Kapellbrü-cke. Dass die meisten des Bilderschmucks einem Brand 1993 zum Opfer fielen, das bleibt ein Menetekel. Interessant ist, dass die Schweizer in einer Volksabstimmung 2014 dafür ge-stimmt haben, die Kopien der Bilder nicht aufzuhängen. Sie bleiben ehrlich.

Jede Ecke der Altstadt ist schön. Kornmarkt mit dem Haus der Pfisterer, der Bäcker, darunter die Lagerhalle für das Getreide, das mit dem Schiff angeliefert wurde. Auf dem Weinmarkt spielte man zu Ostern religiös Erbauliches. So gelangen wir zum Wehr und zur Spreuerbrü-cke, die im Aufbau mit der Kapellbrücke vergleichbar ist. Doch der Totentanz, der sich in Bil-dergeschichten darüber hinweg zieht, ist von großer Erzählfreude. Der Fischer wird vom To-tengebeinli mit dem Netz gefangen. Der Gärtner, der Mönch, der König, das Kind und viele andere können dem Tod nicht entkommen. Und so gehen wir darunter hinweg, in Gedanken mit dem Gezeigten beschäftigt, und freuen uns am Leben und gerade an selbigem jetzt in Luzern.

Das Wehr ist eine technische Meisterleistung. Zum einen liefert es Strom, doch das Beson-dere ist das Wehr an sich, das nun leider nicht in seiner Funktion zu sehen, ist, da man die Sparren aufgrund der Wassermassen, gespeist durch Regen und tauenden Schnee aus den Bergen, herausgenommen hat. So fließt nun die Reuss reißend dahin. Wir stemmen uns mit unseren Schritten dagegen und landen vor der Jesuitenkirche, einem der seltenen Barock-bauten in der Schweiz. So haben wir zwei der wenigen Barockbauten schon in den ersten beiden Tagen unserer Reise gesehen: gestern die Stiftskirche in St. Gallen, heute die Jesui-tenkirche. Auch sie, wie jene in St. Gallen, von süddeutschen Stuckateuren aufs Schönste verziert. Die Schweizer sind bodenständig. Das Leichte, die Rocaillen, die Verzierungen, mu-sikspielende Putti, das lag ihnen nicht. Doch haben sie auch nicht darauf verzichten wollen, und so kamen die Handwerker aus Süddeutschland und hinterließen zwei Kirchenbauten, die in der Schweiz ihresgleichen suchen. Das Kirchenschiff ist hell, verhalten in seinem Schmuck, elegant.

Die Tour endet am Hotel, die Koffer sind schon da, wir können unsere Zimmer beziehen und dann ist Freizeit angesagt. Die einen gehen den Stadtrundgang in Ruhe noch einmal ab, die anderen besteigen die Stadtmauer und die Türme, man bummelt, sitzt im Café oder fährt auf die Dachterrasse des Konzerthauses und nimmt den See, die Rigi und die Stadt von hier aus in den Blick.

85.000 Einwohner hat Luzern, gerade 5.000 mehr als St. Gallen, doch die Stadt pulsiert. Nicht nur durch die vielen Touristen, die auch aus Indien gekommen sind, um sich Luzern und das Jungfraujoch anzusehen, auch die Bewohner sind auf den Beinen, Busse und Autos unter-wegs, eine lebendige Stadt.

Mit dem Golden Pass über Interlaken nach Lausanne

Das Hotel liegt gerade gegenüber vom Bahnhof, so dass wir nur die Straße überqueren müs-sen. Von Gleis 13 fährt unser Zug ab, es geht nach Interlaken. Ein Wagon und so viele Rei-sefreudige? Der Schaffner gibt Entwarnung, es kommen noch sieben Wagen und unsere reservierten Plätze sind genau hier, wo wir stehen. Ob er noch was zur Strecke sagen könn-te? Oh ja, gestenreich erklärt er die Schönheiten der Strecke und springt ins Abteil, um die zwei letzten unserer Plätze von links auf rechts zu verlegen wegen der besseren Sicht. Wie liebenswürdig.

Die Wagenreihung steht. Einsteigen bitte. Der Pilatus verhüllt sein Haupt zum Abschied. Nicht schlimm, wir werden so viele markante Berggipfel sehen, dass wir um 18.10 Uhr Lausanne voller Eindrücke erreichen werden.

Zunächst geht es am Vierwaldstätter See entlang, an Sarnen vorbei. Hier sind die Seen randvoll mit Wasser gefüllt, die Wasserfälle stürzen nach unten. Der Regen und der zuletzt gefallene Schnee füllen alle Reservoirs. Der Gießbach stürzt über 400 Meter in die Tiefe.

Brüning-Hasliberg mit 1001 m ü.M. ist der höchste Punkt der Strecke. Nun geht es runter ins Tal und entlang des Brienzer Sees, dessen Wasser eine wunderbare Farbe hat. Auf der an-deren Seite fällt das Ufer steil ins Wasser und dennoch steht dort ein Hotel, das berühmte Grandhotel Gießbach, mit tollem Blick auf das Brienzer Rothorn.

Wir erreichen Interlaken-Ost und haben hier zwei Stunden Aufenthalt. Die einen laufen ra-schen Schritts die Aare entlang in die hübsche Altstadt, die anderen legen eine Mittagspause ein. Die Gleitschirme schlagen ihre Bögen durch und Luft und fallen wie bunte Seifenblasen vom Himmel. Punktgenau und stehenden Fußes landen sie auf der Wiese, der Höhematte. Von einer der gegenüberliegenden Hotelterrassen kann man das Schauspiel genießen. Und dahinter die Jungfrau. Ja, tatsächlich, der Gipfel wolkenfrei und blendendweiß. Nicht zu fas-sen, was für ein Glück.

Um 14 Uhr besteigen wir den Zug namens Golden Pass, der uns über Gstaad nach Mon-treux bringt. Erst bestaunen wir die Jungfrau zur linken, der Thuner See mit seinem edelstein-farbenen Wasser zur rechten Seite. In Spiez steigt keiner mehr zu, wir können uns im Abteil verteilen, bietet uns die Schaffnerin an. So pendeln wir von einer Seite zur anderen, wo es gerade am schönsten ist.

Üppig blühende Wiesen, Höfe, Häuser, Schober, Wasserfälle, eigenwillige Gipfelformationen und darüber spannt sich der blaue Himmel.

In Zweisimmen machen wir Halt, denn hier passiert ein technisches Wunder: Die Bahn ver-kleinert ihre Spurbreite während sie fährt. Doch dazu müssen im Stehen erst die Vorbereitun-gen dazu getroffen werden. Die Männer befragen den Rangeur, der geduldig die Fragen be-antwortet und mit seinen Fingern die technischen Finessen untermauert. Sogleich werden im Abteil die Tablets gezückt, um den weiteren Hinweisen der Schaffnerin nachzugehen. Und siehe da – während wir nun behutsam weiterfahren, sehen wir auf dem Bildschirm, was sich unter uns vollzieht: die Radbreite verengt sich und wird justiert. Großartig!

Die nächste Station ist Gstaad, neben St. Moritz der Ort des Jetsets. Ruhig und um so vieles schöner als St. Moritz. Hermes & Co. sind zu sehen, der Zug überquert geradewegs in eini-ger Höhe die Einkaufsstraße.

Dann folgt ein Bergpanorama, von dem wir unseren Blick nicht wenden können. Weiße mar-kante Gipfel, darunter grüne Matten, Häuser im Schweizer Stil. Das hatten wir doch schon, wendet der aufmerksame Leser ein. Ja, doch nun sieht es wieder anders aus. Und ist so schön.

Der tüchtige Zug windet sich in Kehren mal links, mal rechts rum, schenkt uns neue Blicke und so langsam wird der eine und die andere ein wenig schläfrig. Doch da taucht der Genfer See unter uns auf. Die Ortschaften ändern ihr Aussehen: Steinhäuser mit Balkonen, ein we-nig französisch anmutend.

Wir sind noch ein ganzes Stück in der Höhe, queren nun Weinberge, schafft er das, die An-kunftszeit zu halten? Er schafft es, unser tüchtiger Zug, Zehn Minuten später hält er in Mon-treux, Etappenziel erreicht. Wir steigen um, die Rolltreppen auf die Bahnsteige sind sehr an-genehm. Gleis 1, weiter nach Lausanne in einem Regionalzug, in dem wir mit Menschen sit-zen, die heute gearbeitet und anderes gesehen haben als wir.

In Lausanne geht es in entgegengesetzter Richtung zum See zum Hotel. Die Koffer sind auf dem Zimmer, hören wir an der Rezeption. Das freut uns sehr, denn der Tag war lang. Die Kof-fer sind tatsächlich auf dem Zimmer und zwar im Zimmer der Reiseleiterin. Das Missver-ständnis macht schnell die Runde. Eine Kofferschlange wird gebildet, alle Koffer stehen flugs auf dem Flur und finden ihre Besitzer.

Nun aber hurtig zum Abendessen. Der Tag war sehr schön, die Gruppe hat sich gefunden und nun freuen wir uns auf weitere erlebnisreiche Tage.

Durch das Rhonetal nach Zermatt

Am Vormittag lernen wir Lausanne kennen. Wir nehmen mit Irene, unserer Gästeführerin, die Metro, die fahrerlos fährt. Alle vier Minuten kommt sie, öffnet ihre fünf Türen und gleitet durch die Stadt. Erst seit 2008 fährt sie, führerlos. Eine direkte Abstimmung unter der Bevölkerung hat ungeachtet der Kosten diese zwei Linien ermöglicht..

Die Kathedrale ist beeindruckend. Im romanischen Stil begonnen, in der Gotik abgeschlos-sen, wunderbar klar und stilrein. Die Ostpforte mit den 12 Propheten ist wunderschön. Die Farbfassung wurde abgeschrubbt, denn nicht durch künstlerische Ansprache, sondern allein durch das Wort Gottes sollten die Gläubigen erreicht werden. Den Propheten konnte das nichts anhaben. Ihr individueller Gesichtsausdruck spricht uns auch heute noch an.

Draußen vor dem Westtor haben wir von der großen Terrasse einen Ausblick auf Lausanne. Das erste Hochhaus der Schweiz ragt in den Himmel. Auf drei Hügeln gebaut, geht es in die-ser Stadt nur nach oben oder unten. Interessant ist, dass es keine Ober- und Unterstadt gibt, kein Zentrum am See, keine Promenade, die den Kathedralhügel mit dem See verbindet.

Den Marktplatz erreichen wir gerade, als ein Glockenspiel zur vollen Stunde erklingt und sich Soldaten, Bürger und Tanzende zeigen. Die Waadtländer Geschichte zieht hier in Auszügen an uns vorbei. Wir laufen weiter, unter den Bögen des Rathauses hindurch, beschauen ein neues Stadtquartier von einer Fußgängerbrücke aus und erreichen wieder unser Hotel.

Von hier aus laufen wir zum Bahnhof und nehmen den Zug nach Visp, über Montreux, entlang der Rhone und unzähligen Weinbergen. In Raron grüßt die Kirche vom Hang. Hier liegt Rai-ner Maria Rilke begraben, 1926 in Montreux gestorben.

Der Zug, der uns nach Zermatt bringt, hat riesige Fenster. Die Fahrt ist spektakulär und ent-hält alle Besonderheiten einer Schweizer Zugfahrt: Es gibt nur Kurven, auf der Strecke wird die Zahnstange „montiert“, wir passieren Wasserfälle, einen imposanten Bergsturz, der 1983 Zugstrecke und Straße verschüttet hat und immer noch beeindruckend ist in seiner Gewal-tigkeit. Der halbe Berg ist heruntergestürzt. Und wir fahren durch Tunnel und Galerien.

Eine Stunde großes Landschaftskino. Zermatt nimmt uns in Empfang und wir laufen durch die fahnengeschmückte Einkaufsstraße, entlang des Bergsteigerfriedhofs zu unserem Hotel. Hier werden wir von der jungen Inhaberin herzlich willkommen geheißen. In dritter Generation wird das Hotel geführt und die vierte steht schon bereit. Man merkt, dass die Inhaber selbst die Verantwortung für ihr Haus tragen. Die Zimmer sind behaglich und komfortabel, allzu ger-ne bleiben wir hier für die nächsten zwei Nächte.

Fahrt aufs Gornergrat

Das Bergfest unserer Reise feiern wir heute mit Freizeit. Die Gäste folgen dem Ruf des Ber-ges und fahren mit der Zahnradbahn auf das Gornergrat. Zunächst verschieben wir die Fahrt um zwei Stunden und es lohnt sich. Als mir mittags oben sind, scheint die Sonne – zaghaft, doch wir werden Schatten. Für unsere Mützen sind wir dennoch dankbar. Die Fahrt an sich ist schon ein Schauspiel, steil nach oben, Kehren links und rechts, ab der Baumgrenze zieht Nebel auf und taucht die Landschaft in eine gespenstische Atmosphäre. Dann kommen wir in den Schnee und in die Sonne und sehen ein Murmeltier weghoppeln.

Nach 45 Minuten Fahrt sind wir oben, mit Blick auf den Gornergletscher, der mit dem Mon-terosagletscher gerade unter uns zusammentrifft. Schön gestaltete Tafeln informieren über den Bau der Gornergratbahn und eine Ausstellung setzt das Matterhorn in Szene. Das sehen wir zwar an diesem Tag immer noch nicht, dafür viel anderes Schönes und Interessantes.

Die Rückfahrt unternimmt jeder für selbständig. Alle 24 Minuten geht die Bahn. Unten ange-kommen, lockt das Zermattmuseum, der Ort selbst und das Fest der Bergführer an der Kir-che. Dem Kirchturm hat man dafür mal eine andere Funktion zugedacht, als die Glocke zu schlagen und Landmarke für das Gotteshaus zu sein. Zusatznutzen wird ja heute großge-schrieben und so kann man sich von oben abseilen und die Schlange zeigt, wie attraktiv das ist.

Jeder kommt mit seinen heute gemachten Eindrücken zum Abendessen.

Mit dem Glacier Express nach St. Moritz

Ein Sonnentag, ein Sonntag. Der Himmel blau, die weißen Berghänge strahlend weiß. Doch wer versteckt sich vor unseren Blicken wie eine schamhafte Jungfrau? Immerhin sehen wir vom Matterhorn die untere Hälfte und die obere. Jedoch leider nicht zusammen. Schleiertanz mit Wolken. Wir lassen diesen Berg hinter uns, es gibt noch so viele andere zu sehen.

Heute geht es auf große Fahrt. Der Glacier Express fährt uns von Zermatt nach St. Moritz, über 291 Brücken und Viadukte und durch 90 Tunnel. 7,5 Stunden dauert der Genuss. Und so geht es zunächst die uns bekannte Strecke nach Brig zurück, ins Rhonetal. Dann biegen wir gen Osten ab und fahren durch das Goms. Hier in Niederwald ist César Ritz geboren, der die Schule nicht abschließen konnte, sein Glück außerhalb der engen Heimat gesucht und sich als erfolgreicher Hotelier einen Namen gemacht hat.

Nun gibt es Mittagessen und es ist beeindruckend, wie die jungen Servicekräfte die großen Schüsseln auf einer Hand halten, um mit der anderen aufzutun und dabei das Geschaukel der Bahn unentwegt ausgleichen. Wenn wir den Gang entlang gehen, müssen wir uns an den Sitzgriffen festhalten. Und diese aus vielen Ländern kommenden Menschen laufen die vielen Wagons von der Küche bis zu uns, um Getränke zu bringen, vorzulegen, wiederzukommen, nachzufragen. Es ist ihr Job, heißt es dann. Doch die Frage ist, wie man den Job erledigt. Ich bin sehr angetan.

Es geht unter dem Furkapass hindurch. Anstatt wie die Autos oben drüber zu fahren, wurde 1982 ein über 15 km langer Tunnel gelegt, so dass der Glacier Express ganzjährig fahren kann. Wir gelangen nach Andermatt, ein Kreuzungspunkt zweier Bahnstrecken. Übermorgen kommen wir hier noch einmal vorbei, allerdings fahren wir unten durch, durch den Gotthard-tunnel.
Der Ort wird weiter ausgebaut mit Bettenburgen, doch schön ist er nicht und so klettern wir den Hang hinauf, auf den Oberalppass: Mit mehr als 2.030 Metern ist er der höchste Punkt unserer Reise. Was Ende März auf der Reise noch Skigebiet war, ist nun grün und frühlings-schön.

Durch Galerien, entlang eines Sees, aus dem gerade Taucher steigen, geht es nach Disentis. Oberhalb des Bahnhofs aus Jugendstilzeiten steht das Kloster. Das nächste Highlight ist das Rheintal, das vor knapp 10000 Jahren entstanden ist durch den Flimser Bergsturz, den größ-ten nacheiszeitlichen Bergsturz der Alpen. 25 Millionen Tonnen Kalkstein und die Wasserkraft haben diese imposante Schlucht gebildet, durch die der Zug sein 1903 fährt. Mehr als die Bahngleise haben hier auch nicht Platz. Die Autos fahren eine andere Strecke.

In Chur verlieren wir leider unsere „Pole-Position“ am Ende des Zugs mit Fenster nach hin-ten. Das wäre für das Landwasserviadukt zu schön gewesen. Nun fahren wir an der Spitze. Der Lokführer ist uns freundlich gesonnen und fährt langsam über das Viadukt. Doch es ist tricky mit den Fotos. Denn der Zug schwenkt aus einer Linkskurve, aus der heraus man nichts sieht, rechts auf das Viadukt und verschwindet im Tunnel. Das Viadukt schein an den Tunnel geklebt zu sein. Ingenieurskunst auf höchstem Niveau.

Weiter geht es über Schlaufen den Berg hinauf. Wo wir gerade noch unten gefahren sind, sind wir kurze Zeit später schon oben am Hang und schauen hinunter. Wie ein Kreisel zieht der schöne rote Zug seine Bahnen.

Und dann sind wir in St. Moritz. Die Sonne scheint auch hier, ein Wind geht. Die himmels-leiterlange Rolltreppe geht leider nicht wegen Wartungsarbeiten. So machen wir uns zu Fuß in die Stadt und zu unserem Hotel. Es ist nichts los, manche Schaufenster haben noch keine Auslagen, da das kaufkräftige Publikum fehlt. Ein Ort in Wartestellung.

Der See mit dem umkränzenden dunkelgrünen Nadelwald und darüber die Schneegipfel im Sonnenlicht. Es sieht aus wie eine Tiara, die sich die Natur selbst aufgesetzt hat.

Zum Abendessen gibt es Bündner Gerstensuppe, Pizokels, eine Mischung zwischen Spätzle und Gnochi und eine Schwarzwälder Schnitte. Nach diesem schmackhaften regionalen Es-sen müssen wir doch noch mal raus, uns die Beine vertreten. Und der lange Sommertag, an dem es nicht dunkel werden möchte, lädt auch dazu ein.

Mit dem Bernina Express über Tirano nach Lugano

Wir verlassen den Ort, an dem andere Menschen sich so wohl fühlen.
Uns geht es schon so gut, - auch ohne Jetset-Image - die Sonne strahlt, die Berge strahlen und so besteigen wir den Bernina Express nach Tirano.

Es geht durch Pontresina zu unserem ersten Highlight, dem Morteratschgletscher. Der Glet-scher, den man vom Zug aus sehen kann, ohne auf einen Berg zu steigen. Er ist unglaublich schön, ganz weiß, auch die Berge sind in gleißendes Weiß gekleidet und das Lärchengrün im Vordergrund gibt den Kontrast. Doch auch im Vorbeifahren erkennt man an den Berghängen, wie der Gletscher geschmolzen ist. Seit 1900 ist er etwa 2500 Meter kürzer.

Nun zieht der Zug an, es geht steil bergan zum Berninapass auf 2235 Meter Höhe. Rechts liegen drei Seen, die nach Norden oder Süden abfließen, so dass hier oben eine Wasser-scheide ist. Das Wetter ist göttlich, die Landschaft magisch. Wie kann es auf einem Flecken wie der Schweiz so viel Schönes geben? Auf der Alp Grüm steigen wir aus – 10 Minuten Zeit, um die Berge in Ruhe in den Fokus zu nehmen und doch viel zu wenig Zeit. Nun geht es bergab durch den Wald nach Poschiavo. Die breiten Patrizierhäuser, für die der Ort bekannt ist, erkennt man schon von weitem. Die Bahn fährt auf der alten Fahrstraße dicht am See weiter. Dann warten wir mit Spannung auf den Brusio-Kreisel, auf dem sich die Bahn einmal „um sich selbst“ dreht, um hier Höhe zu verlieren bzw. entgegengesetzt zu gewinnen.

Nach mehr als zwei Stunden fährt die Bahn in Tirano ein und aus den Wagons purzeln die Gäste, die sich wie benommen fragen, was sie gerade alles gesehen haben. Wie gut, dass wir nun mehr als zwei Stunden Pause haben, bevor es mit dem Bus nach Lugano weitergeht. Das Informationsbüro dem Bahnhof gegenüber hat offen und die Stadtpläne sind eine große Hilfe. Dort ist ein Weg durch die Altstadt eingezeichnet, vorbei an Kirchen und Palazzi aus dem 17. und 18. Jahrhundert. Der Ort war einmal sehr wohlhabend, am Weg der Passstraße in die Schweiz, davon zeugen die Gebäude und Tore. Ein alter, ruhiger Ort. Man sitzt draußen auf der Piazza oder im Innenhof, unterhält sich angeregt und lässt sich ein Mittagessen mun-den - auch mit einem Glas Wein.

Die Zeit geht im Nu vorbei, wir treffen uns alle wieder und besteigen nun den Bus – gebrandet als Bernina Express. Renato, unser Busfahrer, fährt sehr versiert, gerade die schmale Straße entlang des Comer Sees verlangt ihm einiges ab. Die Informationen, die wir über Handy oder Tablet hören können, sind sehr interessant. Was ist das Veltlin für eine fruchtbare und land-schaftlich schöne Gegend. Ein neuer Reiseanlass.

Um 17.30 Uhr erreichen wir Lugano, nehmen die Standseilbahn in die Altstadt und finden un-seren Weg zum Hotel. Das Abendessen mit Lasagne und Schweineschnitzel ist sehr reich und auf die Frage, ob die Deutschen dafür bekannt sind, viel zu essen, antwortet die freundli-che Serviererin, dass die Schwedin sehr viel essen würden – ohne zu sagen, sie essen mehr.

Es ist ein wunderbarer Sommerabend und so vertreten wir uns noch die Beine und gehen an den Lago Maggiore. In der Parkanlage entlang der Promenade wachsen die unterschiedlichs-ten Bäume, einem Arboretum ähnlich.

So vergeht der vorletzte Reisetag in der Schweiz wieder mit großem Staunen. Der Tag mor-gen verspricht ein großartiger Abschluss zu werden. Die Wettervorhersage stimmt jedenfalls schon einmal.

Mit dem Gotthard Express und dem Schaufelraddampfer nach Zürich

Der Weg zum Bahnhof ist ein anderer als gestern und führt uns ein Stück durch die Altstadt. Die Häuser stehen eng, die Laubengänge geben Schatten jetzt im Sommer und schützen bei Regen. Das Gassengewirr lädt zum Bummeln ein, doch auf uns wartet die letzte große Fahrt mit dem Gotthard Express.

Schon auf dem Bahnsteig lernen wir Reinhard kennen, unseren Reisebetreuer, der aus-schließlich für uns da ist. Auch die erste Klasse gehört uns allein, so dass jeder einen Fens-terplatz hat. Reinhard gibt launige und gute Erklärungen zu den landschaftlichen Besonder-heiten der Strecke und bringt uns häufig zum Lachen. Seine Hinweisen, dass auf der linken oder rechten Seite neue Fotomotive auftauchen, lässt uns in den nächsten Wagen springen, hier können wir die Fenster runterziehen.

Das Wetter ist herrlich und wir erreichen in bester Stimmung Flüelen am Vierwaldtstätter See. Wir steigen aus, laufen drei Schritte und sind am Schiffsanleger. Der Schaufelraddampfer nähert sich breit im Wasser liegend den wartenden Gästen. Auf der „Schiller“ reisen wir nun mit zahlreichen Erklärungen zur Geschichte von Wilhelm Tell gen Luzern, vorbei an der Tellskapelle, der Rütliwiese und dem Schillerstein. Brunnen, Vitznau und Weggis sind wun-derschön gelegene Orte und laden zur Sommerfrische ein. Sonnenliegen im Rasen, aufge-spannte Sonnenschirme, Mutige, die schon im Wasser sind – eine Bilderbuchidylle.

In Luzern haben wir Aufenthalt, bevor es weitergeht. Wir fahren zum Löwendenkmal mit unse-rem famosen Swiss Travel Pass, mit dem wir alle Verkehrsmittel heute noch benutzen kön-nen. Der sterbende Löwe liegt in der Sommersonne und schaut mehr friedlich als leidend.

Der Zug bringt uns geschwind nach Zürich. Wir laufen durch das szenige Viertel der Lang-gasse zum Hotel Joseph, wo man erstaunt zur Kenntnis nimmt, dass wir da sind. Kein Zim-mer frei - so stand es schon in der Bibel. Und es stellt sich heraus, dass wir im Hotel St. Jo-sef unterkommen. Man erwartet uns dort und unsere Koffer sind auch schon da, wie sich beim Telefonat herausstellt.

So ziehen wir weiter, ein wenig geschwächt von dem heutigen schönen Tag mit schwülwar-men Temperaturen. St. Josef nimmt uns herzlich auf, die Koffer stehen auch schon auf den Zimmern. Wie angenehm.

Zwei große Tische sind im Hof für uns gedeckt, unter einer großen Markise. Das verspricht einen schönen Abschluss der Reise und des heutigen Tages, der noch ein bisschen aufre-gend wurde. Es gibt Zürcher Geschnetzeltes mit Rösti und schmeckt ausgezeichnet.

Der warme Sommerabend lockt den einen oder anderen noch mal raus und dann ins Bett.

Heimreise

Nach dem Frühstück nehmen wir Abschied. Anhand einer topographischen Karte der Schweiz verfolgen wir noch einmal unsere Reiseroute der vergangenen Tage. Eine wirkliche Grand Tour – wenn man sich nochmal die Strecken vor Augen führt. Von Zermatt nach St. Moritz sind wir fast von einem Ende der Schweiz zum anderen gefahren. Haben wir etwas ausgelassen? Auf dem ersten Blick scheint das nicht der Fall zu sein.

Das Hotel bietet Karten für den Zoo und das Kunsthaus an, was einige gerne in Anspruch nehmen. Der Zürichsee wird besucht, das Niederdorf, die Altstadt, durchmessen.

Wie wir gekommen sind, fahren wir nach Hause: mit dem Zug, dem Auto, dem Flugzeug. Und doch sind wir einiges reicher als zuvor: an Eindrücken, Fotos, Erlebnissen.

Schlusswort

Liebe Gäste,

es waren leichte und heitere Tage mit Euch.

Eure Begeisterungsfähigkeit und Euer Interesse an all dem, was diese außergewöhnliche Reise uns geboten hat, haben die Tage auf leichten Händen getragen. Ihr habt alles mit Freude wahrgenommen und auch ausgedrückt, was zu einer richtig guten Gruppenstimmung ge-führt hat.

Ich wünsche Euch alles Gute, Gesundheit und schöne Reiseerinnerungen und freue mich, wenn es ein Wiedersehen geben sollte auf einer anderen Reise,
Eure Vivian

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