Reisebericht: Rundreise Spaniens Atlantikküste vom Baskenland nach Galizien

28.06. – 09.07.2021, 12 Tage Rundreise Bilbao – San Sebastian – Atlantikküste– Santander – Altamira–Höhle – Jakobsweg – Picos de Europa – Oviedo – Santiago de Compostela – Porto


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Spanien ist nicht nur Badeurlaub, Stierkampf und Paella - und vor allem ist Spanien nicht nur ein Land - Spanien, das sind 17 Regionen - 17 Mal ganz unterschiedlich. Wir entdecken auf dieser Reise zusammen den untypischen Norden der iberischen Halbinsel.
Ein Reisebericht von
Sinah Witzig
Sinah Witzig

28.06.2021 Tag 1 Anreise

Das Reisen zu Pandemiezeiten ist vieles: nach langer Zeit wieder unbedingt nötig, spannend, aufregend und vor allem unberechenbar - trotz aller Widrigkeiten und mit einer Planänderung kurz vor Reiseantritt haben sich 19 Reisegäste und eine 15 Monate lang auftragslose Reiseleiterin doch schließlich auf den Weg gemacht. Aus allen Ecken Deutschlands, über München und Frankfurt, landen wir schließlich alle in der Hauptstadt des Baskenlandes, Bilbao - oder Bilbo, wie man hier sagt.„Ongi etorri" - herzlich Willkommen. Das País Vasco, ist gleich eine der Regionen, die am wenigsten zu tun haben mit dem Spanien, das wir aus sämtlichen Reiseprospekten kennen. Die grüne, hügelige Landschaft erinnert eher an die Nordschweiz und zusätzlich zum kastilischen Spanisch spricht man hier Euskera, eine isolierte Sprache, die mit keiner anderen in Europa verwandt ist. Das Baskenland hat jahrhundertelange Konflikte um Eigenständigkeit und Unterdrückung hinter sich - heute eine der reichsten und meistbevölkerten Regionen Spaniens, genoss das ehemalige Fürstentum im Mittelalter und in der frühen Neuzeit besondere finanzielle und rechtliche Privilegien. Diese wurden unter der Herrschaft der Bourbonen ab dem 18. Jahrhundert beschränkt und nach dem spanischen Bürgerkrieg vollkommen abgeschafft. Nicht zuletzt wurden auch die baskische Sprache sowie sämtliche kulturellen Eigenheiten durch General Franco verboten - und somit Nährboden für den bewaffneten Widerstand geschaffen. Bis ins Jahr 2011 kämpfte die ETA unter immer größerem Protest der Bevölkerung für ein unabhängiges Baskenland. Der Wunsch nach Unabhängigkeit bleibt bis heute bei vielen bestehen, die Gewalt ist jedoch zum Glück Geschichte.Bei einem ersten kleinen Spaziergang verschaffen sich alle Reiselustigen einen ersten Eindruck von Bilbao und später bei einem gemeinsamen Willkommensumtrunk auch vom Rest der neugierigen Reisegruppe. Gemeinsam wird im Hotel zu Abend gegessen und man freut sich auf die kommenden Tage.

29.06.2021 Tag 2 Bilbao

Natürlich beginnt das gemeinsame Programm mit einer ausführlichen Stadtrundfahrt durch die baskische Hauptstadt. Reiseleiterin Cristina holt uns morgens in unserem Hotel ab und wir fahren erst einmal zum Hafen - denn dieser war es, der Bilbao einst wichtig und reich gemacht hat. Bis in die 1960er Jahre wurde vor allem Eisenerz und Kohle verschifft, das Stadtbild war geprägt von Werfen und Fabrikgebäuden. Dann kam die Wirtschaftskrise und die Stadtbewohner mussten sich neu erfinden um der Arbeitslosigkeit zu entkommen. Man setzte auf Kultur, Bildung und Tourismus, pokerte hoch und gewann schlussendlich. Aber bis dahin war es ein langer Weg.Im ehemaligen Vorort Getxo können wir uns ein Bild machen vom ehemaligen Reichtum der Großindustriellen. Nach dem Vorbild englischer Landhäuser ließen sie sich im 18. und 19. Jahrhundert nahe der Bucht von Bizkaya ihre Villen bauen.Vom Erfindergeist der Basken zeugt ebenfalls die Puente Colgante, die weltweit erste Eisenhochbrücke mit Schwebefähre, die im Jahr 1893 von Alberto Palacio, einem Schüler Gustave Eiffels, und Ferdinand Arnodin fertiggestellt wurde. So konnte man erstmals die Ría de Bilbao ohne Boot kreuzen und schränkte trotzdem nicht den Schiffverkehr ein, der auf dem Fluss Nevión bis in die Stadt hinein betrieben wurde.Den ehemaligen Weg der Schiffe verfolgen wir nun auch mit dem Bus, circa 15 Kilometer dem Flusslauf folgend, bis zum alten Zollhaus in der Innenstadt. Unterwegs können wir uns überzeugen von den fortlaufenden Veränderungen, die sich heute noch immer in der Stadt vollziehen: verlassene und zerfallende Industriegebäude weichen neuen, modernen Wohnkomplexen und Kultureinrichtungen. Schließlich erreichen wir die Altstadt, auch Siete Calles genannt, wo wir zunächst einen kleinen Stopp in der Markthalle einlegen und dann unsere Erkundungen zu Fuß fortsetzen. Vor der Kathedrale landen wir zum ersten Mal auf der Reise ganz unbedarft auf dem Jakobsweg - ein Umstand, der uns für den Rest der Reise begleiten wird, doch dazu später mehr.Wir erfahren von den zahlreichen Hochwasserkatastrophen, die die Altstadt Bilbaos im Laufe der Zeit heimgesucht haben, spazieren weiter durch die engen Straßen und bewundern die Hausfassaden mit ihren bunten verglasten Erkern, den Miradores. Angekommen an der Plaza Nueva beantwortet uns Cristina noch eine ganze Menge Fragen zur baskischen Sprache, bevor es für alle eine wohlverdiente Mittagspause gibt.Am Nachmittag geht es dann weiter zum wohl bekanntesten Bauwerk der Stadt, dem Guggenheim Museum. Bilbao setzte 1991 mit der Investition in dieses kulturelle Großprojekt wortwörtlich alles auf eine Karte, denn während Kunst und Unterstützung aus New York kamen, musste die baskische Regierung die knapp 200 Millionen US-Dollar für Baukosten, Vertragsgebühren und Leihverträge selbst aufbringen. Für den Bau wurde von der Guggenheim Stiftung der amerikanische Architekt Frank. O Gehry ausgewählt, der mit seinen dekonstruktivistischen Gebäuden seit Ende der 1980er Jahre weltweit für Aufsehen sorgt. Doch schlussendlich wurde das gigantische Schiff aus Kalkstein und Titan zum neuen Aushängeschild der Stadt und das Museum schaffte es innerhalb der ersten drei Jahre die Investitionen zurück zu erwirtschaften. Dieses Phänomen touristischer Erschließung durch nur ein prägnantes Kulturprojekt war so einzigartig, dass es heute als Bilbao-Effekt bezeichnet wird.Auch wir sind fasziniert, vor allem durch die beeindruckende Architektur, die doch im Gesamten die beherbergte Kunst in den Schatten stellt. Wir lernen heute, dass zeitgenössische Kunst nicht unbedingt jedermanns Sache ist, sind uns später beim Pintxos-Essen in einem nahegelegenen Restaurant wieder einig, dass Bilbao kulinarisch gesehen auf jeden Fall sehr begabt ist. Die kleinen Häppchen, die traditionell auf Zahnstocher gespießt werden, sind aber auch einfach zu lecker.

30.06.2021 Tag 3 San Sebastián/Donostia

Wir verlassen die Provinz Bizkaya Richtung Osten und nähern uns der französischen Grenze, um das ehemals mondäne Seebad San Sebastián (oder auf Baskisch Donostia, was dasselbe bedeutet), zu besuchen. Die Stadt ist vor allem bekannt für ihre langen Sandstrände, der bekannteste davon in der Bucht La Concha, die zwischen den beiden Bergen Monte Urgull und Monte Igueldo liegt.Wir beginnen unseren gemeinsamen Spaziergang am Palacio Miramar, den sich María Cristina von Österreich, die Witwe des Königs Alfons XII. 1886 errichten ließ und die Stadt somit ganz offiziell zum königlichen Seebad machte. Es folgten luxuriöse Hotels, Kursäle und Casinos und keine 30 Jahre später war San Sebastián kulturelles und kosmopolitisches Zentrum für die europäische Elite. Davon zeugt beispielsweise das alte Casino, das heute als Rathaus dient. Auf der Plaza Cervantes begegnen wir noch zwei ganz berühmten Spaniern: Don Quijote und seinem treuen Gefolgsmann Sancho Panza. Da die Stadt im Laufe ihrer Geschichte mehrmals Opfer von Bränden wurde, ist die Altstadt zwar klein, dafür aber umso pittoresker. Zusammen besuchen wir die Plaza de la Constitución, bei der uns sofort auffällt, dass die Balkons aller umliegenden Häuser nummeriert sind. Erklären lässt sich auch dies wieder mit dem Unternehmergeist der Basken: als auf dem Platz noch Stierkämpfe stattgefunden haben, vermieteten die Hausbesitzer ihre Balkons als teure Logen, von wo aus es die beste und gleichzeitig sicherste Aussicht auf das Kampfgeschehen gab.Ein paar Schritte weiter stellen wir dann fest, dass die Stadt nicht umsonst einen erstklassigen Ruf in der Gastronomieszene genießt. Nirgendwo auf der Welt ist die Dichte der Michelin-ausgezeichneten Restaurants größer als hier und auch die kleinen Bars und Cafés, die die engen Gassen säumen, übertrumpfen sich gegenseitig mit ihren überbordenden Pintxos-Angeboten. Kulinarisches ist in Donostia auch in der Bevölkerung fest verankert: hier gibt es 119 Socidades Gastronomicas, private Kochclubs, die traditionell nur von Männern besucht werden. Man trifft sich ein bis zwei Mal im Monat um gemeinsam zu Kochen und sich auszutauschen. Scherzhaft wird erzählt, dass diese Art von Zusammenkunft von den Seemännern ins Leben gerufen wurden, die nach langer Abwesenheit von Zuhause nicht mehr an den Redebedarf ihrer Ehefrauen gewohnt waren und so Ausflucht suchten - wer weiß wie viel Wahrheit in dieser Geschichte steckt...Neben der Gelegenheit zu einem guten Mittagsimbiss bietet sich in der anschließenden Freizeit auch die Möglichkeit das Museum San Telmo zu besuchen oder den Monte Urgull zu besteigen und dort die Ruinen der alten Militärfestung zu besichtigen. All diejenigen, denen der Aufstieg bei den sommerlichen Temperaturen zu anstrengen erschienen war, freuen sich am Nachmittag umso mehr über die kleine Überraschung, die wir noch in Petto haben: mit der über hundert Jahre alten Standseilbahn fahren wir auf den Monte Igueldo und haben von dort eine ebenso herrliche Aussicht über San Sebastián und die weißen Strände der Bucht La Concha.

01.07.2021 Tag 4 Laredo – Santoña – Santander

Unsere Zeit im Baskenland neigt sich dem Ende zu und wir verlassen heute Bilbao Richtung Westen. Abgeholt werden wir von unserem Busfahrer Rafael, der für die nächsten Tag mit uns unterwegs sein wird und fahren in Richtung der Grenze zur Region Kantabrien. Ganz im Gegenteil zum bevölkerungsreichen Baskenland leben hier nur wenig Menschen, die meisten davon an dem schmalen Küstenstreifen, denn das Inland ist geprägt durch das kantabrische Gebirge, das sich im Ganzen fast 500 Kilometer durch den Norden Spaniens zieht.Unser erster Halt ist die Kleinstadt Laredo, die heute vor allem bei Spaniern als Badeort beliebt ist. Uns interessiert jedoch eher der kleine alte Ortskern, wo sich die romanische Kirche Santa María de la Asunción befindet. Diese wurde dem Dorf durch Alfons VIII. im 13. Jahrhundert gestiftet, nachdem viele Männer aus Laredo bei der erfolgreichen Rückeroberung Sevillas von der maurischen Besatzung mitgewirkt hatten. Die kleine Kirche ist ein wichtiger Punkt auf dem Jakobsweg, der entlang der Küste führt - somit eine gute Gelegenheit sich mit den verschiedenen Pilgerwegen in Richtung Santiago de Compostela auseinanderzusetzen, denn der bekannteste, der Camino Francès, ist bei Weitem nicht der einzige richtige Weg. So erkennen wir, dass wir auch in einer gewissen Weise Pilger sind, auch wenn wir nicht zu Fuß, per Rad oder zu Pferde unterwegs sind.Anschließend begeben wir uns zusammen zum Hafen, denn von hier aus starten wir zu einer Schifffahrt durch den maritimen Naturpark in der Bucht von Santoña. Schon vom Wasser aus sehen wir die Relikte der militärischen Vergangenheit Santoñas - strategisch gut gelegen war der Fischerort vor allem zu Zeiten der napoleonischen Kriege ein wichtiger Verteidigungspunkt. Heute lebt der Ort, neben dem Tourismus, immer noch von der Fischerei und der Verarbeitung der frischen Meeresfrüchte.Mit dem Bus geht unsere Reise weiter in die Hauptstadt Kantabriens, nach Santander. Schon zu römischen Zeiten war hier ein wichtiger Hafen, im Mittelalter wurde die Stadt Zentrum des Seehandels mit England und Flandern, in der Neuzeit dann im Kolonialhandel. Aufgrund des wirtschaftlichen Aufschwungs wurde 1857 die Banco de Santander gegründet, heute das größte Kreditinstitut Spaniens. Zu Beginn des 20. Jahrhunderts siedelten sich auch hier Reichtum und Adel an, um die Sommerfrische an der Küste zu verbringen.Nach einem verheerenden Brand 1941 musste sich die Stadt neu organisieren, trotzdem blieb der Hafen Hauptwirtschaftsschwerpunkt. Nach einem Spaziergang durch die Stadt beziehen wir unser Hotel in Strandnähe. Wer Lust hat besucht am Nachmittag noch die grüne Halbinsel La Magdalena, wo sich das Königshaus 1912 einen Sommerpalast errichten ließ.

02.07.2021 Tag 5 Santillana del Mar – Höhle von Altamira – Comillas – Picos de Europa

Nur unweit von Santander liegt ein weiterer wichtiger Ort auf dem Camino del Norte, der unter Pilgern scherzhaft „Ort der drei Lügen" genannt wird. Santillana del Mar, eigentlich der Heiligen Juliana gewidmet, sei weder heilig (santa) noch flach (llana) und es liegt auch tatsächlich nicht am Meer. Nichtsdestotrotz ist der kleine Ort mit seinen mittelalterlichen Steinhäusern ein wahrliches Freilichtmuseum und es macht Spaß durch die kleinen Gassen zu spazieren und an jeder Ecke neue Fotomotive zu entdecken - das einzige Manko, hier kann man noch den authentischen spanischen Fahrstil erleben und der Lieferverkehr am Vormittag lässt sich von deutschen Touristen so gar nicht beeindrucken.Unser nächstes Ziel ist nur wenige Minuten entfernt, entführt uns jedoch in die Altsteinzeit vor 20.000 Jahren. 1868 entdeckte der Heimatforscher Marcelino Sanz de Sautola in Altamira eine der ersten von mittlerweile 125 entdeckten, ausgemalten altsteinzeitlichen Höhlen in Spanien. Was man zunächst für eine Fälschung hielt, entpuppte sich Anfang des 20. Jahrhunderts als „Sixtinische Kapelle der Felsenmalerei", denn man fand auf einer Fläche von 5500m² über 930 Darstellungen von Tieren und Menschen, die mit Kohle und Erdfarben auf den Stein gemalt wurden. Nachdem die Höhle zum immer größeren Touristenmagneten wurde, musste man in den 1970er Jahren die Notbremse ziehen und den Zugang drastisch beschränken, damit das Kulturerbe nicht weiterhin unwiederbringlichen Schäden ausgesetzt würde. Man entschloss sich, eine originalgetreue Nachbildung anzufertigen, um der Öffentlichkeit wieder Zugang zu ermöglichen. Bei der Besichtigung sind wir beeindruckt von der 1.500m² großen „Ersatzhöhle" und sind der Überzeugung, dass wir den Unterschied vermutlich nicht bemerkt hätten, wenn wir nicht Bescheid gewusst hätten.Unser Kulturtag setzt sich unweit entfernt in Comillas fort. Der Ort war lange Zeit Sommersitz vieler Adeliger aus allen Teilen Spaniens und somit auch Zentrum von Reichtum, Macht und Kultur. Davon zeugen auf den ersten Blick vor allem der Sitz der Päpstlichen Universität, gegründet als jesuitisches Seminar für die Priesterausbildung und der Palacio del Sobrellano, Privatresidenz des Grafen von Comillas. Beide Gebäude entstanden unter der Leitung des Architekten Joan Matorell i Montells, einem der wichtigsten Begründer des Ende des 19. Jahrhunderts entstehenden Modernisme in Barcelona. So ist es auch nicht verwunderlich, dass das nächste, und heute bekannteste, Bauprojekt an einen Schüler Matorells ging, Antoni Gaudí i Cornet.Während man Gaudí heute vor allem mit Barcelona in Verbindung bringt, ist den wenigsten bekannt, dass dieser auch außerhalb Kataloniens gearbeitet hat. Das Privathaus für den Unternehmer Díaz de Quijano ist tatsächlich auch das erste vollendete Projekt Gaudís und weist noch sehr große Einflüsse des Estil Mudéjar, einer Mischung spanischer und maurischer Architektur, auf. Bei einer Führung bekommen wir die vielen besonderen Details des Hauses erklärt, bei denen sich der Architekt vor allem durch Natur, Licht und Musik hat beeinflussen lassen. Am meisten begeistern uns die Vertikalschiebefenster, welche beim Öffnen den Ton von Kirchenglocken imitieren und die Anordnung der Räume, sodass jeder von ihnen die perfekte Ausleuchtung für seine Funktion erhält.Am Nachmittag geht es für uns dann mit dem Bus weiter hinein ins Kantabrische Gebirge und schon bald haben wir den Nationalpark Picos de Europa erreicht. Die „Spitzen Europas" waren das, was die Seefahrer einst als erstes sehen konnten, wenn sie von ihren langen Fahrten zurückkamen. Auf engen Serpentinen schlängelt sich unser Bus langsam bergauf, während wir uns von Hape Kerkeling über seine Erfahrungen vom Jakobsweg erzählen lassen. Nach einer guten Stunde erreichen wir den Ort Arenas de Cabrales, der trotz aller Abgeschiedenheit in der Welt der Gourmets einen gewissen Bekanntheitsgrad genießt. Seit Jahrhunderten wird hier in mühevoller Handarbeit der Cabrales Käse Hauptsächlich aus Schaf- und Ziegenmilch hergestellt, der anschließend in den umliegenden Berghöhlen reift. In der Käserei El Cabriteru dürfen wir nicht nur alle Schafe und Ziegen persönlich kennenlernen und eine Menge über sie erfahren, sondern natürlich auch die prämierten Blauschimmelkäse verkosten. Dazu serviert uns Juanjo den typischen Apfelwein, den Sidra, der im höchstmöglichen Bogen in die Gläser eingeschenkt werden soll, um den perfekten Geschmack zu entfalten. Wir sind uns zwar nicht sicher, wie nötig das wirklich ist, aber ein Schauspiel ist es allemal.Zur Übernachtung fahren wir wieder Richtung Küste, wo uns in Ribadesella ein Hotel direkt am Strand mit einem wunderschönen Ausblick vom Restaurant im Wintergarten erwartet.

03.07.2021Tag 6 Covadonga – Lagos de Covadonga – Oviedo

Das schöne Hotel am Meer müssen wir leider nach einer Nacht schon wieder verlassen, dafür geht es noch einmal zurück in den Nationalpark Picos de Europa, genauer gesagt nach Covadonga. Der Wallfahrtsort mitten in den Bergen ist schon seit Jahrhunderten wichtiger Anlaufpunkt der Jakobspilger auf dem Camino del Norte. Hier soll es zudem gewesen sein, wo der Gotenfürst Pelayo sich 722 erfolgreich gegen die maurischen Besatzer aufgelehnt hat und somit den Anfang der Reconquista, sowie das Königreich Asturien begründete. Wie sich die Begebenheit tatsächlich zugetragen hat, das kann heute keiner mehr nachvollziehen, sicher ist nur, dass sich die christliche und die maurische Version der Geschichte doch deutlich voneinander unterscheiden. Wie auch immer die Wahrheit gewesen sein mag, die wundertätige Jungfrauendarstellung wird auch von uns begutachtet, genauso wie die zugehörige neuromanische Kirche, die im 19. Jahrhundert aufgrund des erhöhten Pilgeraufkommens erbaut wurde.Das eigentliche Highlight folgt allerdings noch: im Kleinbus fahren wir die Serpentinenstraßen weiter hinauf bis auf 1.100 Meter. Dort, mitten im Nationalpark, liegen, getrennt durch einen kleinen Berg, pittoresk die beiden Seen Enol und Ercina, die durch Gletscherauswaschungen in der letzten Eiszeit entstanden sind. Nach einem kurzen Aufstieg können wir vom Mirador Entre Lagos aus einen herrlichen Panoramablick auf beide Seen und die umliegenden Berge genießen. Die Wolken hängen zwar tief, jedoch genau hoch genug, dass unsere Aussicht nicht gestört wird. Nach einer kleinen Stärkung auf der Berghütte geht es dann gerade zum richtigen Augenblick wieder bergab, denn nun befinden wir uns zeitweilig wortwörtlich „über den Wolken". Als zusätzliche Schikane gibt es auch, gleich wie bei der Auffahrt, wieder einen tierischen Stau - die Kühe und Schafe, die hier frei weiden können, sind wenig beeindruckt von dem touristischen Verkehrsaufkommen und verlassen die Fahrbahn nur dann, wenn sie Lust dazu haben.Zurück in Covadonga werden wir abgeholt von Rafa, der erzählt, dass es in der Zwischenzeit im Tal geregnet habe - was für ein Glück wir doch haben! Die Fahrt geht nun weiter in die Hauptstadt Asturiens, Oviedo. Wir treffen Stadtführerin Elena und fahren zusammen weiter auf den Hausberg Naranco. Von dort hat man nicht nur eine fantastische Sicht auf die Stadt, dort befinden sich auch zwei der wichtigsten vorromanischen Bauwerke der spanischen Kunstgeschichte: Santa María del Naranco und San Miguel de Liño. Ausführlich erklärt uns Elena die architektonischen Besonderheiten, bevor wir in die Stadt hinunter fahren und dort einen gemeinsamen Spaziergang machen. Als Hauptstadt des Königreichs Asturien und Zentrum des Widerstands gegen die maurische Herrschaft auf der iberischen Halbinsel war Oviedo Ausgangsort des ersten und „originalen" Pilgerwegs nach Santiago de Compostela. Auf 310 anspruchsvollen Kilometern führt der Camino Primitivo mitten durch das Kantabrische Gebirge und ist damit so anspruchsvoll, dass nur 4% der Pilger diesen Weg wählen. Unser Spaziergang durch die schöne Altstadt Oviedos ist weitaus angenehmer und neben der Kathedrale San Salvador sehen wir auch die Plaza de Daoíz y Velarde mit ihren farbenfrohen Häusern sowie die Jugendstilhäuser der Neustadt aus dem 19. Jahrhundert.

04.07.2021 Tag 7 Playa de las Catedrales – Lugo – A Coruña

Unser Tag beginnt heute früh, denn wenn man sich die Natur anschauen möchte, dann muss man sich ein wenig nach ihr richtigen: unser erster Programmpunkt für heute nennt sich Playa de las Catedrales, also Strand der Kathedralen. Der vielversprechende Name kündigt die beeindruckenden und bizarren Felsformationen an, die durch tektonische Verschiebungen und Erosion innerhalb der letzten 500 Millionen Jahre entstanden sind. Tatsächlich begehbar ist dieser berühmte Strand nur, wenn Ebbe ist, daher müssen wir uns heute ein wenig beeilen.Mit einem überdimensionalen Frühstückspaket in den Armen verlassen wir also unser Hotel in Oviedo und fahren weiter Richtung Westen. Nach einem kleinen Pit Stop, bei dem sämtliche Kaffee-Tanks aufgeladen werden können, sind wir auch alle fit genug um den folgenden Spaziergang am Strand genießen zu können. Kurz bevor wir unser Ziel erreichen, überqueren wir mit dem Fluss Eo auch die Grenze zur letzten spanischen Region auf unserer Reise: Galicien. Mit 29.575 km² ist sie eine der größten des Landes, hat jedoch nur etwa 2,7 Millionen Einwohner, von denen sich die meisten auf die großen Städte A Coruña, Santiago de Compostela und Vigo verteilen. Gesprochen wird auch hier eine eigene Sprache, Gallego, das dem Portugiesischen näher ist als dem Spanischen. Als wir die Praia as Catedrais (jetzt also galicisch) erreichen, werden schnell die Schuhe ausgezogen und die Hosenbeine nach oben gekrempelt, denn spätestens jetzt ist für alle deutlich sichtbar, dass sich die Gezeiten nicht an die Wünsche der Besucher halten. Ein gutes Stück des Strandes, und somit auch viele der aus dem Schiefer gewaschenen Höhlen und Türme, können wir noch besichtigen, bevor uns das zurückkommende Wasser den Weg zum rettenden Aufstieg abschneidet. Gegen Mittag geht es dann weiter mit dem Bus für einen Abstecher ins galicische Inland. Die Provinzhauptstadt Lugo wurde als Lucus Augusti im 14. Jahrhundert v. Chr. gegründet und besitzt bis heute eine vollständige Stadtmauer, deren Ursprünge auf römische Zeiten zurückgehen. Der Volksglaube besagt, dass die Mauer der Grund sei, warum es den Mauren im Jahr 997 nicht gelungen sei, die Stadt zu erobern. Nach einer Stippvisite in der Kathedrale zu einem spanischen Sonntagsgottesdienst und einer kleinen Stärkung fühlen sich dann die meisten dazu in der Lage die Altstadt auf der 2,1 km langen Mauer zu umrunden. Neben der schön gestalteten Puerta de Santiago und einigen blühenden Magnolien- und Kastanienbäumen, sehen wir vor allem, dass es noch großes Potential für Renovierungsarbeiten an den teilweise antiken Stadthäusern gibt. Das letzte Ziel heute ist die größte Hafenstadt Nordgaliciens, A Coruña. Jedes Jahr werden hier über 13 Millionen Tonnen Güter umgeschlagen und an die 300.000 Passagiere eingeschifft. Schon zu römischer Zeit existierte in der geschützten Bucht ein Hafen, dessen Wahrzeichen der Leuchtturm Torre de Hércules ist. Bevor wir unser Hotel erreichen, machen wir noch einen kurzen Abstecher in die Altstadt um dort die Praza María Pita zu besuchen. Der jungen Schlachtersfrau soll die Stadt es zu verdanken haben, dass man sich im 16. Jahrhundert erfolgreich gegen einen Angriff des englischen Piraten Francis Drake zur Wehr setzen konnte.

05.07.2021 Tag 8 Finisterre – Costa da Morte – Muros – Santiago de Compostela

Bei strahlendem Sonnenschein verlassen wir A Coruña am Morgen Richtung Westen. Die morgendliche Diskussion mit unserem Fahrer Rafa über die Wettervorhersage ist mittlerweile schon zum festen Ritual geworden und bisher konnte sich der Optimismus der Reiseleitung jeden Tag durchsetzen (so gut wie kein Regen bisher!). Doch heute scheint es schwerer werden sich gegen den spanischen Hobbypessimisten durchzusetzen - das Ziel passt schließlich auch irgendwie zur Endzeitstimmung: je näher wir Finisterra, wortwörtlich dem Ende der Welt, kommen, desto nebeliger und feuchter wird es um uns. Wir erreichen schließlich das zugehörige Dorf für eine kleine Kaffeepause und treffen auch prompt eine deutsche Pilgerin. Die meisten Jakobspilger legen nachdem sie in Santiago angekommen sind noch zwei bis drei Tagesetappen ein, um schlussendlich am Kap Finisterra Kilometer 0 zu erreichen. Auch wir erreichen wenig später, allerdings mit dem Bus, den 247 Meter hohen Granitfelsen, der lange Zeit als der westlichste Punkt Europas galt. Tatsächlich ist es genau wie am Nordkap, man weiß zwar mittlerweile dank moderner Kartographie, dass das nicht so ganz stimmt, aber so richtig tut es ja nichts zur Sache. Ebenfalls ähnlich wie am Nordkap ist es ein wahres Glücksspiel einen Moment zu erwischen, in dem man von dem Felsen aus tatsächlich eine gute Sicht hat - diese Lotterie haben wir heute leider offensichtlich verloren. Nichtsdestotrotz traben wir tapfer bis zum Leuchtturm und freuen uns daran, dass wir zumindest den Atlantik unterhalb des Felsens erahnen können. Bei diesem Wetter kann man sich zumindest gut vorstellen warum dieser Küstenabschnitt Costa da Morte (Todesküste) genannt wird...Wir folgen anschließend der Küste Richtung Süden und fahren durch viele kleine Fischerdörfer, die zum Teil relativ verlassen, zum Teil komplett auf Sommertourismus umorientiert erscheinen. In Ézaro gibt es zudem einen sehr imposanten Wasserfall zu sehen, kurz bevor der Fluss Xallas in den Atlantik mündet. Im Hintergrund kann man den Berg Pindo erkennen, der in der galicischen Mythologie etwas Ähnliches darstellt wie der Olymp für die Griechen. Vielleicht sollten wir ja die Gelegenheit nutzen und ein Opfer für besseres Wetter darbieten?Pünktlich zum Mittag erreichen wir das Fischerdorf Muros, das sich vor allem bei spanischen Tagestouristen großer Beliebtheit erfreut. Das kann vor allem an dem breiten Angebot fangfrischen Fisches und Meeresfrüchten liegen und davon überzeugen auch wir uns. In einer der urigen Fischerkneipen kann man bei jedem Wetter leckeres Essen genießen.Offensichtlich waren jedoch unsere Stoßgebete an sämtliche alten galicischen Gottheiten sowie den Heiligen Jakob nicht ausreichend, denn unser verbleibender „Pilger"weg Richtung Santiago wird begleitet von sturzartigem Regen und einem halb triumphierenden, halb mitleidigen Blick unseres Busfahrers, der nicht viel mehr sagt als „Ich hab's doch gleich gesagt". Danke Rafael. Unser eigentlicher Plan vom Monte do Gozo (sehr ironisch „Berg der Freude") die letzten Kilometer zur Kathedrale zu pilgern fällt somit wortwörtlich ins Wasser. Na ja, wir können ja froh sein, dass wir bei diesem Wetter nicht so wirklich echte Pilger sind. Wir beziehen also heute gezwungenermaßen etwas früher unser Übernachtungsdomizil unweit der Altstadt von Santiago. Während die einen sich über die kleine Auszeit freuen, unternehmen die anderen schon erste Erkundungstouren. Beim gemeinsamen Abendessen heißt es dann Abschied nehmen, denn unser Busfahrer verlässt uns morgen wieder Richtung Baskenland - hoffentlich nimmt er wenigstens den Regen mit!

06.07.2021 Tag 9 Santiago de Compostela

Und tatsächlich: heute Morgen sieht der Himmel schon wieder freundlicher aus, perfekt für eine Stadtbesichtigung. Unser Reiseleiter Francisco holt uns im Hotel ab und zusammen „pilgern" wir entlang der Umrisse der alten Stadtmauern um die Altstadt herum, zunächst erst einmal in Richtung des heutigen Stadtparks Alameda. Vom Buchenhain der Heiligen Susana aus, Teil des Camino Portugès, hat man eine tolle Aussicht auf die Altstadt und die Kathedrale, die alles überragt.Francisco erzählt uns nun natürlich noch einmal von der Legende um die Auffindung des Grabes des Heiligen Jakobus im 9. Jahrhundert, dessen Bedeutung im Kampf gegen die maurischen Eroberungsfeldzüge und die Erhebung des Heiligen zum „Maurentöter" und Nationalheiligen. Wenig später im 11. Jahrhundert trafen nachweislich bereits die ersten Pilger im heutigen Santiago ein und der Strom reißt, wie wir wenig später auf der Praza do Obradorio (Platz der Arbeit) sehen können, bis heute nicht ab. Wir erfahren, dass der Platz den Namen trägt, weil hier seit dem frühen Mittelalter konstant und unermüdlich von tausenden Arbeitern an der wichtigsten Kathedrale Spaniens gearbeitet wurde. Alles, was in anderen Regionen aus weichem Kalk- oder Sandstein geschaffen wurde, musste man hier zudem aus hartem Granitgestein herstellen. Bevor wir das Museum und die Kathedrale betreten, erklärt uns Francisco noch die umliegenden Gebäude.Die Kathedrale selbst ist schon alleine beeindruckend, weil sich im Innenraum noch genau die verschiedenen Architekturepochen erkennen lassen. Die imposante Barockfassade wurde um das romanische Kirchenschiff herumgebaut und so die gesamte Originalstruktur erhalten. Im Gegensatz dazu steht der opulente, über und über mit Gold dekorierte, barocke Hochaltar - und Francisco hat wohl recht, man muss sich darauf einlassen und jede Epoche für sich betrachten. Im Vierungskreuz können wir auch den 53 kg schweren Weihrauchkessel, den Botafumeiro, sehen, der zu bestimmten Gottesdiensten durch das Querschiff geschwenkt wird. Ursprünglich war das keine Effekthascherei, sondern vor allem dafür da, um den Weihrauchgeruch möglichst effektiv zu verteilen - denn eine Masse mittelalterlicher Pilger verströmte - wie man sich vorstellen kann - nicht gerade die angenehmsten Düfte. Einige Mitglieder unserer Pilgergruppe bleiben anschließend noch zum Gottesdienst, während die anderen noch ein wenig mit unserem Reiseleiter durch die Gassen streifen. Schlussendlich treffen wir sogar noch auf einen Dudelsackspieler, im ersten Moment eine sehr befremdliche Erscheinung in Spanien. Allerdings beruft sich Galicien sehr stark auf seine keltischen Einflüsse und hat somit, genau wie Schottland, Irland und die Bretagne, das Blasinstrument in den letzten Jahrzehnten immer mehr für sich beansprucht.Der Nachmittag bleibt uns heute für eigene Erkundungen, einen Spaziergang entlang des Camino Portugès oder die Möglichkeit ein wenig auszuspannen, bevor wir uns am Abend zum gemeinsamen Essen im Hotel treffen.

07.07.2021 Tag 10 O Grove – Isla de la Toja – Bodega Granbazán

Wir verlassen Santiago heute mit unserem neuen Bus und Fahrer Andrès in Richtung Rías Baixas, eine der beliebtesten Urlaubsregionen in Galicien. Am Vormittag erreichen wir O Grove, Hauptort der gleichnamigen vorgelagerten Halbinsel in der Ría de Arousa. Die Einwohner leben neben dem Tourismus und dem Fischfang vor allem von der Muschelzucht. An eigens dafür angefertigten Flößen werden hier Miesmuscheln, Jakobsmuscheln und Austern gezüchtet. Bei einer einstündigen Schifffahrt werden uns die Hintergründe der Muschelzucht erklärt und uns alles direkt vor Ort gezeigt. Später dürfen wir die frischen Meeresfrüchte natürlich auch probieren. Bei der Weiterfahrt auf die Insel La Toja können wir auch die Muschelsammlerinnen sehen, die bei Niedrigwasser im Watt nach Venusmuscheln suchen und diese später verkaufen. La Toja, die schon seit präromanischen Zeiten für ihre Heilquellen bekannt gewesen ist, ist seit dem 19. Jahrhundert Kurbad und unser Zuhause für die letzten beiden Nächte. Hier lässt sich das schöne Wetter wunderbar genießen bis wir am Nachmittag noch einmal aufbrechen, um bei der Bodega Granbazán den galicischen Albariño Wein zu verkosten. Der „Weiße vom Rhein" ist entgegen der ersten Vermutung nicht mit unserem Riesling verwandt, sondern mit dem Traminer. Nichtsdestotrotz hat der neue Kellermeister mehrere Jahre in Deutschland gearbeitet und auch Carina, die uns über das Weingut führt, hat ihre ersten Lebensjahre in Bayern verbracht und ist somit ein repräsentatives Beispiel für die Kinder der Galicier, die es in den 1970er Jahren in die Ferne getrieben hat. Während die einen noch heute die Heimat verlassen, kommen die anderen schon seit mehreren Jahren wieder zurück in die Geburtsorte ihrer Eltern. Wir verkosten insgesamt vier der besonderen Weißweine zusammen mit Muscheln und Käse und sind überrascht, wie unterschiedlich Weine aus derselben Traube sein können.Zum Abendessen fahren wir zurück in unsere Hotel auf La Toja und freuen uns, nach den Menüs der letzten Tage, sehr über das reichhaltige Buffet.08.07.2021

08.07.2021 Tag 11 Baiona – A Guarda – Pontevedra

Unser letzter Tag in Spanien führt uns heute noch weiter Richtung Süden, sogar bis an die Grenze zu Portugal, die wir durch die Corona-bedingte Reiseänderung allerdings nicht überqueren werden. Zunächst geht es jedoch erst einmal, vorbei an der größten Stadt Galiciens, Vigo, nach Baiona. Baiona ist ein Kleinstädtchen, das sich pittoresk an die zerklüftete Küste schmiegt und sich durch seine vorgelagerte grüne Halbinsel auszeichnet, auf der sich einst das Castelo de Monte Real befand. Dieses diente im Mittelalter und in der frühen Neuzeit vor allem zur Abwehr von Seeangriffen, denn die Stadt genoss königliche Privilegien und den damit einhergehenden Wohlstand. Hier soll auch im März 1493, unter dem Kommando Martín Alonso Pinzóns, die Pinta, das letzte Schiff der Flotte Kolumbus, eingelaufen sein und die Kunde über die Entdeckung - vermeintlich - Westindiens verbreitet haben. Das ehemalige Kastell wurde in den 1960er Jahren zu einem Parador, einem staatlich subventionierten Luxushotel, umgewandelt und bietet heute mit dem umliegenden Park eine ideale Gelegenheit für einen schönen Spaziergang.Anschließend geht es für uns weiter nach A Guarda, wörtlich die Wache. Der Ort liegt direkt an der Mündung des Flusses Miño in den Atlantik und somit auch direkt an der natürlichen Grenze zu Portugal. Schon in der Bronzezeit um 600 v. Chr. wussten die Kelten diese ideale Lage zu schätzen und legten am Hang des 341 Meter hohen Monte de Santa Tegra ihre Siedlung an. Aufgrund der sehr gut erhaltenen Grundmauern und zahlreicher archäologischer Funde kann man davon ausgehen, dass hier einmal zwischen 3.000 und 5.000 Menschen lebten, die weitestgehend autark von Landwirtschaft, Fischfang und Jagd lebten. Auch Töpferei, (Kunst-)Handwerk und Textilherstellung wurden betrieben und zahlreiche Handelsbeziehungen unterhalten. Im strahlenden Sonnenschein genießen wir die fantastische Aussicht und träumen von Portugal - man muss ja schließlich auch gleich schon neue Reisepläne schmieden. Auf dem Rückweg machen wir, so wie es sich für echte Pilger auf dem Camino Portugès gehört, noch Halt in Pontevedra. Die Provinzhauptstadt war schon im Mittelalter eine der wichtigsten Zwischenetappen auf dem Weg nach Santiago de Compostela. Die dort angesiedelten Franziskaner und Dominikaner kümmerten sich um die Pilger, boten ihnen Verpflegung und einen Schlafplatz, lange bevor es überall Herbergen gab. Aus diesem Grund baute man auch im 18. Jahrhundert das eigenwillige Heiligtum der Virgen Peregrina, also der pilgernden Jungfrau. Maria wird hier tatsächlich in Pilgertracht gezeigt, während der barocke Bau auf dem Grundriss einer Jakobsmuschel steht. Auch sonst ist die kleine Altstadt recht sehenswert und bildet somit den Abschluss unseres letzten richtigen Reisetages.Beim gemeinsamen Abendessen im Hotel werden schon die ersten Eindrücke rekapituliert und nett geplaudert. Ein paar scherzhafte Fragen ob wir unter den aktuellen Umständen denn wohl wirklich nach Hause kommen werden, dürfen natürlich auch nicht fehlen.

09.07.2021 Tag 12 Rückreise

Schlussendlich geht dann aber doch alles recht schnell und problemlos. Am frühen Vormittag fahren wir mit dem Bus zurück nach Santiago de Compostela - die letzten unserer insgesamt rund 1.700 Kilometer quer durch den Norden Spaniens. Und natürlich, wie die Ironie des Schicksals es möchte, sieht man heute von der Autobahn aus wunderbar die Kathedrale im Sonnenschein. Den Blick hätten wir gerne am Montag gehabt! Aber nun ja, vielleicht ist es ja eine Aufforderung. Eine Aufforderung wiederzukommen, dann aber mit Wanderschuhen oder auf dem Fahrrad. Vielleicht mag der Heilige Jakob einfach keine faulen Pseudopilger, vielleicht muss man es doch ernst meinen. Wir verlassen Spanien also mit sonniger Erinnerung. Noch dazu mit vielen neuen Eindrücken und Erkenntnissen und einem ganz neuen Bild von Spanien. Denn Spanien ist wirklich nicht gleich Spanien und einmal mehr müssen wir wohl erkennen: je mehr man reist, desto mehr möchte man entdecken. Die Liste wird niemals kürzer, sondern immer nur noch länger. In diesem Sinne möchte ich mich ganz herzlich bei meinen 19 mutigen Pseudopilgern bedanken, dass Sie uns auch über die schwierigen Monate der Pandemie die Treue gehalten und vor allem Ihre Reiselust nicht verloren haben. Danke, dass Sie so flexibel waren und alle kleinen und größeren Hindernisse so bereitwillig hingenommen haben. Vielen Dank, dass Sie mich nach so langer Zeit aus dem Reiseleiter-Winterschlaf geholt und mich mitgenommen haben Wir hoffen, dass das Reisen bald wieder ein wenig einfacher und vor allem wieder etwas planbarer wird. Bis dahin bleiben Sie bitte gesund und ich freue mich darauf, Sie vielleicht bald mal wieder irgendwo auf der Welt zu treffen.
Ihre/Eure Sinah Witzig

Bildergalerie zur Reise

Kommentare zum Reisebericht

Danke für die wunderschöne Reise und die vielen neuen Eindrücke. Danke auch für den ausführlichen Reisebericht, er wird beim Erstellen eines Fotobuches hilfreich sein. Ein großes Lob und ein Dankeschön.
Hella und Uwe aus Dresden

Hella H.
21.07.2021

Liebe Sinah,
Ich kann mich dem nur anschließen. Es war eine wunderbare, sehr informative Reise. Ich habe sie genossen und sie wird sicher nicht meine einzige Eberhardt Reise bleiben. Besonders Ihr Wissen und stets guter Humor haben dazu viel beigetragen.
Danke sehr, Inge Brauchle aus München

Ingeborg Luitgard Brauchle
25.07.2021

Etwas verspätet unser Dank für den schönen Reisebericht.
Durch die BUGA hatten wir viel Besuch.
Der neue Katalog macht ganz schön neugierig.
Vielleicht wird es wieder eine Eberhardt-Reise.
Herzliche Grüße aus Erfurt

Ingrid und Jürgen Trautheim
06.10.2021