Reisebericht: Rundreise Spaniens Atlantikküste vom Baskenland nach Galizien

23.08. – 03.09.2021, 12 Tage Rundreise Bilbao – San Sebastian – Atlantikküste– Santander – Altamira–Höhle – Jakobsweg – Picos de Europa – Oviedo – Santiago de Compostela – Porto


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Mit einer bunt gemischten aus ganz Deutschland - und Österreich, geht es in den wenig bereisten grünen Norden Spaniens. Bei schönstem Wetter entdecken wir Küste, Berge und den ein oder anderen Geheimtipp.
Ein Reisebericht von
Sinah Witzig
Sinah Witzig

Tag 1 Anreise

Auch im Pandemie-Sommer 2021 sind wir noch nicht wirklich wieder zur alten Routine zurückgekehrt. Das Reisen bleibt Nervenkitzel, allein schon, weil man sich bis zur letzten Sekunde fragt, ob die gebuchte und lang ersehnte Reise nun wirklich stattfinden kann. Umso erleichterter ist man dann, wenn es endlich losgehen kann. So geht es auch auf dieser Reise 17 Gästen aus allen Ecken Deutschlands, sowie auch aus Österreich. Über Frankfurt geht es für uns nach Bilbao, Hauptstadt des Baskenlandes und endlich heißt es: „¡Bienvenidos en España!“ oder eben „Ongi etorri“ – herzlich Willkommen.
Das País Vasco ist eine der Regionen, die am wenigsten zu tun haben mit dem Spanien, das wir aus sämtlichen Reiseprospekten kennen. Die grüne, hügelige Landschaft erinnert eher an die Nordschweiz und zusätzlich zum kastilischen Spanisch spricht man hier Euskera, eine isolierte Sprache, die mit keiner anderen in Europa verwandt ist. Das Baskenland hat jahrhundertelange Konflikte um Eigenständigkeit und Unterdrückung hinter sich – heute eine der reichsten und meistbevölkerten Regionen Spaniens, genoss das ehemalige Fürstentum im Mittelalter und in der frühen Neuzeit besondere finanzielle und rechtliche Privilegien. Diese wurden unter der Herrschaft der Bourbonen ab dem 18. Jahrhundert beschränkt und nach dem spanischen Bürgerkrieg vollkommen abgeschafft. Nicht zuletzt wurden auch die baskische Sprache sowie sämtliche kulturellen Eigenheiten durch General Franco verboten – und somit Nährboden für den bewaffneten Widerstand geschaffen. Bis ins Jahr 2011 kämpfte die ETA unter immer größerem Protest der Bevölkerung für ein unabhängiges Baskenland. Der Wunsch nach Unabhängigkeit bleibt bis heute bei vielen bestehen, die Gewalt ist jedoch zum Glück Geschichte.
Unser Busfahrer Rafael empfängt uns am frühen Abend am Flughafen von Bilbao und bringt uns zu unserem Hotel oberhalb der Altstadt. Wir richten uns ein für die nächsten drei Nächte und lernen dann beim gemeinsamen Abend auch den Rest der Reisegruppe kennen, der schon etwas früher angereist war. Das gesellige Beisammensitzen ist ein angenehmer Start für eine ereignisreiche Reise.

Tag 2 Bilbao

Natürlich beginnt unser gemeinsames Programm am nächsten Morgen mit einer ausführlichen Stadtrundfahrt durch die baskische Hauptstadt. Reiseleiterin Cristina holt uns von unserem Hotel ab und wir fahren erst einmal zum Hafen – denn dieser war es, der Bilbao einst wichtig und reich gemacht hat. Bis in die 1960er Jahre wurde vor allem Eisenerz und Kohle verschifft, das Stadtbild war geprägt von Werften und Fabrikgebäuden. Dann kam die Wirtschaftskrise, und die Stadtbewohner mussten sich neu erfinden um der Arbeitslosigkeit zu entkommen. Man setzte auf Kultur, Bildung und Tourismus, pokerte hoch und gewann schlussendlich. Aber bis dahin war es ein langer Weg.
Im ehemaligen Vorort Getxo können wir uns ein Bild machen vom einstigen Reichtum der Großindustriellen. Nach dem Vorbild englischer Landhäuser ließen sie sich im 18. und 19. Jahrhundert nahe der Bucht von Bizkaya ihre Villen bauen.
Vom Erfindergeist der Basken zeugt ebenfalls die Puente Colgante, die weltweit erste Eisenhochbrücke mit Schwebefähre, die im Jahr 1893 von Alberto Palacio, einem Schüler Gustave Eiffels, und Ferdinand Arnodin fertiggestellt wurde. So konnte man erstmals die Ría de Bilbao ohne Boot kreuzen und schränkte trotzdem nicht den Schiffverkehr ein, der auf dem Fluss Nevión bis in die Stadt hinein betrieben wurde.
Den ehemaligen Weg der Schiffe verfolgen wir nun auch mit dem Bus, circa 15 Kilometer dem Flusslauf folgend, bis zum alten Zollhaus in der Innenstadt. Unterwegs können wir uns überzeugen von den fortlaufenden Veränderungen, die sich heute noch immer in der Stadt vollziehen: verlassene und zerfallende Industriegebäude weichen neuen, modernen Wohnkomplexen und Kultureinrichtungen. Schließlich erreichen wir die Altstadt, auch Siete Calles genannt, wo wir zunächst einen kleinen Stopp in der Markthalle einlegen und dann unsere Erkundungen zu Fuß fortsetzen. Vor der Kathedrale landen wir zum ersten Mal auf der Reise ganz unbedarft auf dem Jakobsweg – ein Umstand, der uns für den Rest der Reise begleiten wird, doch dazu später mehr.
Wir erfahren von den zahlreichen Hochwasserkatastrophen, die die Altstadt Bilbaos im Laufe der Zeit heimgesucht haben, spazieren weiter durch die engen Straßen und bewundern die Hausfassaden mit ihren bunten verglasten Erkern, den Miradores. Angekommen an der Plaza Nueva beantwortet uns Cristina noch eine ganze Menge Fragen zur baskischen Sprache, bevor es für alle eine wohlverdiente Mittagspause gibt.
Am Nachmittag geht es dann weiter zum wohl bekanntesten Bauwerk der Stadt, dem Guggenheim Museum. Bilbao setzte 1991 mit der Investition in dieses kulturelle Großprojekt wortwörtlich alles auf eine Karte, denn während Kunst und Unterstützung aus New York kamen, musste die baskische Regierung die knapp 200 Millionen US-Dollar für Baukosten, Vertragsgebühren und Leihverträge selbst aufbringen. Für den Bau wurde von der Guggenheim Stiftung der amerikanische Architekt Frank O. Gehry ausgewählt, der mit seinen dekonstruktivistischen Gebäuden seit Ende der 1980er Jahre weltweit für Aufsehen sorgt. Doch schlussendlich wurde das gigantische Schiff aus Kalkstein und Titan zum neuen Aushängeschild der Stadt und das Museum schaffte es innerhalb der ersten drei Jahre die Investitionen zurück zu erwirtschaften. Dieses Phänomen touristischer Erschließung durch nur ein prägnantes Kulturprojekt war so einzigartig, dass es heute als Bilbao-Effekt bezeichnet wird. Auch wir sind fasziniert, vor allem durch die beeindruckende Architektur, die doch im Gesamten die beherbergte Kunst in den Schatten stellt.
Bei herrlichem Sommerwetter spazieren wir nach dem Museumsbesuch durch die Neustadt Bilbaos zu unserem Abendessen. Kulinarisch geht es heute ganz typisch zu, denn wir dürfen die berühmten Pintxos kennenlernen. Die kleinen Häppchen, die traditionell auf Zahnstocher gespießt werden, sind nicht nur unglaublich lecker, sondern auch absolut vielseitig, so ist für jeden Geschmack etwas dabei. Mit dem guten Essen und einem Gläschen Wein lassen wir unseren ersten richtigen Tag im Baskenland gemütlich ausklingen.


Tag 3 San Sebastián

Wir verlassen die Provinz Bizkaya heute in Richtung Osten und nähern uns der französischen Grenze, um das ehemals mondäne Seebad San Sebastián (oder auf Baskisch Donostia, was dasselbe bedeutet), zu besuchen. Die Stadt ist vor allem bekannt für ihre langen Sandstrände, der bekannteste davon in der Bucht La Concha, die zwischen den beiden Bergen Monte Urgull und Monte Igueldo liegt. Unterwegs gibt es noch eine kleine Auffrischungsstunde in spanischer und baskischer Geschichte, sodass aus der Bildungsauftrag der Reise erfüllt wird – Strand und Sonne wird es heute noch reichlich geben.
Wir beginnen unseren gemeinsamen Spaziergang am Palacio Miramar, den sich María Cristina von Österreich, die Witwe des Königs Alfons XII. 1886 errichten ließ und die Stadt somit ganz offiziell zum königlichen Seebad machte. Es folgten luxuriöse Hotels, Kursäle und Casinos und keine 30 Jahre später war San Sebastián kulturelles und kosmopolitisches Zentrum für die europäische Elite. Davon zeugt beispielsweise das alte Casino, das heute als Rathaus dient. Auf der Plaza Cervantes begegnen wir noch zwei ganz berühmten Spaniern: Don Quijote und seinem treuen Gefolgsmann Sancho Panza. Da die Stadt im Laufe ihrer Geschichte mehrmals Opfer von Bränden wurde, ist die Altstadt zwar klein, dafür aber umso pittoresker. Zusammen besuchen wir die Plaza de la Constitución, bei der uns sofort auffällt, dass die Balkons aller umliegenden Häuser nummeriert sind. Erklären lässt sich auch dies wieder mit dem Unternehmergeist der Basken: als auf dem Platz noch Stierkämpfe stattgefunden haben, vermieteten die Hausbesitzer ihre Balkons als teure Logen, von wo aus es die beste und gleichzeitig sicherste Aussicht auf das Kampfgeschehen gab.
Ein paar Schritte weiter stellt man dann fest, dass die Stadt nicht umsonst einen erstklassigen Ruf in der Gastronomieszene genießt. Nirgendwo auf der Welt ist die Dichte der Michelin-ausgezeichneten Restaurants größer als hier und auch die kleinen Bars und Cafés, die die engen Gassen säumen, übertrumpfen sich gegenseitig mit ihren überbordenden Pintxos-Angeboten. Kulinarisches ist in Donostia auch in der Bevölkerung fest verankert: hier gibt es 119 Socidades Gastronomicas, private Kochclubs, die traditionell nur von Männern besucht werden. Man trifft sich ein bis zwei Mal im Monat um gemeinsam zu Kochen und sich auszutauschen. Scherzhaft wird erzählt, dass diese Art von Zusammenkunft von den Seemännern ins Leben gerufen wurden, die nach langer Abwesenheit von Zuhause nicht mehr an den Redebedarf ihrer Ehefrauen gewohnt waren und so Ausflucht suchten – wer weiß wie viel Wahrheit in dieser Geschichte steckt…
Neben der Gelegenheit zu einem guten Mittagsimbiss bietet sich in der anschließenden Freizeit auch die Möglichkeit den Monte Urgull zu besteigen und dort die Ruinen der alten Militärfestung zu besichtigen oder das rege Treiben an der Strandpromenade zu verfolgen, denn in den spanischen Sommerferien ist San Sebastián ein heißbegehrtes Ziel.
Am Nachmittag haben wir noch eine kleine Überraschung in Petto: mit der über hundert Jahre alten Standseilbahn fahren wir auf den Monte Igueldo und haben von dort eine herrliche Aussicht über die Stadt und die Strände der Bucht La Concha.


Tag 4 Laredo – Santoña – Santander

Unsere Zeit im Baskenland neigt sich dem Ende zu und wir verlassen heute Bilbao Richtung Westen. Abgeholt werden wir heute wieder von unserem Busfahrer Rafa, der sich bereitwillig dazu überreden lässt, mit uns noch einen kleinen Abstecher zum Aussichtspunkt Artxandako zu machen. Von hier können wir noch ein letztes Mal einen wunderbaren Ausblick über die baskische Hauptstadt im Morgenlicht genießen, bevor es dann endgültig in Richtung der Grenze zur Region Kantabrien geht.
Ganz im Gegenteil zum bevölkerungsreichen Baskenland leben hier nur wenig Menschen, die meisten davon an dem schmalen Küstenstreifen, denn das Inland ist geprägt durch das kantabrische Gebirge, das sich im Ganzen fast 500 Kilometer durch den Norden Spaniens zieht.
Unser erster Halt ist die Kleinstadt Laredo, die heute vor allem bei Spaniern als Badeort beliebt ist. Uns interessiert jedoch eher der kleine alte Ortskern, wo sich die romanische Kirche Santa María de la Asunción befindet. Diese wurde dem Dorf durch Alfons VIII. im 13. Jahrhundert gestiftet, nachdem viele Männer aus Laredo bei der erfolgreichen Rückeroberung Sevillas von der maurischen Besatzung mitgewirkt hatten. Die kleine Kirche ist ein wichtiger Punkt auf dem Jakobsweg, der entlang der Küste führt – somit eine gute Gelegenheit sich mit den verschiedenen Pilgerwegen in Richtung Santiago de Compostela auseinanderzusetzen, denn der bekannteste, der Camino Francès, ist bei Weitem nicht der einzige richtige Weg. So erkennen wir, dass wir auch in einer gewissen Weise Pilger sind, auch wenn wir nicht zu Fuß, per Rad oder zu Pferde unterwegs sind.
Anschließend begeben wir uns zusammen zum Hafen, denn von hier aus starten wir zu einer Schifffahrt durch den maritimen Naturpark in der Bucht von Santoña. Schon vom Wasser aus sehen wir die Relikte der militärischen Vergangenheit Santoñas – strategisch gut gelegen war der Fischerort vor allem zu Zeiten der napoleonischen Kriege ein wichtiger Verteidigungspunkt. Heute lebt der Ort, neben dem Tourismus, immer noch von der Fischerei und der Verarbeitung der frischen Meeresfrüchte.
Mit dem Bus geht unsere Reise weiter in die Hauptstadt Kantabriens, nach Santander. Schon zu römischen Zeiten war hier ein wichtiger Hafen, im Mittelalter wurde die Stadt Zentrum des Seehandels mit England und Flandern, in der Neuzeit dann im Kolonialhandel. Aufgrund des wirtschaftlichen Aufschwungs wurde 1857 die Banco de Santander gegründet, heute das größte Kreditinstitut Spaniens. Zu Beginn des 20. Jahrhunderts siedelten sich auch hier Reichtum und Adel an, um die Sommerfrische an der Küste zu verbringen.
Nach einem verheerenden Brand 1941 musste sich die Stadt neu organisieren, trotzdem blieb der Hafen Hauptwirtschaftsschwerpunkt. Nach einem Spaziergang durch die Stadt machen wir noch einen kurzen Abstecher zum alten Leuchtturm am Cabo Mayor. Die Steilküste hier erinnert ein wenig an Südengland, und passenderweise können wir die gerade auslaufenden Fähren ebendahin von hier aus beobachten. Später beziehen wir dann unser Hotel in Strandnähe. Wer Lust hat besucht am Nachmittag noch die grüne Halbinsel La Magdalena, wo sich das Königshaus 1912 einen Sommerpalast errichten ließ, ansonsten kann man es den Spaniern gleichtun und den späten Nachmittag am Strand genießen.


Tag 5 Santillana del Mar – Höhle von Altamira – Comillas – Picos de Europa

Nur unweit von Santander liegt ein weiterer wichtiger Ort auf dem Camino del Norte, der unter Pilgern scherzhaft „Ort der drei Lügen“ genannt wird. Santillana del Mar, eigentlich der Heiligen Juliana gewidmet, sei weder heilig (santa) noch flach (llana) und es liegt auch tatsächlich nicht am Meer. Nichtsdestotrotz ist der kleine Ort mit seinen mittelalterlichen Steinhäusern ein wahrliches Freilichtmuseum und es macht Spaß durch die kleinen Gassen zu spazieren und an jeder Ecke neue Fotomotive zu entdecken – das einzige Manko, hier kann man noch den authentischen spanischen Fahrstil erleben und der Lieferverkehr am Vormittag lässt sich von deutschen Touristen so gar nicht beeindrucken.
Unser nächstes Ziel ist nur wenige Minuten entfernt, entführt uns jedoch in die Altsteinzeit vor 20.000 Jahren. 1868 entdeckte der Heimatforscher Marcelino Sanz de Sautola in Altamira eine der ersten von mittlerweile 125 entdeckten, ausgemalten altsteinzeitlichen Höhlen in Spanien. Was man zunächst für eine Fälschung hielt, entpuppte sich Anfang des 20. Jahrhunderts als „Sixtinische Kapelle der Felsenmalerei“, denn man fand auf einer Fläche von 5500m² über 930 Darstellungen von Tieren und Menschen, die mit Kohle und Erdfarben auf den Stein gemalt wurden. Nachdem die Höhle zum immer größeren Touristenmagneten wurde, musste man in den 1970er Jahren die Notbremse ziehen und den Zugang drastisch beschränken, damit das Kulturerbe nicht weiterhin unwiederbringlichen Schäden ausgesetzt würde. Man entschloss sich, eine originalgetreue Nachbildung anzufertigen, um der Öffentlichkeit wieder Zugang zu ermöglichen. Bei der Besichtigung sind wir beeindruckt von der 1.500m² großen „Ersatzhöhle“ und sind der Überzeugung, dass wir den Unterschied vermutlich nicht bemerkt hätten, wenn wir nicht Bescheid gewusst hätten.
Unser Kulturtag setzt sich unweit entfernt in Comillas fort. Der Ort war lange Zeit Sommersitz vieler Adeliger aus allen Teilen Spaniens und somit auch Zentrum von Reichtum, Macht und Kultur. Davon zeugen auf den ersten Blick vor allem der Sitz der Päpstlichen Universität, gegründet als jesuitisches Seminar für die Priesterausbildung und der Palacio del Sobrellano, Privatresidenz des Grafen von Comillas. Beide Gebäude entstanden unter der Leitung des Architekten Joan Matorell i Montells, einem der wichtigsten Begründer des Ende des 19. Jahrhunderts entstehenden Modernisme in Barcelona. So ist es auch nicht verwunderlich, dass das nächste, und heute bekannteste, Bauprojekt an einen Schüler Matorells ging, Antoni Gaudí i Cornet.
Während man Gaudí heute vor allem mit Barcelona in Verbindung bringt, ist den wenigsten bekannt, dass dieser auch außerhalb Kataloniens gearbeitet hat. Das Privathaus für den Unternehmer Díaz de Quijano ist tatsächlich auch das erste vollendete Projekt Gaudís und weist noch sehr große Einflüsse des Estil Mudéjar, einer Mischung spanischer und maurischer Architektur, auf. Bei einer Führung bekommen wir die vielen besonderen Details des Hauses erklärt, bei denen sich der Architekt vor allem durch Natur, Licht und Musik hat beeinflussen lassen. Am meisten begeistern uns die Vertikalschiebefenster, welche beim Öffnen den Ton von Kirchenglocken imitieren und die Anordnung der Räume, sodass jeder von ihnen die perfekte Ausleuchtung für seine Funktion erhält.
Am Nachmittag geht es für uns dann mit dem Bus weiter hinein ins Kantabrische Gebirge und schon bald haben wir den Nationalpark Picos de Europa erreicht. Die „Spitzen Europas“ waren das, was die Seefahrer einst als erstes sehen konnten, wenn sie von ihren langen Fahrten zurückkamen. Auf engen Serpentinen schlängelt sich unser Bus langsam bergauf, während wir uns von Hape Kerkeling über seine Erfahrungen vom Jakobsweg erzählen lassen. Nach einer guten Stunde erreichen wir den Ort Arenas de Cabrales, der trotz aller Abgeschiedenheit in der Welt der Gourmets einen gewissen Bekanntheitsgrad genießt. Seit Jahrhunderten wird hier in mühevoller Handarbeit der Cabrales Käse Hauptsächlich aus Schaf- und Ziegenmilch hergestellt, der anschließend in den umliegenden Berghöhlen reift. In der Käserei El Cabriteru dürfen wir nicht nur alle Schafe und Ziegen persönlich kennenlernen und eine Menge über sie erfahren, sondern natürlich auch die prämierten Blauschimmelkäse verkosten. Dazu serviert uns Juanjo den typischen Apfelwein, den Sidra, der im höchstmöglichen Bogen in die Gläser eingeschenkt werden soll, um den perfekten Geschmack zu entfalten. Wir sind uns zwar nicht sicher, wie nötig das wirklich ist, aber ein Schauspiel ist es allemal.
Weiter geht es dann durch den Nationalpark und bei wunderbar sonnigem Wetter und klarer Sicht, können wir kurz nach dem Ortsausgang das Panorama des Naranjo de Bulnes genießen, bevor unser Weg dann wieder Richtung Küste führt, wo uns in Ribadesella ein Hotel direkt am Strand mit einem wunderschönen Ausblick vom Restaurant im Wintergarten erwartet.


Tag 6 Covadonga – Lagos de Covadonga – Oviedo

Das schöne Hotel am Meer müssen wir leider nach einer Nacht schon wieder verlassen, dafür geht es noch einmal zurück in den Nationalpark Picos de Europa, genauer gesagt nach Covadonga. Der Wallfahrtsort mitten in den Bergen ist schon seit Jahrhunderten wichtiger Anlaufpunkt der Jakobspilger auf dem Camino del Norte. Hier soll es zudem gewesen sein, wo der Gotenfürst Pelayo sich 722 erfolgreich gegen die maurischen Besatzer aufgelehnt hat und somit den Anfang der Reconquista, sowie das Königreich Asturien begründete. Wie sich die Begebenheit tatsächlich zugetragen hat, das kann heute keiner mehr nachvollziehen, sicher ist nur, dass sich die christliche und die maurische Version der Geschichte doch deutlich voneinander unterscheiden. Wie auch immer die Wahrheit gewesen sein mag, die wundertätige Jungfrauendarstellung wird auch von uns begutachtet, genauso wie die zugehörige neuromanische Kirche, die im 19. Jahrhundert aufgrund des erhöhten Pilgeraufkommens erbaut wurde.
Das eigentliche Highlight folgt allerdings noch: im Kleinbus fahren wir die Serpentinenstraßen weiter hinauf bis auf 1.100 Meter. Dort, mitten im Nationalpark, liegen, getrennt durch einen kleinen Berg, pittoresk die beiden Seen Enol und Ercina, die durch Gletscherauswaschungen in der letzten Eiszeit entstanden sind. Bei unserer Ankunft finden wir uns wortwörtlich über den Wolken wieder, doch nach einigen Minuten wird die Sicht immer klarer und die Sonne bricht durch den Nebel. Nach einem kurzen Aufstieg können wir vom Mirador Entre Lagos aus einen herrlichen Panoramablick auf beide Seen und die umliegenden Berge genießen. Nach einer kleinen Stärkung auf der Berghütte geht es dann mit einem kleinen Zwischenstop am Mirador de La Reina wieder bergab. Als zusätzliche Schikane gibt es auch, gleich wie bei der Auffahrt, wieder einen tierischen Stau – die Kühe und Schafe, die hier frei weiden können, sind wenig beeindruckt von dem touristischen Verkehrsaufkommen und verlassen die Fahrbahn nur dann, wenn sie Lust dazu haben.
Zurück in Covadonga werden wir abgeholt von Rafa und die Fahrt geht nun weiter in die Hauptstadt Asturiens, Oviedo. Wir treffen Stadtführerin Elena und fahren zusammen weiter auf den Hausberg Naranco. Von dort hat man nicht nur eine fantastische Sicht auf die Stadt, dort befinden sich auch zwei der wichtigsten vorromanischen Bauwerke der spanischen Kunstgeschichte: Santa María del Naranco und San Miguel de Lillo. Ausführlich erklärt uns Elena die architektonischen Besonderheiten, bevor wir in die Stadt hinunter fahren und dort einen gemeinsamen Spaziergang machen. Als Hauptstadt des Königreichs Asturien und Zentrum des Widerstands gegen die maurische Herrschaft auf der iberischen Halbinsel war Oviedo Ausgangsort des ersten und „originalen“ Pilgerwegs nach Santiago de Compostela. Auf 310 anspruchsvollen Kilometern führt der Camino Primitivo mitten durch das Kantabrische Gebirge und ist damit so anspruchsvoll, dass nur 4% der Pilger diesen Weg wählen. Unser Spaziergang durch die schöne Altstadt Oviedos ist weitaus angenehmer und neben der Kathedrale San Salvador sehen wir auch die Plaza de Daoíz y Velarde mit ihren farbenfrohen Häusern sowie die Jugendstilhäuser der Neustadt aus dem 19. Jahrhundert. Wir spazieren dann zusammen durch den Stadtpark und auf dem Rückweg zum Bus führt uns Elena dann noch zur Bäckerei Camilo de Blas: nicht nur deren Mandeltörtchen sind über die Stadtgrenzen hinaus bekannt, sondern auch die von 1914 original erhaltene Inneneinrichtung des Geschäfts einfach unglaublich schön.
Unser Hotel liegt nur wenige Meter vom Altstadtzentrum entfernt und so brechen die meisten nach dem Abendessen noch einmal auf, um ein bisschen vom spanischen Abendrummel zu erleben. Für die Einheimischen (auch für unsere armen Busfahrer) sind unsere gewohnten Essenszeiten mehr als befremdlich, vor 21 Uhr bewegt sich hier niemand in ein Restaurant.


Tag 7 Cudillero – Luarca – Playa de las Catedrales – Lugo – A Coruña

Unseren Tag müssen wir heute der Natur anpassen, denn die berühmte Playa de las Catedrales, also Strand der Kathedralen, steht auf dem Programm. Der vielversprechende Name kündigt die beeindruckenden und bizarren Felsformationen an, die durch tektonische Verschiebungen und Erosion innerhalb der letzten 500 Millionen Jahre entstanden sind. Tatsächlich begehbar ist dieser berühmte Strand nur, wenn Ebbe ist, daher müssen wir uns heute ein wenig gedulden.
Aus der Not kann man allerdings auch eine Tugend machen und so nehmen wir uns am Vormittag Zeit, außerplanmäßig die asturische Küste ein wenig ausführlicher zu Erkunden. Mithilfe unseres Chauffeurs Rafa sind auch schnell zwei Ziele ausgewählt. Zunächst fahren wir zu dem kleinen Fischerdorf Cudillero, das sich malerisch in die Steilküste hineinschmiegt, und ein wenig aussieht wie ein unbekanntes Partnerörtchen der Cinque Terre in Italien. Über zahlreiche Treppen und Aufgänge steigen wir zu mehreren Aussichtspunkten hinauf und erkunden die Nachbarschaft. Im Anschluss geht es weiter nach Luarca, wo wir am schönen Hafen mit bunten Fischerbooten eine Mittagpause einlegen. Dann geht es schließlich endlich weiter in Richtung Kathedralenstrand.
Kurz bevor wir unser Ziel erreichen, überqueren wir mit dem Fluss Eo auch die Grenze zur letzten spanischen Region auf unserer Reise: Galicien. Mit 29.575 km² ist sie eine der größten des Landes, hat jedoch nur etwa 2,7 Millionen Einwohner, von denen sich die meisten auf die großen Städte A Coruña, Santiago de Compostela und Vigo verteilen. Gesprochen wird auch hier eine eigene Sprache, Gallego, das dem Portugiesischen näher ist als dem Spanischen.
Als wir die Praia as Catedrais (jetzt also galicisch) erreichen, sehen wir zu unserer Erleichterung schnell, dass sich das Warten gelohnt hat. Ein gutes Stück des Strandes, und somit auch viele der aus dem Schiefer gewaschenen Höhlen und Türme, ist jetzt begehbar und wir können uns
Am späten Nachmittag geht es dann weiter mit dem Bus für einen Abstecher ins galicische Inland. Die Provinzhauptstadt Lugo wurde als Lucus Augusti im 14. Jahrhundert v. Chr. gegründet und besitzt bis heute eine vollständige Stadtmauer, deren Ursprünge auf römische Zeiten zurückgehen. Der Volksglaube besagt, dass die Mauer der Grund sei, warum es den Mauren im Jahr 997 nicht gelungen sei, die Stadt zu erobern. Nach einer Stippvisite in der Kathedrale zu einem spanischen Sonntagsgottesdienst und einer kleinen Stärkung fühlen sich dann die meisten dazu in der Lage die Altstadt auf der 2,1 km langen Mauer zu umrunden. Neben der schön gestalteten Puerta de Santiago und einigen blühenden Magnolien- und Kastanienbäumen, sehen wir vor allem, dass es noch großes Potential für Renovierungsarbeiten an den teilweise antiken Stadthäusern gibt.
Das letzte Ziel heute ist die größte Hafenstadt Nordgaliciens, A Coruña. Schon die Römer wussten die geschützte Lage in der Ría de Coruña zu schätzen und heute werden hier jedes Jahr über 13 Millionen Tonnen Güter umgeschlagen und an die 300.000 Passagiere eingeschifft.


Tag 8 Finisterre – Costa da Morte – Muros – Santiago de Compostela

Bevor wir A Coruña wieder verlassen fahren wir noch zum Wahrzeichen der Stadt, zum Torre de Hércules. Der Leuchtturm geht auf römische Zeiten zurück und soll der Legende nach aus dem Felsen erbaut worden sein, auf dem der Held der griechischen Mythologie drei Tage und Nächte lang gegen den Riesen Geryon gekämpft hatte.
Bei strahlendem Sonnenschein verlassen wir die Hafenstadt dann Richtung Westen, unser Ziel ist wortwörtlich das Ende der Welt: Kap Finisterre. Der 247 Meter hohe Granitfelsen galt lange Zeit als der westlichste Punkt Europas, man weiß zwar mittlerweile dank moderner Kartographie, dass das nicht so ganz stimmt, aber ähnlich wie am Nordkap ändert es nichts an der Anziehungskraft auf Touristen. Auch viele Jakobspilger legen, nachdem sie in Santiago angekommen sind, noch zwei bis drei Tagesetappen ein, um schlussendlich am Kap Finisterre Kilometer 0 des Weges zu erreichen. Ebenfalls ähnlich wie am Nordkap ist es ein wahres Glücksspiel einen Moment zu erwischen, in dem man von dem Felsen aus tatsächlich eine gute Sicht hat, doch wir haben heutige Glück auf ganzer Linie und eine herrliche Sicht über die Costa da Morte. Ihren Namen hat die Todesküste aufgrund der gefährlichen Klippen und Strömungen, die schon unzähligen Schiffen zum Verhängnis geworden sind.
Wir folgen anschließend der Küste Richtung Süden und fahren durch viele kleine Fischerdörfer, die zum Teil relativ verlassen, zum Teil komplett auf Sommertourismus umorientiert erscheinen. In Ézaro gibt es zudem einen sehr imposanten Wasserfall zu sehen, kurz bevor der Fluss Xallas in den Atlantik mündet. Im Hintergrund kann man den Berg Pindo erkennen, der in der galicischen Mythologie etwas Ähnliches darstellt wie der Olymp für die Griechen.
Pünktlich zum Mittag erreichen wir das Fischerdorf Muros, das sich vor allem bei spanischen Tagestouristen großer Beliebtheit erfreut. Das kann vor allem an dem breiten Angebot fangfrischen Fisches und Meeresfrüchten liegen und davon überzeugen auch wir uns. In den zahlreichen kleinen Hafenrestaurants lässt es sich wunderbar einkehren.
Am frühen Nachmittag brechen wir auf zu unserem verbleibenden „Pilger“weg Richtung Santiago. Wie die echten Pilger legen auch wir einen Stopp vor den Toren der Stadt am Monte do Gozo („Berg der Freude“) ein. Von hier aus kann man zum ersten Mal die Türme der Kathedrale von Santiago sehen. Wenn man schon knapp 800 Kilometer zu Fuß zurückgelegt hat, muss es ein überwältigendes Gefühl sein, das Ziel endlich buchstäblich vor Augen zu haben. Angesteckt von der Euphorie entscheidet sich der Großteil der Gruppe, die letzten vier Kilometer des Jakobswegs auch zu Fuß zurückzulegen. Der Rest wird von Rafa direkt zum Hotel chauffiert.
Für die Pilger geht es nun bergab und durch die Randbezirke des modernen Santiagos und dann durch das Viertel San Lazaro in die Altstadt hinein. Nach einer guten Stunde Fußmarsch betreten wir durch die Pilgerpforte und unter Begleitung typisch galicischer Dudelsackmusik die Praza do Obradorio vor der Kathedrale. Im ersten Moment erscheint der Dudelsackspieler sehr befremdlich n Spanien, allerdings beruft sich Galicien sehr stark auf seine keltischen Einflüsse und hat somit, genau wie Schottland, Irland und die Bretagne, das Blasinstrument in den letzten Jahrzehnten immer mehr für sich beansprucht.
Und obwohl wir keine echten Pilger sind, ist das Gefühl Teil eines großen Ganzen zu sein doch sehr überwältigend. Nachdem wir die besondere Atmosphäre der Freude und Euphorie noch eine Weile haben auf uns wirken lassen, spazieren wir zusammen durch die Altstadtgassen und trinken dann noch gemeinsam ein Bier um uns für die Strapazen des Pilgerwegs zu belohnen ;)
Nach dem Check In im Hotel treffen wir beim gemeinsamen Abendessen dann wieder auf den Rest der Gruppe und auf Rafael – und dann heißt es auch Abschied nehmen, denn unser Busfahrer verlässt uns morgen wieder Richtung Baskenland.


Tag 9 Santiago de Compostela

Heute steht die ausführliche Erkundung Santiagos auf dem Programm: unser Stadtführer Christian holt uns im Hotel ab und zusammen „pilgern“ wir entlang der Umrisse der alten Stadtmauern um die Altstadt herum und dann durch die engen Gassen in Richtung der Kathedrale. Der vor vielen Jahren nach Galicien ausgewanderte Deutsche erzählt uns lebhaft von seiner Wahlheimat, deren Einwohnern, den Studenten und den Pilgern und von der regen Entwicklung einer alten Stadt.
Natürlich hören wir auch noch einmal von der Legende um die Auffindung des Grabes des Heiligen Jakobus im 9. Jahrhundert, dessen Bedeutung im Kampf gegen die maurischen Eroberungsfeldzüge und die Erhebung des Heiligen zum „Maurentöter“ und Nationalheiligen. Wenig später im 11. Jahrhundert trafen nachweislich bereits die ersten Pilger im heutigen Santiago ein und der Strom reißt bis heute nicht ab.
Auch wir stehen jetzt wie die Pilger an der Heiligen Pforte, die nur im Xacobeo, in Jahren, in denen der Jakobstag auf einen Sonntag fällt, geöffnet wird. Die Kathedrale strahlt eine ganz besondere Energie aus und wir hören Christian zu, der uns über die verschiedenen Bauepochen unterrichtet. Anschließend geht es dann über den Kathedralenplatz hinein in das zugehörige Museum, wo wir uns die Rekonstruktion des gotischen Chors sowie den Kreuzgang anschauen, bevor wir schließlich die Kathedrale betreten.
Die Kirche selbst ist schon alleine deswegen beeindruckend, weil sich im Innenraum noch genau die verschiedenen Architekturepochen erkennen lassen. Die imposante Barockfassade wurde um das romanische Kirchenschiff herumgebaut und so die gesamte Originalstruktur erhalten. Im Gegensatz dazu steht der opulente, über und über mit Gold dekorierte, barocke Hochaltar. Im Vierungskreuz können wir auch den 53 kg schweren Weihrauchkessel, den Botafumeiro, sehen, der zu bestimmten Gottesdiensten durch das Querschiff geschwenkt wird. Ursprünglich war das keine Effekthascherei, sondern vor allem dafür da, um den Weihrauchgeruch möglichst effektiv zu verteilen – denn eine Masse mittelalterlicher Pilger verströmte – wie man sich vorstellen kann – nicht gerade die angenehmsten Düfte. Wer möchte, kann nun zur Pilgermesse bleiben, für den Rest der Gruppe geht es hinaus in die Altstadt, wo wir zunächst eine kleine Kaffeepause einlegen und anschließend mit Christian noch ein wenig durch die Stadt schlendern. Er zeigt uns die Markthallen mit allen kulinarischen Besonderheiten, sowie das umliegende Universitätsviertel.
Letztendlich geht es in Richtung des heutigen Stadtparks Alameda, von wo aus man eine tolle Aussicht hat auf die Altstadt und die Kathedrale, die alles überragt. Der Nachmittag bleibt uns heute für eigene Erkundungen, einen Spaziergang entlang des Camino Portugès oder die Möglichkeit ein wenig auszuspannen, bevor wir uns am Abend zum gemeinsamen Essen im Hotel treffen.


Tag 10 Baiona – A Guarda – Pontevedra – La Toja

Wir verlassen Santiago de Compostela heute mit einem neuen Bus und Fahrer Eduardo weiter Richtung Süden, sogar bis an die Grenze zu Portugal. Das Wetter zeigt sich heute zum ersten Mal typisch galicisch: grau verhangen mit gelegentlichem Regen. Wir hoffen also auf Besserung, während wir vorbei an Pontevedra und der größten Stadt Galiciens, Vigo, nach Baiona fahren.
Baiona ist ein Kleinstädtchen, das sich pittoresk an die zerklüftete Küste schmiegt und sich durch seine vorgelagerte grüne Halbinsel auszeichnet, auf der sich einst das Castelo de Monte Real befand. Dieses diente im Mittelalter und in der frühen Neuzeit vor allem zur Abwehr von Seeangriffen, denn die Stadt genoss königliche Privilegien und den damit einhergehenden Wohlstand. Hier soll auch im März 1493, unter dem Kommando Martín Alonso Pinzóns, die Pinta, das letzte Schiff der Flotte Kolumbus, eingelaufen sein und die Kunde über die Entdeckung – vermeintlich – Westindiens verbreitet haben. Das ehemalige Kastell wurde in den 1960er Jahren zu einem Parador, einem staatlich subventionierten Luxushotel, umgewandelt und bietet heute mit dem umliegenden Park eine ideale Gelegenheit für einen schönen Spaziergang. Zu unserer Freude bleibt das Wetter nach ein paar anfänglichen Regentropfen stabil und wir können ein dramatisch-schönes Küstenpanorama genießen.
Nach einer kleinen Mittagspause geht es für uns weiter nach A Guarda, wörtlich die Wache. Der Ort liegt direkt an der Mündung des Flusses Miño in den Atlantik und somit auch direkt an der natürlichen Grenze zu Portugal. Schon in der Bronzezeit um 600 v. Chr. wussten die Kelten diese ideale Lage zu schätzen und legten am Hang des 341 Meter hohen Monte de Santa Tegra ihre Siedlung an. Aufgrund der sehr gut erhaltenen Grundmauern und zahlreicher archäologischer Funde kann man davon ausgehen, dass hier einmal zwischen 3.000 und 5.000 Menschen lebten, die weitestgehend autark von Landwirtschaft, Fischfang und Jagd lebten. Auch Töpferei, (Kunst-)Handwerk und Textilherstellung wurden betrieben und zahlreiche Handelsbeziehungen unterhalten.
Auf dem Weg zu unserem Hotel auf der Ferieninsel La Toja machen wir, so wie es sich für echte Pilger auf dem Camino Portugès gehört, noch Halt in Pontevedra. Die Provinzhauptstadt war schon im Mittelalter eine der wichtigsten Zwischenetappen auf dem Weg nach Santiago de Compostela. Die dort angesiedelten Franziskaner und Dominikaner kümmerten sich um die Pilger, boten ihnen Verpflegung und einen Schlafplatz, lange bevor es überall Herbergen gab. Aus diesem Grund baute man auch im 18. Jahrhundert das eigenwillige Heiligtum der Virgen Peregrina, also der pilgernden Jungfrau. Maria wird hier tatsächlich in Pilgertracht gezeigt, während der barocke Bau auf dem Grundriss einer Jakobsmuschel steht. Auch sonst ist die kleine Altstadt recht einladend und so entspannen wir ein wenig bei einer Tasse Kaffee auf der Plaza.
Im Anschluss bringt uns Eduardo dann entlang der Küstenstraße durch kleine Fischerdörfer und etwas größere Touristendörfer zur bekannten Ferieninsel La Toja. Die Insel ist schon seit präromanischen Zeiten für ihre Heilquellen bekannt und seit dem 19. Jahrhundert Kurbad – und für uns nun unser Zuhause für die letzten beiden Nächte. Für Begeisterung sorgt vor allem das reichhaltige Buffet, welches uns zum Abendessen erwartet und so lassen wir den Abend gemütlich gemeinsam ausklingen.


Tag 11 O Grove – Isla de la Toja – Bodega Granbazán

Der letzte richtige Tag unserer Reise soll heute gemütlich bleiben. Am Vormittag verlassen wir die Insel La Toja – jedoch nicht ohne dass uns Eduardo die Inselmaskottchen, die La Toja-Esel vorstellt. Unser Weg führt uns in den nahe gelegenen Ort O Grove, Hauptort der gleichnamigen vorgelagerten Halbinsel in der Ría de Arousa. Die Einwohner leben neben dem Tourismus und dem Fischfang vor allem von der Muschelzucht. An eigens dafür angefertigten Flößen werden hier Miesmuscheln, Jakobsmuscheln und Austern gezüchtet. Bei einer einstündigen Schifffahrt werden uns die Hintergründe der Muschelzucht erklärt und uns alles direkt vor Ort gezeigt. Später dürfen wir die frischen Meeresfrüchte natürlich auch probieren.
Der Mittag bleibt zur freien Verfügung, um spazieren zu gehen, die Pool- und Thermallandschaft des Hotels zu genießen oder ein wenig die Insel La Toja zu erkunden. Am Nachmittag treffen wir uns dann wieder, denn es steht noch eine Weinverkostung des galicischen Albariño bei der Bodega Granbazán auf dem Programm.
Der „Weiße vom Rhein“ ist entgegen der ersten Vermutung nicht mit unserem Riesling verwandt, sondern mit dem Traminer. Nichtsdestotrotz hat der neue Kellermeister mehrere Jahre in Deutschland gearbeitet und auch Carina, die uns über das Weingut führt, hat ihre ersten Lebensjahre in Bayern verbracht und ist somit ein repräsentatives Beispiel für die Kinder der Galicier, die es in den 1970er Jahren in die Ferne getrieben hat. Während die einen noch heute die Heimat verlassen, kommen die anderen schon seit mehreren Jahren wieder zurück in die Geburtsorte ihrer Eltern. Wir verkosten insgesamt vier der besonderen Weißweine zusammen mit Muscheln und Käse und sind überrascht, wie unterschiedlich Weine aus derselben Traube sein können.
Beim gemeinsamen Abendessen im Hotel werden schon die ersten Eindrücke rekapituliert und nett geplaudert.


Tag 12 Rückreise

Tag 12 Rückreise
Wir können es alle kaum glauben, doch schon neigt sich unsere Reise dem Ende zu. Am frühen Vormittag fahren wir mit dem Bus zurück nach Santiago de Compostela – die letzten unserer insgesamt rund 1.700 Kilometer quer durch den Norden Spaniens. Von der Autobahn aus grüßen wir die Kathedrale von Santiago noch ein letztes Mal bevor wir Richtung Flughafen abbiegen.
Wir verlassen Spanien mit vielen neuen Eindrücken und Erkenntnissen und einem ganz neuen Bild des Landes. Denn Spanien ist wirklich nicht gleich Spanien und einmal mehr müssen wir wohl erkennen: je mehr man reist, desto mehr möchte man entdecken. Die Liste wird niemals kürzer, sondern immer nur noch länger.

Schlusswort

Liebe Reisegäste,

ich möchte mich ganz herzlich dafür bedanken, dass Sie in diesen unsicheren Zeiten und trotz teilweise mehrerer Terminverschiebungen die Lust am Reisen nicht verloren haben und uns treu geblieben sind. Ganz besonders gefreut hat es mich, dass die doch so bunt gemischte Gruppe sich so wunderbar zusammengefunden hat und die ganze Reise über eine sehr angenehme Atmosphäre geherrscht hat. Vielen Dank dafür!

Bleiben Sie alle gesund und ich freue mich über ein Wiedersehen in naher Zukunft.



Ihre/Eure

Sinah Witzig



P.S.: Ich verspreche, dass ich vom Jakobsweg berichten werde, wenn es dann soweit ist :)

Kommentare zum Reisebericht

Der Reisebericht fasst sehr treffend unsere wunderschöne, interessante und vielseitige Reise durch den Norden Spaniens zusammen und lässt uns in Gedanken alles noch einmal erleben. Trotz Corona gab es keinerlei Schwierigkeiten bei der Organisation, alles lief reibungslos, sodass wir die Eindrücke ungestört genießen konnten. Unsere Reiseleiterin Frau Sinah Witzig hatte die Organisation sehr gut im Griff, versorgte uns mit allen nötigen Informationen und schuf immer wieder kleine zusätzliche Höhepunkte. Wir werden uns immer gern an diese Reise erinnern und wünschen Frau Sinah Witzig für die Zukunft alles Gute! Vielleicht sehen wir uns bald bei einer anderen Reise wieder!

Bettina Gerth
21.09.2021