Reisebericht: Rundreise Frankreich – Südwest– und Zentralfrankreich

26.07. – 04.08.2014, 10 Tage Rundreise durch Frankreich von der Atlantikküste zu den Vulkanbergen der Auvergne mit Bordeaux – St. Emilion – Bergerac – Perigueux – Sarlat–la–Caneda – Lascaux – Rocamadour – Conques – Millau – Le Puy–en–Velay – Issoire – Clermont Ferrand – Para


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Schroffe Schluchten wechseln sich mit einer Kette von Vulkanbergen ab, grüne Wälder mit kargen Hochflächen, kleine Dörfer mit belebten Winzerorten, Bauwerke und Fahrzeuge des 21. Jahrhunderts mit romanischen Abteikirchen - die Vielfalt Frankreichs
Natur und Kunst in Zentralfrankreich
Ein Reisebericht von Peter Großer
Ein Reisebericht von
Peter Großer

Sonnabend, 26.07.2014


Frankreich lieben heißt, für etwas zu schwärmen, das so zu sein scheint, wie das Glück, von dem man träumt.
Dieses Zentralfrankreich. was ist das eigentlich ?
„Die Mitte Frankreichs lockt vor allem Naturliebhaber und alle, die es etwas einsamer mögen" schreibt www.rendezvousfrance.com und rechnet unter anderen die Regionen Centre (Zentrum), Burgund und Auvergne dazu. Aber jeder definiert das Gebiet anderes. Wir meinen damit das Zentralmassivs und benachbarte Gebiete, wie Dordogne oder Burgund. Das oben angeführte Zitat gilt aber im vollem Umfang. Tatsächlich werden wir in unseren Zielgebieten glücklicherweise kaum Touristenströme antreffen, sondern einzeln reisende Naturliebhaber - und Liebhaber der Kunst. Auch für Freunde technischer Leistungen wird es Interessantes geben.
Aber bis dahin ist es noch weit. Und es gibt auf der Strecke von Saarbrücken nach Paris viel zu sehen und viel zu erfahren. Lothringen mit seiner Landwirtschaft, Champagne-Ardenne mit seinem Wein für die Champagnerherstellung, die Wälder der Ile de France, über 2000 Jahre Geschichte von den Römerstädten Reims und Metz bis zum TGV, der vorbeirast. Aber auch eine Kette von Stätten blutiger Auseinandersetzungen zieht sich von Spichern unmittelbar an der Grenze über Metz, Valmy, Verdun, Reims bis vor die Tore von Paris. Gerade Verdun mahnt uns, 100 Jahre nach Ausbruch des 1. Weltkrieges: „Habt ein besseres Gedächtnis" schrieb Erich Kästner 1932. Im nächsten Jahr werden es aber auch 70 Jahre des Friedens sein.
Am Abend treffen wir in Creteil ein, einem östlichen Vorort von Paris. Dort wo sich das moderne Novotel befindet, sind moderne Wohnhäuser in eine Parklandschaft gesetzt.

Sonntag, 27.07.2014

Bevor wir den Hochgeschwindigkeitszug TGV besteigen, unternehmen wir eine kleine Stadtrundfahrt durch Paris. Die Neubauten des Ostens wie Nationalbibliothek oder Finanzministerium, Ile de La Cité mit der Notre Dame, der Louvre, der Place de la Concorde, für viele Erinnerungen, für einige auch die ersten Eindrücke von der Stadt. Die Champs-Elysses können wir nicht besuchen, Paris bereitet sich auf die letzte Etappe der Tour de France am Nachmittag vor.
Über 300 km/h erreicht der TGV auf der Strecke nach Tours, Tunnel und begegnende Züge lösen kleine Druckwellen aus, die man spürt. Aber der Zug kann auch gemütlich fahren, denn die Neubaustrecke nach Bordeaux ist noch nicht fertig. Ein weiteres modernes Verkehrsmittel treffen wir in Bordeaux an: eine Straßenbahn, die in den Außenbezirken mit Stromabnehmer fährt, den sie aber in der Innenstadt einklappt und den Strom aus einer Mittelschiene bezieht. Am Denkmal der Girondisten, jener gemäßigten Revolutionäre aus dem Departement Gironde, die der Radikalisierung der Revolution zum Opfer fielen, beginnt unser Stadtrundgang. „Nehmt Versailles und fügt Antwerpen hinzu, dann habt ihr Bordeaux" sagte Victor Hugo. In der Tat, das 17. Und 18.Jahrhundert hat Bordeaux mit prächtigen Gebäuden versehen, so das Theater von Victor Leloux oder die die Bebauung des Place de la Bourse. Kilometerlang ziehen sieht sich die Kette der ehemaligen Handelshäuser an der Garonne entlang. Wir besichtigen die als Siegestor gebaute Porte Cailhou und da Stadttor mit der großen Glocke (Grosse-Cloche), durch das die Jakobspilger auf der von Tours (Aachen) ausgehenden via Turonensis nach Süden zogen. An der Kathedrale St.-André gönnen wir uns erst einmal eine Pause im Terassencafé, bevor wir zu Bus zurückkehren, der inzwischen in Bordeaux eingetroffen ist. Das ausgezeichnete Mercure-Hotel liegt gleich in der Nähe.

Montag, 28.07.2014

Wir verlassen die Welt der Großstädte und kommen nach St.-Emilion. Bis hierher zieht es noch viele Touristen und vor allem Freunde eines guten Weines. Die Kulturlandschaft um St.-Emilion ist UNESCO-Weltkulturerbe. 200 km unterirdische Gänge wurden in den Kalkstein geschlagen, ideale Weinkeller. Der reizende Ort mit den vielen Weinhandlungen bietet aber auch bemerkenswerte Architektur: die Kirche Notre Dame mit ihrem Kreuzgang, verfallene Abteien und vor allem die Felsenkirche, die größte Frankreichs. Schon vorher wurden Höhlen aus den Stein geschlagen, der Eremit Emilion nutzte eine als Wohnung, andere dient als Begräbnisstätten. Die anschließende Felsenkirche ist ebenso aus dem Stein gehauen und trägt noch Spuren ursprünglicher Reliefs und Fresken. Ihre mächtigen quadratischen Säulen müssen den 3500 t schweren Kirchturm tragen, zu Sicherheit umschließen sie schwere Stahlarmierungen.
Nach einer Mittagspause an der Dordogne besuchen wir die mittelalterliche Stadt Bergerac,
früher Umschlaghafen für Tabak, Holz und Steine, aber vor allem Wein. Noch heute ist Bergerac ein bekanntes Weinanbaugebiet. Der Charme der Stadt mit seinen Stein- und Fachwerkhäusern hat früher und heute viele Besucher angezogen, nur nicht Savinien de Cyrano de Bergerac, den liebenden und verzichtenden Soldaten in der Gascogne, der den Spott über seine lange Nase mit dem Degen beantwortete.
Perigueux ist das Zentrum der Landschaft Perigord. Der Ort entstand durch Zusammenschluss der erst keltischen, dann römischen Neugründung Cité und der Bischofsstadt St. Front im 13.Jhdt., wie Bergerac am Pilgerweg via Lemonvicnensis, der von Vezeley (Breslau) ausgeht. Gelegen. Nach dem Niedergang während den 100-jährigen Auseinandersetzungen zwischen England und Frankreich blühte die Stadt in der Renaissance wieder auf, die prächtige Familiensitze hinterließ. Ein schönes Beispiel aus diese Zeit ist im Inneren eines unscheinbaren Hauses verborgen: eine prächtige Renaissancetreppe, zu der nur Zugang hat, wer das Geheimnis kennt. Die Kathedrale St. Front, benannt nach 1. Bischof der Stadt beherrscht das Stadtbild. Ihre Kuppeln mit dem Schuppendächern und den Laternen stammen von Paul Abadie, der seinen Stil später bei der Sacre Coeur in Paris anwandte. Etwas außerhalb beziehen wir in Tréllisac in einem Hotel am Waldrand Quartier.

Dienstag, 29.07.2014

Wir fahren in das Eldorado der Vorgeschichte. Vor allem in den Zeiten der Vergletscherung Nord- und Mitteleuropas zogen sich die Tiere in den enger gewordenen Raum nach Süden zurück. Ihnen folgten die Menschen und fanden unter Felsüberhängen (Abri) und in Grotten Unterschlupf, die die Vézère in den Felshängen gebildet hatte. Über 200 Fundstätten aus der Steinzeit gibt es hier, viele haben den einzelnen Epochen der Steinzeit den Namen gegeben und auch dem modernen Menschen: Cro Magnon. Von der geistigen Entwicklung der Menschen, der Herausbildung von Kunst und Religion künden die vielen Felsmalereien und
Reliefdarstellungen. Der bekannteste Fundort ist die „Sixtinische Kapelle der Vorzeit", wie sie der „Papst" der Vorgeschichte, Abbe Breuil nannte. Lascaux II ist ein Kunstwerk in doppelten Sinne: die naturgetreue farbige Abbildung von Stieren und Pferden vor 16.000 bis 18.000 Jahren und die zentimetergetreue Nachbildung der Höhle mit Beton und Kunststoff sowie die Reproduktion der Malereien mit den Methoden der damaligen Höhlenkünstler. Nach zwei kleinen Informationsräumen tritt man in den Saal der Stiere ein, staunt und vergisst dabei, dass man nicht in der 200 m entfernten Originalhöhle ist, die nur wenige Wissenschaftler und Staatspräsidenten besuchen dürfen. Wir fahren weiter durch das Vézèretal und besuchen das blumengeschmückte Dorf St.-Leon mit seinen Steinhäusern aus gelblichen Kalkstein und einer bemerkenswerten romanischen Kirche. Ein zweite prähistorische Stätte liegt hoch in der Felswand bei La Roque St.-Cristophe. Sie wurde aber nicht wie Lascaux (glücklicherweise) verschüttet, sondern noch in geschichtlicher Zeit als Zufluchtsstätte vor Normannen, Engländern und Katholiken genutzt. Sarlat ist keine Stadt, sondern ein Freilichtmuseum der gotischen und Renaissance-Architektur. Für Henri Miller war es das „dem Paradies am ähnlichsten". Frankreichs Kulturminister Malraux, der im Perigord in der Résistance gekämpft hatte, setzte Sarlat mit 3 anderen Orten als erste auf eine Liste der Restaurierung historischer Orte. 20 Jahre dauerte Renovierung. Kathedrale St.Sacerdos,
das Haus des Etienne de la Boetie (Freund Montaignes) und die mysteriöse Totenlaterne stehen dicht beieinander. Letztere erinnert wohl an den Besuch des heiligen Bernhard, der 1147 die Bevölkerung mit geweihtem Brot von der Pest geheilt haben soll.
Und noch ein Höhepunkt an diesem Tag: die Fahrt mit einer Gabare, einem Nachbau der damaligen Dodogneschiffe in La Roque-Gageac. Vom Boot aus ist der an die Felswand angebaute Ort mit seiner Höhlenfestung besonders gut zu sehen. Die Fahrt führt bis zur Burg Castelnaud, die meistbesuchteste Burg Südwestfrankreichs. Sie wurde fünfmal durch Engländer erobert und lieferte sich Kanonenduelle mit der französisch besetzten Burg Beynac-et-Cazenac, an der wir später mit dem Bus vorbeifahren. Noch einmal sehen wir in Les Eyzies-de-Tayac, Mekka der Vorgeschichte und prähistorische Hauptstadt der Welt Höhlensysteme über der Stadt. Hier wurde der Cro-Magnon-Mensch entdeckt.

Mittwoch, 30.07.2014

Wir verlassen die Region Aquitanien und kommen in das Midi-Pyrenées. Mehrere Jakobspilgerwege durchziehen das Südwestfrankreich und streben zum Fuß der Pyrenäen, um über das Tal von Roncavalles den spanischen Jakobsweg bis Santiago die Compostella
zu erreichen. Von diesem Tal schleuderte der tödlich verwundete Roland, Paladin Karl des Großen, sein Schwert Durandel bis Rocamadour, wo es im Felsen steckenblieb. Auch der unverwest aufgefundene Leichnam des geheimnisvollen Eremiten Amadour bewirkte viele Wunder. Könige und Arme, Kranke und zur Wallfahrt verpflichtete Verbrechen, Jahrespilger auf der Durchreise kamen hierher, selbst der Entdecker Kanadas, Cartier mit seiner skorbutgeplagten Mannschaft. Der Adel dominiert mit einem Schloss die Felswand, darunter der Kirchenbezirk an die Wand angebaut, weiter unten das kleine, hübsche Dorf mit nur einer Straße.
Auch Conques liegt (wie Rocamadour und Figeac) an einem Jakobspilgerweg, der via Podensis, die von Le Puy-en-Veley (Prag,Budapest) ausgeht. Der Ort versteckt sich in ausgedehnten Wäldern. Nie hätte der winzige Ort eine solch große Kirche gebaut, wenn nicht die Pilger zum Grab der Heiligen Fides (Ste.-Foy) gekommen wären, die mit 13 Jahren für ihren Glauben starb und deren Reliquien aus Agen „organisiert" wurden. Ein Schatz der romanischen Baukunst ist das Tympanon. Eindrucksvoll wird den staunenden Pilgern vermittelt, dass die Seelenwägung Weltgerichtes entscheidet, auf welcher Seite des
thronenden Christus man sich wiederfindet. Eindrucksvolle werden die Höllenqualen dargestellt, die spezifisch dem jeweiligen Laster der Menschen angewandt werden. Nein, da möchte schon lieber auf der rechten Seite ankommen.
Über Figeac (Geburtsort von Jean-François Champollion, der den Hieroglyphen-Code knackte) und der Universitätsstadt Rodez gelangen wir auf die Causses, die Kalkhochfläche der Cevennen, Die Flüsse haben tiefe Täler ausgeschnitten und Tafelberge gebildet. Im Tal des Tarn liegt Millau, die Stadt römischer Töpfereien und mittelalterlicher Handschuhmanufakturen. Hier übernachten wir. Viele haben vom Hotel in der Stadtmitte aus den Blicke auf das technische Wunderwerk: den Viaduc de Millau.

Donnerstag, 31.07.2014

Zuerst besuchen wir die höchste Autobahnbrücke der Welt, eine gelungene Synthese der technischen Leistungen der von Gustave Eiffel gegründeten Baufirma Eiffage und der
Ästhetik des Entwurfes des Stararchitekten Norman Foster. Die Abmessungen sind großartig: 343 m Bauwerkhöhe (höher als der Eiffelturm), 270 m Fahrbahnhöhe über Grund, 2500 m Gesamtlänge. Wir sehen die Brücke von unten, aus der Talperspektive und bei Überfahren mit dem Bus aus unterschiedlichen Gesichtswinkeln. Zurück zur Natur! Das bei Millau breite Tarn-Tal verengt sich zu einer bis zu nur noch 30 m breiten Schlucht. Felswände mit zum Teil grotesken Figuren bauen sich auf. Felsentore sind zu durchfahren und vor allem dem Gegenverkehr auszuweichen. Dutzende Autos mit leeren Anhängern für Kajaks kommen uns entgegen. Auf dem Tarn bewegen sich die Boote mit der Strömung, insgesamt Hunderte. Camping- und Zeltplätze liegen am Ufer. Kleine Orte werden durchfahren, der schönste ist wohl Ste.-Enemie. In den Legenden um die leprakranke Merowingerprinzessin, die an einer Quelle Heilung fand und ein Kloster gründete, spielt der Kampf mit dem Teufel eine große Rolle. Danach wird das Tal breiter. Wir legen eine Mittagspause gegenüber dem kleinen Ort Castelbouc ein, den eine Burgruine überragt. Hier soll ein Ritter, der nicht am Kreuzzug teilnahm, die vereinsamten Burgfräuleins
der Umgebung unterhalten haben, bis er vor Erschöpfung starb. Bei Florac wechseln wir in das Tal des Tarnon und kommen dann auf Hochebene hinauf, zur Causse Méjean.
Dann geht es wieder hinab in die Schlucht, die die Jonte gegraben hat. Hinweise auf Tafeln zeigen Wege zu Grotten und Aven (senkrechte Karsthöhlen) an. Hoch am Himmel kreisen Gänsegeier. In Le Roziers, am Zusammenfluss von La Jonte und Tarn legen wir noch einmal eine Rast ein.

Freitag, 01.08.2014

Das Zentralmassiv bedeckt ein fast Sechstel der Oberfläche Frankreichs. Seine Geologie
Ist sehr unterschiedlich. Die Kalkochflächen der Cevennen und die Causses haben wir bereits kennengerlernt. Nun kommen wird in die waldreiche Granitlandschaft der Mageride. Einzelne Pilger kreuzen unseren Weg. Bei Saugues bewundern wie die große hölzerne
Bestíe von Gevaudon. Ihr nicht genau bestimmtes Vorbild hat zwischen 1764 und 1767 102 Menschen zerrissen. Eine Treibjagd mit 20.000 Soldaten und Jägern brachte nur 3 Wölfe zur Strecke. Es bleibt ein Rätsel. Nach Granit nun Vulkangestein. Der Allier-Fluss, früher Eldorado der Lachse, hat bei Monistrol Basaltwände freigelegt, in der die Struktur des fließenden Lavastromes erhalten blieb. Oft haben Lavaströme die Sedimentdecke durchbrochen und Kegel gebildet, die aber später bis auf den Schlot oder den Vulkankegel angetragen wurden. In Le Puy-en-Velay sehen wir die unterschiedlichen Formen: der Rocher d'Aiguilhe, der die St.-Martinskapelle trägt Ist ein Schlot, der Rocher Corneille mit der Marienstatue Notre-Dame de France ist ein Rest von Vulkankegeln und die Reste der Burg Polignac, die wir später sehen, liegen auf einer Basalttafel. Das schwarze Vulkangestein bestimmt auch die Altstadt von Le Puy und vor allem die hochgelegene Kathedrale Notre Dame und ihre Klostergebäude. Anziehungspunkt der Pilger ist die schwarze Madonna, die wunde bewirkte. Sie ist allerdings nur eine Kopie des in der Revolutionszeit verbrannten Originals einer (vermutlichen) Isis-Statue. Die Auvergne war nie ein reiches Land. Viele mussten auswandern. Um so bedeutender ist der Beitrag der sogenannten Erziehungsfräuleins, die ab 1407 das Spitzenklöppeln entwickelten, Kinder in Lesen, Rechnen, Schreiben und Klöppeln unterrichteten und das Handwerk in den umliegenden Dörfern verbreiteten. Im 18.Jhdt. gab es im Gebiet 80.000 Spitzenklöpplerinnen.
Die Auvergne ist aber auch bekannt durch seine romanischen Kirchen, deren Form der Ostseite als avergnatische Pyramide bezeichnet wird. Über Kapellenkranz, Umgangschor und Querschiff erhebt sich ein quaderförmiger, an den Seiten abgeschrägter Block, der den Vierungsturm trägt. In Issoire lernen wir eine solche Kirche kennen, die einem Missionar der Auvergne, St.-Austremoine, gewidmet ist. Sie glänzt mit einer bunten Bemalung, so wie die Kirchen früher ausgestattet waren, die aber mehr dem Zeitgeschmack des 19.Jhdt. als der Romanik geschuldet ist. Hervorragende Figurenkapitelle und ein eindrucksvolles Weltgerichtsgemälde in der Katechismuskapelle machen die Kirche zu einem Juwel der Auvergne. In Clermont-Ferrand übernachten wir. Am Hotel fährt eine eigenwillige Straßenbahn auf gummibereiften Rädern vorbei, die nur eine Mittelschiene für die Stromableitung benötigt. Modern wie in Bordeaux, nur ganz anders.

Sonnabend, 02.08.2014

Der Tag steht ganz im Zeichen des Vulkanismus. Vor 4000 Jahren erlosch der letzte Vulkan, aber ein Ausbruch in heutiger Zeit ist nicht ausgeschlossen. „Ein Vulkan verleiht jeder Landschaft etwas Überraschendes, selbst wenn er erloschen ist." meinte Stendhal. So ein erloschener Vulkan ist der Puy du Dome (1465 m), dessen Gipfel 1000 m über Clermont-Ferrand liegt und mächtige Antennenanlagen trägt. Schon die Römer bauten hier einen gewaltigen Merkurtempel, Blaise Pascal stellte fest, dass der Luftdruck 8,4 mbar niedriger war als in der Stadt, 1908 landete ein Flugzeug aus Paris hier (4 Jahre nach Erfindung des Motorfluges !), die Radfahrer der Tour de France bezwangen die 12 % Steigung. Heute führt eine Zahnradbahn hinauf. Vom Rundweg aus kann man in die zugewachsenen Krater benachbarter Vulkane hineinsehen. Auf 40 km reihen sich etwa 100 Vulkane vom Dom-Typ
und Strombolityp (Schlackenkegel)
Dem Thema Vulkanismus ist das Museum Vulkania gewidmet, dass in einem Vulkankrater 40 m tief hineingebaut wurde. Mit allen zur Verfügung stehenden Mitteln wird neben den Ausstellungen und dem Dokumentationszentrum die Welt der Vulkane gezeigt: Filme auf einer der größten Leinwände Europas, 3D-Filme, Geräusche, aufflammende Infrarotstrahler, Simulation von Erdbeben (schön festhalten!), Animationen, interaktive Touchscreens, Fahrt auf dem Vulkan-Bull im Außengelände. Das Museum ist einmalig in Europa. Ein eindrucksvoller Film erklärt uns: Die Erde fürchtet kein Erdbeben, sie fürchtet keine Überschwemmungen, sie übersteht diese Katastrophen. Sie fürchtet nur eins: den Menschen. Die Erde gewinnt und wenn wir auf sie hören, gewinnen wir auch.
Nach diesem eindrucksvollen Besuch noch einmal Kunst und Natur. In Orcival steht eine weitere der 6 berühmten romanischen Kirchen der Auvergne. Ihre Bedeutung geht auf eine wundertätige Madonna zurück, deren vergoldete Sitzstatue mit dem Jesuskind auf dem Knien in diesem Jahr bekrönt ist. Man feiert den 120 Jahrestag ihrer Bekrönung anlässlich der Erhebung der Abteikirche zur Basilka minor durch den Papst. In der Krypta befindet sich die eucharistische Taube, Sinnbild der Anwesenheit des Heiligen Geistes.
2 weitere Vulkanformen lernen wir beim letzten Ausstieg kurz vor Mont-Doree kennen:
Roches Tuilière und Roche Sanadoire, sogenannte Necks, Reste von Vulkanschloten, deren Umgebung durch Erosion abgetragen wurden. Nach diesem ereignisreichen Tag geht es wieder nach Clermont-Ferrand zurück.

Sonntag, 03.08.2014

Noch eine Region erwartet uns: Burgund mit seinen Hügeln, Wäldchen, kleinen Dörfern mit romanischen Kirchlein, seinen berühmten Klöstern, den Weiden mit den berühmten Charrolais-Rindern und seinen Weinbergen.
In Paray-le Monial finden wir eine Prioratskirche, die 1090 begonnen wurde und in rascher Zeitfolge 2 Vorgängerkirchen ablöste. Die Benediktiner hatten sich der Abtei Cluny angeschlossen, deren Baustil prägte auch „Klein-Cluny". Hier lösten die Jesus-erscheinungen der Nonne Marguerite-Marie Alacoque vor 300 Jahren die Herz-Jesu-Bewegung innerhalb der katholischen Kirche aus. An diesem Tag ist der Ort Ziel einer großen Wallfahrt. Der kleine Ort hat auch andere schöne Bauten, darunter das prunkvolle Renaissancewohnhaus eines reichen Tuchhändlers, das später die Stadt für ihr Rathaus kaufte.
Cluny war der Sitz eines Klosterimperiums, das dem Papst unmittelbar unterstellt war und von 6 Äbten aufgebaut wurde, die lange regierten. In der Zeit hatte Rom 42 Päpste verschlissen. In der Blütezeit gab es 1200 Klöster mit 20.000 Mönchen von Portugal bis Polen, die Cluny unterstanden. Das Kloster hatte hervorragenden Anteil an der geistigen Entwicklung des Abendlandes. Hier baute man die größte romanische Kirche der Welt, deren Dimensionen erst von der Peterskirche in Rom übertroffen wurden. Leider fiel sie den Wirren der Revolution zum Opfer. Nur ein erhaltener Querschiffarm mit 2 Türmen erinnert an die gewaltige Größe.
Wir beschließen die Reise in Beaune, Hauptstadt des Weinanbaus der Bourgogne. Der Kanzler Nicolas Rolin, 4 Jahrzehnte Kanzler des Herzogs von Burgund und seine 5. und wohlhabendste Frau Guignone de Salins stifteten ein Hospital für die Kranken, das bis 1971 in diesen Räumen und fast mit der originalen Einrichtung aus dem 15.Jhdt. bestand. Im Saal der Armen konnten bis zu 56 Kranke in 28 Kojen untergebracht werden. Der Saal der Reichen ist kleiner, aber mit prächtigen Gemälden geschmückt. Allerdings konnten die Armen an Sonntagen den aufgeklappten Weltgerichtsaltar Rogier van der Weydens sehen, der heute in einem abgetrennten gesonderten Raum steht. Die Einrichtungen der Küche und der Apotheke sind erhalten und mit Puppen in Schwesterntracht ausgestattet. Von außen ist das HospizGebäude ganz schlicht, der Innenhof zeigt aber ein farbenprächtiges Dach aus glasierten Ziegeln mit 11 Erkern und 50 Wetterfahnen.
Burgund hat einen typischen Aperitif, den Kir, benannt nach einem Abbé und Bürgermeister
von Dijon, gemischt aus dem edlen Weißwein Aligoté und Creme de Cassis, Johannisbeerenlikör. Mit ihm stoßen wir zum Abschluss der Reise in unserem Hotel in Chalons-sur-Saone an.

Montag, 04.08.2014

Über Dijon, Toul, Nancy kommen wir wieder nach Metz. Hier schließt sich der Kreis. Eine schöne, interessante und erlebnisreiche Reise in harmonischer Atmosphäre geht zu Ende.
Für Naturen wie die meine ist eine Reise unschätzbar:
sie belebt, berichtigt, belehrt und bildet.
Johann Wolfgang von Goethe

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Kommentare zum Reisebericht

Wenn einer eine Reise tut, dann kann er Wasser zählen So lautet die Verballhornung der bekannten Worte von Matthias Claudius. Wir konnten auf unserer Reise allerhand „Wasser zählen“: den Main, den Rhein, die Seine, die Garonne, die Dordogne, die Vézère, den Tarn, den Tarnon, die Jonte und den Allier-Fluss. Sicher habe ich einige vergessen. Die ausgezeichnete Reiseleitung und der ausführliche Reisebericht von Peter Großer bedürfen keiner Ergänzung, sie sind einfach zu loben. Deshalb nur stichpunktartig einige Bemerkungen: Für uns Leipziger begann die Reise in Jena, wo uns der Zubringer hinbrachte. Die Aral-Tankstelle am Stadtrand erwies sich als die falsche, die richtige lag auf der anderen Autobahnseite, wir fanden sie rechtzeitig. Die Geisterfahrerin kurz nach der Weiterreise brachte uns allen einen kleinen Nervenkitzel und Gesprächsstoff für die nächsten Kilometer im bequemen Reisebus. Bis Saarbrücken fuhren wir vorwiegend durch Wald, auch Lothringen bestand aus Autobahnsicht nur aus Wald. Die Champagne bot karges Hügelland mit Kugeln, Scheiben und Pyramiden am Straßenrand, damit die Autofahrer nicht einschlafen. Kunst mit nützlichem Nebeneffekt. Die erste Rast in Frankreich ließ uns ein paar Schritte über einen „Pique-Nique“-Platz wandern. Herrlich, die französische Sprache. Entgegen aller Befürchtungen waren die Hotelbetten recht breit und die Frühstücksangebote reichlich. Französische öffentliche Toiletten sind allerdings ein Kapitel für sich. Wir erlebten auf dieser Reise eine, die uns in völliger Dunkelheit einsperrte, die Tür verriegelte und dann ausgiebig und zentimeterhoch den Fußboden durchspülte. Erst danach ließ sich die Tür wieder öffnen. In Saint Émilion verlor ein Mitreisender seine Mütze, wir fanden sie. Wir fanden dort auch einen kleinen Weinverkauf. Auf meine Bitte nach zwei Glas Rotwein nahm mich die Kellnerin mit hinein und wies auf eine Reihe von etwa zwanzig Rotweinflaschen. Von links beginnend kostete das Glas sechs Euro, dann sieben, dann acht und so weiter. Den Rest ließ ich mir nicht zeigen und bleib bei zwei Gläsern für je sieben Euro. Sie schmeckten vorzüglich. Nicht auszudenken, wie gut der Wein von rechts außen geschmeckt hätte. Und was er gekostet hätte. Ein Mitreisender hatte vergessen, seinen Zimmerschlüssel abzugeben. Peter Großer wusste sofort Rat: Den Schlüssel einfach in den nächsten Briefkasten werfen, er würde dem Hotel zugeschickt. Ob das in Deutschland möglich wäre? Ich denke eher, dass bei uns ein Postbeamter den Schlüssel wegen grober Missachtung der geltenden Beförderungsbestimmungen und vor allem wegen fehlender Freimachung eher in den nächsten Mülleimer als zum Hotel befördern würde. Am dritten Tag erhielten wir Nachricht, dass sich zu Hause die Schwägerin ein Sprunggelenk gebrochen hatte und sechs Wochen an Krücken gehen muss. Was tun? Nichts, weiter an der Reise teilnehmen und in der nächsten Kirche sicherheitshalber eine Kerze spenden. Vielleicht hilft’s ein wenig bei der Genesung. Daheim kann man jetzt ohnehin nichts ändern. Das Tal der Vézère zeigte uns wider Erwarten kaum Touristen, und das bei diesen Sehenswürdigkeiten von Weltrang. Mitten in den Schulferien! Unglaublich. Bei uns wäre diese Gegend rammelvoll. Wo sind nur die ganzen Franzosen? In Sarlat beeindruckte nicht nur die unglaubliche Stadt, auch eine Zigeunerkapelle aus den Karpaten, die mitten in der Stadt melodische Weisen darbot, war ein Erlebnis. Die Stadt eine einzige Filmkulisse. Es hätte nicht gewundert, wenn plötzlich drei bis vier Musketiere um die Ecke geritten wären. An der Wehrkirche zu Rudelle stürzte eine mitreisende Dame und wurde in den nächsten Tagen wegen der kleinen Platzwunde am Kopf liebevoll umsorgt. So sehr, dass sie sich am Ende der Reise über das Bordmikrofon bei allen bedankte. Liebe Gesten von allen, das macht eine angenehme Reise aus. Bei Mittagsstopps ruhte unser zuverlässiger Fahrer nicht etwa, sondern band eine Schürze vor und bot zusammen mit seiner netten Frau Bratwürste, Suppen, Fettschnitten, Würstchen und natürlich Kaffee feil. Gut gekühltes Wasser und Bier gab es selbstverständlich stets während der Fahrt. Das ließ uns die fehlenden Caféhaus- und Gaststättenbesuche verschmerzen, die wegen der dichten Besichtigungspläne nicht realisierbar waren. Peter Großer berichtete genüsslich über den Roquefort-Käse. Die unangenehme Folge davon war, dass zum nächsten Frühstück der Roquefort stets alle war, weil ihn nun jeder probieren wollte. Wir waren erstmals auf solch einer Busreise dabei und staunten, wie oft andere mit Bus oder Kreuzfahrtschiff unterwegs waren. Von einem schnappte ich auf: „Im Mittelmeer haben wir mit dem Schiff alle Ecken gemacht, da gibt’s nichts Neues mehr zu sehen!“ Das war salopp gesagt und ist sicher ein wenig zu relativieren. Man kann auf einem mehrwöchigen Inselurlaub, wie es bisher unsere Vorliebe ist, sicher mehr sehen und erfahren als bei zweistündigem Landgang. Dass die meisten Prospekte nur in Französisch, Englisch und Spanisch angeboten wurden, war ärgerlich, aber im Blick auf die Geschichte auch verständlich. Wir Deutschen sind auch heute noch nicht überall sehr willkommen. Der Park in Clermont-Ferrand schloss laut Torschild um einundzwanzig Uhr. Aber bereits kurz nach halb Neun ertönte über eine Viertelstunde lang eine ohrenbetäubende Klingel, die alle Besucher aus dem Park trieb. Hier sorgte solch ein Lärm für Ordnung, in Deutschland hätten sicher einige deswegen ihre Stadt verklagt. Eine große Hochzeitsgesellschaft kam uns hupend entgegengefahren. Dahinter fuhr ein Auto mit einem Pferdeanhänger. Eine Mitreisende bemerkte trocken: „Da kommt die Braut!“ und der ganze Bus lachte. Eine andere setzte aber noch einen drauf mit dem Bemerkung: „Ja, wenn sie ein feines Brautkleid anhat mit einem steifen Petticoat darunter, da kann sie nicht sitzen und muss eben stehen“. Die kleinste Frau unserer Reisegruppe besaß die größte Kamera. Und das kleinste ehrliche Dankeschön ist besser als die größte bestellte Lobeshymne. Also, ein kleines ehrliches Danke¬schön an alle, die diese Reise organisiert und durchgeführt haben! Siglind und Werner Pollandt

Werner Pollandt
17.08.2014