Reisebericht: Rundreise Frankreich – Normandie und Bretagne

07.06. – 15.06.2024, 9 Tage Rundreise in West–Frankreich mit Flug nach/von Paris – Rouen – Honfleur – Caen – Landungsstrände – Granville – Chausey–Inseln – St. Malo – Cancale – Mont–Saint–Michel – Cap Frehel – Quimper – Pointe du Raz – Concarneau – Carnac – Vannes – Rennes –


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Diese Reise durch den Westen und Nordwesten Frankreichs führte uns zunächst in die Normandie, in ihre Hauptstadt Rouen an der Seine, in Seebäder und Festungsstädte an der Kanalküste, an die Orte der alliierten Landungen 1944, zum Weltkulturerbe Mont St.Michel, sodann an die zerklüftete bretonische Küste und an magische Stätten der Megalithkultur und der Artussage. Eine Fülle vor allem mittelalterlicher Zeugnisse begegnet uns, alte Ortsbilder, vor allem faszinierende Kirchen in Rouen und Caen, Mont St.Michel und auf der Rückfahrt nach Paris auch noch die Kathedrale von Chartres, der Inbegriff der französischen Kathedrale, die „Akropolis Frankreichs“ wurde sie mal genannt.

Normandie. Wie der Name schon sagt, war diese abwechslungsreiche Landschaft normannischen Herzögen und Königen untertan, Nordmännern, Skandinaviern, den Nachfahren der Wikinger also. Schon zu römischer Zeit gab es die Provinz Lugdumensis secunda in annähernd den heutigen Ausmaßen. Viele Verkehrswege sind noch älter, aus keltischer Zeit (ca.500 v.Chr.). Die Gallier, von deren Leben uns Asterix und Obelix am prominentesten erzählen, waren Kelten. Ab dem 5.Jh. kamen bereits christianisierte Franken, die Klöster und Kirchen gründeten (Rouen, Caen, Mt.S. Michel).
Ab dem 9.Jh. kamen wie gesagt die Normannen aus Skandinavien ins Land. 150 Jahre später waren es die Normannen selbst, die sich zeitweise gegen Skandinavier wehren mussten. Schillerndster Vertreter der Normannen im 11.Jh. war Wilhelm der Eroberer. Unter ihm wurden die Kathedralen von Rouen und die Klosterkirchen Jumièges und St.Etienne in Caen gegründet. Er wird aber in erster Linie mit der Eroberung von England verbunden. Sein Halbbruder, Odo von Conteville, war Bischof von Bayeux und Auftraggeber des berühmten Teppichs gleichen Namens, auf dem die Invasion Englands 1066 illustriert ist. Wilhelm landete, übrigens unterstützt vom Papst, in England, als dessen König Harold (eigentlich ein Vasall Wilhelms, der sich dann aber doch zum englischen König krönen ließ) gerade in andere Kämpfe im Norden verstrickt war. Wilhelm ließ sich Weihnachten 1066 in Westminster krönen und regierte fortan von dort. Folglich war die Normandie nur noch ein Teil seines Reiches. Nach dem Tod Wilhelms wurde Robert Kurzehose, Sohn des frz. Königs Heinrich I, Herzog der Normandie und Rufus, sein Bruder, König von England. Noch über hundert Jahre blieben Normandie und England politisch verbunden.



Etwas unübersichtlich ist die Geschichte, dass die Normandie mal von England aus regiert wurde und England von der Normandie. Das Sagen hatten auf beiden Seiten aber die Normannen.



Das 12.Jh. ist die Zeit der Plantagenets. Das Königsgeschlecht leitet sich von „planta genista“ (Ginster) ab, der sich in seinem Wappen befindet. Henry II Kurzmantel ist nach komplizierter Heiratspolitik Herrscher über das „Angevinische Reich“ (von Angers), das sich von Schottland über das heutige Westfrankreich bis hin zu den Pyrenäen erstreckt. Verheiratet ist er mit Eleonore von Aquitanien, ihr gemeinsamer Sohn ist Richard Löwenherz. Alle drei sind übrigens in der sehr sehenswerten Abtei Fontevraud an der Loire begraben, ihre Sarkophage sind Highlights der romanischen Skulptur (Eleonore liest noch als Tote die Bibel). Richard Löwenherz war erst Herzog der Normandie, dann König von England. Sein Bruder war übrigens Johann Ohneland.







Zur Absicherung seiner Herrschaft lässt er das Chateau Gaillard in Rekordzeit erbauen, dieses fällt aber 1204, lange nach dem Tod Richards, in den Besitz der mittlerweile erstarkten französischen Krone des Königs Philippe II Auguste. Damit wurde und blieb schließlich die Normandie französisch. Sie wurde anfangs wie ein erobertes Gebiet behandelt, bewahrte aber ihr ausgeklügeltes Rechts- und Verwaltungssystem.



Ab der Mitte des 14.Jh. ist die Normandie teilweise wieder englisch, es herrscht der 100jährige Krieg zwischen Frankreich und England. In diese Zeit, Anfang des 15.Jh., fällt die Geschichte von Jeanne d’Arc, der Jungfrau von Orleans, die Frankreich den Engländern entriss, dann aber an dieselben verraten und 1431 als 19Jährige auf dem Scheiterhaufen in Rouen verbrannt wurde.



Trubel gab es auch in der Normandie im 16. und 17.Jh. mit den Hugenotten, deren Toleranzedikt von Nantes 1598 durch Heinrich IV bürgerkriegsähnliche Zustände beendete, bei denen viel Kircheninventar dran glauben musste. 1685 wurde es von Ludwig XIV aufgehoben. Damit setzte ein wirtschaftlicher Niedergang durch den Wegzug dieser Protestanten ein. Weitere Zerstörungen an Kunstschätzen gab es in der Französischen Revolution. Dem 20.Jh. begegneten wir u.a. an den Orten und Monumenten der alliierten Landung 1944. Die Zerstörungen des 2.Weltkrieges sind in vielen Städten, die wir passierten, noch deutlich zu erkennen.



Mit ca. 30.000 qkm ist die politische Normandie 1/10 größer als die Bretagne (Burgund, NRW und Katalonien sind etwas größer), hat aber mit 3 1/2 Mio. etwas weniger Bewohner als jene (4Mio.). Die haute-/basse Normandie beziehen sich nicht auf die Höhenlagen, sondern eher auf die nördliche und die südliche Normandie. Es herrscht ein mildes Meeresklima. Das strahlende Grün der Landschaft lässt auf reichlich Feuchtigkeit schließen. Selbst bei bedecktem Himmel aber scheint die Luft zu leuchten- das haben die Impressionisten, die sich oft hier aufhielten, schnell bemerkt.



Das Landschaftsbild wird (wie übrigens auch in der Bretagne) von der Bocage geprägt. Wo ausgedehnte Wälder waren, die v.a. für den Schiffbau (auch für den Kathedralenbau!) abgeholzt wurden, entstand ein Geflecht von Steinwällen, auf die Bäume und Büsche gepflanzt worden. Sie sind Jahrhunderte alt, und es gibt sie ja auch in einst keltischen Gegenden und sogar im Erzgebirge. So gibt es hier keine ausgedehnten Wälder, aber Millionen von Einzelbäumen.



Die Küche der Normandie ist mehr kräftig und bodenständig als raffiniert. Fleisch und Milchprodukte werden vorrangig hier erzeugt. Die Butter aus Isigny ist weltberühmt, beim Käse ist es das „Dreigestirn“ Camembert, der quadratische Pont l’Éveque und Livarot, das aus 32 Sorten herausragt. Aus Millionen von Äpfeln entstehen die hiesigen Spezialitäten Cidre und Calvados, wovon wir uns auch überzeugen werden. Wenn man in Frankreich „unzählig“ illustrieren will, dann sagt man: mehr als Äpfel in der Normandie. Die Nähe zum Meer sorgt natürlich auch für Krustentiere, Fisch und Muscheln.



Drei große französische Schriftsteller haben die Normandie in ihren Werken verewigt: Flaubert (Mme Bovary), Maupassant (Bel Ami) und Proust (In Swanns Welt).
Ein Reisebericht von
Lutz Finkler
Lutz Finkler

Anreise per Flug nach Paris

Rouen, Pont de Normandie, Honfleur, Destille Huet

Rouen
Von der Wallfahrtskirche Bonsecours hat man einen guten Überblick auf das Ausmaß der Stadt Rouen und begreift hier, dass die Stadt heute den fünftgrößten Hafen Frankreichs beherbergt. Auf der ausgebaggerten Seine können bis hier Schiffe mit bis zu 140.000 BRT fahren. In Seine-Nähe und vor allem im Industriegebiet links des Flusses gab es im 2.Weltkrieg große Zerstörungen. Auch die Altstadt war betroffen, ist aber in einzigartiger Weise wieder restauriert worden.
Bereits zu keltisher Zeit gegründet, wurde der Ort von den Römern zur Planstadt ausgebaut. An der dafür typischen Kreuzung von Cardo und Decumanus, der Haupt-und Querachse, befindet sich, wie so oft in Frankreich und England, der Kathedralplatz. Von der Verwaltungsorganisation im 4.Jh. bis heute ist Rouen der Hauptort der Provinz. Seit dieser Zeit gibt es hier eine Kathedrale. Der frühe Bischof Romanus (St.Romain) hatte das Privileg, jährlich einen Übeltäter vor der Todesstrafe zu retten. Bis zur französischen Revolution trug der Delinquent den Schrein des Heiligen Romanus bis in die Nähe der Seine.
Bis zum Hundertjährigen Krieg ab 1350 blühte die Stadt, was man noch heute v.a. an den fantastischen Kirchenbauten jener Zeit sehen kann.
Als im frühen 15.Jh. die Normandie von den Engländern besetzt wurde, ereignete sich die Geschichte von Jeanne d’Arc aus Lothringen, die dem späteren französischen König Karl VII gegen die mit den Engländern verbündeten Burgunder zu Hilfe kam. Sie wurde Weihnachten 1430 bei dem Versuch, das von den Burgundern besetzte Compiègne zu befreien, gefangen genommen. Eigentlich hatte sie längst „abgeschworen“, doch die Engländer kauften ihre Gegnerin für 10.000 Franken, um sie am 30.Mai 1431 auf dem alten Marktplatz hinrichten zu lassen. Sie wurde später nicht nur rehabilitiert, sondern auch heiliggesprochen. Was dieses 19jährige Mädchen angetrieben und so gestärkt hat, dass Mächtige auf sie aufmerksam wurden, ob Gott ihr befahl, - all das bleibt im mythischen Dunkel. Zahlreiche Rezeptionen dieser Geschichte gibt es im Film, Theater, in der Musik, in der Literatur und in Computerspielen.
Die Kathedrale, deren Vorgängerbau 1060 von Wilhelm dem Eroberer geweiht worden war (davon noch erhalten die Krypta und Teile des Nordturms), erhielt ihre Fassade bereits ab 1170 – damit rückt sie zeitlich in die Anfänge von Notre Dame de Paris und Chartres. 1185 wurde das romanische Schiff abgerissen, 1247 war der Bau vollendet. Nur die Querhausportale, die Rose und die Marienkapelle entstanden noch wenig später. Die Apsisfenster sind heute nicht mehr original, sondern wurden durch die der im 2.Weltkrieg zerstörten Kirche St.Vincent ersetzt. Das linke Fassadentympanon aus dem 13.Jh. zeigt den Tanz der Salome, mehr akrobatisch als erotisch. Im Inneren des Baues gibt es wertvolle Gräber und das Herz des Richard Löwenherz. Nach der englischen Besatzung wurden die Türme erweitert. Die Hauptfassade musste wegen statischer Probleme durch den Butterturm (1506) erneuert werden. Die schon erwähnten Zerstörungen durch Hugenotten und die Revolution machten auch vor dieser Kathedrale nicht halt. Nach einem Brand des Vorgängers entstand 1825 der gusseiserne, 151 m hohe Vierungsturm, zu seiner Zeit sehr umstritten.
Berühmt ist die Kathedrale natürlich auch durch die insgesamt 53 Bilder, die Claude Monet zu allen Tageszeiten von ihrer Fassade gemacht hat. Er hatte sich im Hotel gegenüber eingemietet. Die meisten sind im Musée d’Orsay in Paris zu sehen, es gibt aber auch welche in Essen, N.Y., Washington, L.A. und sogar in Belgrad.
St. Maclou, dessen ganze Umgebung ein Zeugnis der Restaurierungen eines ganzen Stadtviertels ist, ist ein Paradebeispiel für den spätgotischen Flamboyant (Flammen-)-Stil. Die Kirche entstand, nachdem ein Vorgängerbau 1432 eingestürzt war, bis 1521 durch die Spenden des reichen Bürgertums. Im Tympanon sieht man das Jüngste Gericht, bemerkenswert sind die Vorhalle und die Türschnitzereien. Der 84m hohe Vierungsturm entstand 1868-71. Unweit befindet sich der Pesthof („Atrium St. Maclou“), ursprünglich war hier, außerhalb der Mauern, ein Pestfriedhof.
St.Ouen (Anduin) ist größer als die Kathedrale und geprägt durch den großartigen flamboyanten Vierungsturm von 84 m Höhe. Auch hier gab es einen romanischen Vorgängerbau. 1318 begonnen (es entstanden bald die Chorfenster), zog sich der Bau bis 1536 hin. Für die Fassade reichte es nicht mehr, sie entstand kläglich neugotisch im 19.Jh.
Der Uhrenturm mit der Gros Horloge wurde ab 1527 errichtet. Technische Kunstwerke dieser Art waren der Stolz der Städte (vgl. Auxerre).
Bildprägend ist auch der Palais de Justice mit einem mittelalterlichen Kern (Hofumrahmung). Auf der Nordseite des Hofes befindet sich der Palais Royal. Ansonsten ist der Palais aber geprägt durch einen klassizistischen Flügel (1778) und einen „spätgotischen“ Neubau.
Schließlich kommt man zum Alten Markt und damit zu der Stelle, wo Jeanne d'Arc hingerichtet wurde. Ein Monument weist darauf hin.

Wir fuhren weiter, bis wir von Norden an die Pont de Normandie (1988-94) kamen. Es ist eine 2141 m lange Schrägseilbrücke mit einer Höhe von 214 m. Die Pylone werden getragen von 4x23 Kabeln. Die längste Stützweite ist 856 m, ein europäischer Rekord.

Honfleur
Die alten Häuser um das Hafenbecken trugen dazu bei, das H. „schönster Hafen der Normandie“ genannt wird. Erst im 18. Jh. wurde er Bedeutung von Le Havre überholt. Der Ort reizte besonders die Impressionisten.

Auf kleinen Straßen, die uns die ganze Schönheit der normannischen Landschaft sehen ließen, gelangten wir nach Cambremer, wo zunächst eine Käseprobe der schon erwähnten Sorten Camembert, Pont l'Evèque und Livarot und sodann eine Cidre- und Calvadosprobe stattfand. Ausführlich wurde bei der Führung durch den Familienbetrieb Huet über die Herstellung der köstlichen Produkte referiert.


Caen, Landungsstrände der Alliierten, Granville

Caen
Die Stadt an der Orne wird die zweite Hauptstadt der Normandie genannt und gehörte 1944 zum Frontgebiet. Entsprechend groß waren die Zerstörungen. Das „Memorial de Caen“ mit dem „Musée de la Paix“ im NW der Stadt dokumentieren das. Wie in Le Havre, St. Malo und Brest gab es einen Wiederaufbau im modernen Stil, in Caen aber um die restaurierten historischen Monumente herum.
Wilhelm der Eroberer gründete auf dem Plateau oberhalb des Flusses das Chateau (richtiger eine Festung). Zum schützenden Steilabfall kamen zum Schutz noch etliche Gräben dazu. Durch die Zerstörungen entstand der Platz für den weiten Park, in dem sich die Museen de Normandie und des Beaux Arts befinden.

Kunsthistorisch am bedeutendsten sind die beiden Klöster mit ihren Kirchen. Das Männerkloster mit der Kirche St.Etienne und das Frauenkloster Ste. Trinité befinden sich jeweils am westlichen und am östlichen Rand der Altstadt. Sie wurden von Wilhelm dem Eroberer (Männerkloster) und dessen Frau und Cousine Mathilde (Frauenkloster) gestiftet, um den Papst, der gegen diese Ehe war, zu besänftigen.
Die romanische Kirche Saint Etienne hat zwei schlanke Fassadentürme von 80 und 82 m Höhe, die Vorbilder waren für etliche Kirchen der Normandie. Das gleiche gilt für die monumentale harmonische Fassade, die zum Teil ursprünglich erhalten ist. Innen finden wir eine sog. „fette Wand“, die durch Reihen übereinander gestellter Arkaden entsteht (vgl. Mt.St.Michel). Der Chor und die Turmhelme sind gotisch. Ein Blick von Osten auf diese vom Stilwillen geprägte Klosterkirche über den Chor mit seinen vielen Türmchen gehört zum Schönsten, was die Normandie zu bieten hat.
Ste. Trinité auf der anderen Seite der Stadt ist die Kirche der „Abbaye aux dames“. Der vor 1066 begonnene Bau war aufgrund Geldmangels erst ca. 1130 fertig, was einige bauliche Unregelmäßigkeiten erklärt. Die Fassade ist nicht so einheitlich wie die von St.Etienne. Die schwerfälligen Turmabschlüsse sind aber Verunstaltungen des 18.Jh. Weit geöffnet ist die Portalzone. Innen finden sich Riesenarkaden und eine Riesenvierung. Der romanische Chor (um 1100) zeigt, wie auch der Ursprungschor von St. Etienne ausgesehen haben muss. In der Krypta finden sich reiche Figurenkapitelle. Seit 1083 ist Mathilde in dieser Kirche begraben.

Dieser Tag war der „Bunkertag“, an dem wir die Monumente und Gedächtnisorte der Cote du Debarquement sahen. An diesen Stränden begann die Operation Overlord, die Landung der Alliierten ab dem 6.Juni 1944, die 12.000 Befreiern das Leben kostete. Noch immer trifft man hier steinalte Briten, Amerikaner und Kanadier, die an die Orte ihres Einsatzes vor 80 Jahren zurückkehren. Die Landungsabschnitte (O nach W) heißen u.a. Sword Beach, Juno Beach, Normandy Beach, Gold Beach, Omaha Beach. An letzterem (b. St. Laurent de Mer) und im 20 km östlich liegenden Arromanches (Normandy Beach) landeten die transportablen Häfen Mulberry A und B. Man sieht sie auch heute noch eindrucksvoll und bizarr im Meer liegen. Auf der Landzunge Pointe du Hoc kann man ein beeindruckendes Schlachtfeld mit Bunkerresten und Bombenkratern sehen. Da der achtzigste Jahrestag der allierten Landung gerade vorbei war, sah man an der ganzen Küste unzählige Oldtimer : Jeeps, Transporter, Tankwagen und in der Luft ganze Staffeln zeitgenössischer Propellermaschinen. Alle Veteranenvereine zeigten gleichzeitig ihr umfassendes Material.


Granville, Dior und Chausey

Granville
Das Seebad mit den steil abfallenden Ufern beherbergt das Haus, in dem der Couturier Christian Dior aufwuchs. Es ist seit 1997 Museum, das einzige in Frankreich, das einem Couturier gewidmet ist. Das Leben und die Karriere des 1905 in Granville geborenen Künstlers werden auf drei Etagen beleuchtet. Auch für nicht Modeinteressierte dürften die ausgestellten Créations, die Elisabeth II, Evita Peron und Marlene Dietrich schätzten, Wirkung ausüben. Die rosafarbene Villa „Les Rhumbs“ (Windrose?) wurde 1938 von der Stadt gekauft. Sehenswert ist auch der englische Garten, den die Mutter, Madeleine Dior, entworfen hat.
Zum Stadtgebiet gehört der Aussichtspunkt Pointe du Roc. Auch hier finden sich Bunker.

Chausey besteht aus 22 Inseln, die 25 km westlich der westnormannischen Küste liegen. Nur die Grand-Ile, bekannt durch ehemalige Steinbrüche und Muschelkulturen, ist bewohnt. In den wenigen Häusern leben 30 Bewohner, jährlich besuchen die Insel aber 200.000 Touristen, die zum Leuchtturm gehen und in die drei Lokale. Die Tide ist durch Level-Unterschiede bis zu 14 m gekennzeichnet. Das unerwartet schöne Wetter ließen die Umfahrung der Insel mit dem Boot und die anschließenden Spaziergänge in Seeluft und Sonne zu einem imposanten Erlebnis werden.


St. Malo, Cancale, Mont St. Michel

St.Malo
Endlich führte uns Nathalie, unsere örtliche Führerin, durch St. Malo, wo wir schon seit 2 Tagen übernachteten. Die graubraune Stadt in imposanter Lage ist von drei Seiten vom Meer umgeben. Die Altstadt intra muros, innerhalb der dicken Mauern, wurde zu 80 Prozent im alliierten Bombenhagel zerstört. Wie Le Havre und Brest ist St. Malo ein wichtiges Zeugnis des Wiederaufbaus. 33 verlorene Gebäude wurden kopiert. Insgesamt wirkt die Stadt kühl, aber sehr beeindruckend. Ein Muss ist der Rundgang über die Festungsmauern.
Die Burg von 1415 ist heute Rathaus. Herzogin Anne, eine der beeindruckendsten Persönlichkeiten in der Geschichte der Bretagne, ließ sie errichten. St. Malo ist auch Geburtsort des romantischen Schriftstellers Chateaubriand.

In Cancale, dem Austernzentrum Nordfrankreichs, machten wir Picknick mit eben diesen Austern und gutem Weißwein. 6000 t werden jährlich geerntet.

Mont St.Michel
Die letzten zwei Tage standen bereits unter dem Einfluss des weithin sichtbaren Berges des Heiligen Michael. Dieses „Wunder des Abendlandes“, „Leuchtturm der Christenheit“, ist nach dem Eiffelturm Frankreichs meistbesuchtes Denkmal und ein Höhepunkt jeder Normandiereise. Vom Andrang sollte man sich nicht schrecken lassen, sondern sich diesen in dem Ausmaß bereits im Mittelalter vorstellen. Der Deich von 1877, der den Zugang ermöglichte, ist aus Renaturierungsgründen durch eine Stelzenbrücke ersetzt worden.
97 ha misst die Inselanlage, ab 80 m Höhe hat man den Level der Abteikirche erreicht, 157 m über dem Meer erreicht der markante Vierungsturm, der übrigens, wie auch die Michaelsskulptur darauf, aus dem 19.Jahrhundert stammt.
Für so eine imposante Anlage gibt es natürlich einen Gründungsmythos. 708 wurde Bischof Aubert von Avranches vom Erzengel Michael aufgefordert, auf dem Berg eine Kirche für ihn zu gründen. Der Bischof ist seinen Träumen gegenüber aber skeptisch, so dass der Erzengel handgreiflich werden muss und das Haupt Auberts „berührt“. Dieses Haupt, das sich, einst importiert vom Monte Gargano im Süden Italiens, als Reliquie in Avranches befindet, zeigt eine runde Öffnung in der Schädeldecke. Diese Heiligengeschichte kann man übrigens auch in zwei Museen auf dem Mont St. Michel in Dioramen erleben.
Hat man die Abteikirche erreicht, kann man von dort aus in den ältesten erhaltenen Teil der Anlage hinabsteigen, in die Notre-Dame-sous-Terre aus dem 10.Jh.. Diese Kirche wurde noch im Schutz der vorhandenen Felsen errichtet, diente ab 1017 dann aber als Basis für die Kirche auf der Höhe des Granitfelsens und verschwand „sous terre“.
Der Bau der Abtei ging sehr langsam voran wegen technischer und statischer Schwierigkeiten. Immer wieder gab es Einstürze und obendrein Brände. Erst um 1150 konnte die Kirche inkl. Gewölbe und Vierungsturm vollendet werden. Die zwei Türme der Westfassade waren 1184 vollendet. Wie schon gesagt, stammt der heutige Vierungsturm aus dem 19. Jh.. Überhaupt gibt es, wie mancherorts in Frankreich auch, sehr viele Teile aus dem 19. Jh., dass man fast von Rekonstruktion sprechen kann.

Nach Zerstörungen durch englische Belagerungen und Brände kamen im 13.Jh. durch Anstrengungen des französischen Königs Philippe Auguste weitere Klosterbauten hinzu, zusammengefasst in dem romanischen Wunderwerk La Merveille: das Refektorium 1220, kurz danach die Salle des Chevaliers und der Kreuzgang.
Im 14.Jh. musste die Abtei im 100jährigen Krieg viele weitere Angriffe der Engländer über sich ergehen lassen. Es ist die Zeit, in der die Anlage zur Festung ausgebaut wird. Mont St.Michel wird zum Symbol des Widerstandes. Außerdem musste nach Einsturz des romanischen Chores ab 1448 auch hier ein Neubau erfolgen. Der jetzige Chor, fertig erst 1513, ist ein Beispiel für den (schon in Rouen erlebten) Flamboyant-Stil.
Drei weitere Joche des romanischen Schiffs fielen 1776 einem Brand zum Opfer. Die heutige Plattform draußen entstand, wie auch die klassizistische Fassade, 1780.
Danach war der Mont St. Michel für Jahrzehnte ein Gefängnis. 1872, im Zuge des aufkommenden Denkmalgedankens, begannen erste Restaurierungsarbeiten.
Der Mont St. Michel ist also nicht nur eine außergewöhnliche Landmarke, sondern zeigt auch, das Zeugnisse des Mittelalters durch Kriege, Brände und Einstürze verändert wurden, niemals homogen sind, sondern ihre Veränderungsgeschichten selbst typisch. (Eine seltene Ausnahme werden wir in Chartres sehen, aber selbst dort ist nicht alles gleichzeitig entstanden). Vor allem das 19.Jh. hat nicht nur viele mittelalterliche Zeugnisse gerettet, sondern auch idealtypisch umgestaltet, und das nicht nur in Frankreich.


Dinard, Kap Fréhel, etwas über die Bretagne, Guimilhau und Quimper

Gezeitenkraftwerk Rance
Wir fuhren auf der D168 nach Westen über den Staudamm der Rance. Unter dem Staudamm bewegen sich 18.000 Kubikmeter Wasser pro Sekunde. Das ist die „usine maremotrice“, das 1961 gebaute Gezeitenkraftwerk. Es zeugt von der Fortschrittsgläubigkeit der 1960er Jahre, immer mehr, immer weiter…es hat keine Nachfolger, da hohe Betriebskosten es unwirtschaftlich machen und die Landschaftsverschandelung immens ist.

Dinard
Das Seebad ist westlicher Nachbar und Konkurrent von St.Malo. Viele noble Villen von reichen Engländern, gebaut Ende des 19.Jh., finden sich hier. Am meisten machen die Avenue Georges V und die Promenade Clair-de-Lune her. Am Strand steht eine Statue von Alfred Hitchcock. Sie ist im Zusammenhang mit dem seit 30 Jahren im September stattfindenden Festival des britischen Films zu sehen.


Kap Fréhel
Ein Spaziergang über die Landzunge zum alten Leuchtturm, ebenfalls ein Bau des Festungsbaumeisters Vauban aus dem 17.Jh. 70 m fällt das Hochufer aus rosa Granit hinab.

Bretagne
Die Bretagne, südwestlich an die Normandie anschließend und wie ein Horn aus dem französischen Geografiekörper hervorstehend, ist mit 27.000 qkm 1/10 kleiner als die Normandie, hat aber genauso viele Einwohner wie diese. Man kann die Fläche auch mit der 1 ½ fachen Fläche Sachsens vergleichen. Es gibt 4 Departments: die Cote d’Armor mit St.Brieuc (22), Finisterre (Brest, 29), Morbihan (Vannes, 56) und Ille-et-Villaine (Rennes, 35). Das historisch zur Bretagne gehörende Departement Loire-Atlantique (44) mit der Hauptstadt Nantes wurde 1960 politisch abgespalten. Die Bevölkerungsdichte liegt bei 104/qkm. Die Bretagne ist die ertragreichste Region für Gemüse (z.B. kommen 87 Prozent der frz. Artischocken von hier), Geflügel und Meeresfrüchte. Wirtschaftlich spielt der Tourismus eine große Rolle- die Region ist die am zweithäufigsten besuchte.
150 x 250 km Fläche werden von 1200 km Küste umrandet, deren Schärfe von der Eiszeit geformt wurde. Je nach Messung kommt man auch auf 2.500 km. Im Ärmelkanal im Norden und dem Atlantik im Süden gibt es 800 Inseln, von denen die meisten unbewohnt sind. Nirgends außer in Japan finden sich solche Tide-Rekorde wie hier, der Unterschied kann auch hier bis zu 14 m betragen. Gneis, Sandstein und Schiefer finden sich auch in den Bauwerken wieder. Die höchste Erhebung beträgt lediglich 384 m. Das war vor 300 Mio. Jahren anders, da gab es Gipfel bis zu 4000m Höhe, das Armorikanische Gebirge. Das Klima ist mild im Winter (6-8- Grad), die Durchschnittstemperatur im Sommer liegt zwischen 16 und 18 Grad, und es gibt viel Sonne (2200 Stunden/Jahr).
In geschichtlicher Frühzeit war die Bretagne von Wald bedeckt. Heute findet er sich nur noch auf 5 Prozent der Fläche – ein Tiefstand im französischen Vergleich-, was u.a. an Abholzungen für den Schiffbau liegt. Die Landschaft nennt man Bocage, was wir schon von der Normandie kennen: grün, viele bewachsene Steinwälle, reich an Einzelbäumen.
Die Bretonen sind Nachfahren von keltischen Einwanderern von den britischen Inseln und Irland. Sie brachten die keltische Sprache mit, auf der das Bretonische basiert und das man heute wieder studieren kann. ¼ der ländlichen Bevölkerung sprach vor 25 Jahren noch Bretonisch. Irish Pubs gibt es überall. Heute sind die Bretonen streng katholisch. Es gibt eine rekordverdächtige Anzahl bretonischer Heiliger, allen voran Tréguier (Tugudal) und Anna, die Schutzpatronin des Landes (s.u.). Die Vorurteile der Pariser über die Bretonen: sie sind Raufbolde wie Asterix und Obelix, haben das Herz auf dem rechten Fleck – die Deutschen kennen so etwas von den Ostfriesen oder Bayern. Die Bretonen gelten als gastfreundlich. Viele Fremde renovieren die Häuser derer, die Teil der Landflucht wurden.
Wie man Klischees über Bevölkerungen beurteilen sollte, sei jedem selbst überlassen. Auch im Falle des Satzes: „Bretonen trinken so viel, wie es regnet“. Es besteht die Vermutung, dass viele von ihnen so leben wie wir und auch die gleichen Ziele und Alltage haben.

Niemand stellt sich die Bretagne ohne ihre Megalithkultur vor. Ihre imposanten Steinreihen und-anhäufungen (Menhire und Dolmen) lernten wir an ausgewählten Beispielen kennenlernen. Sie entstanden 4000 – 2000 vor unserer Zeitrechnung und gehören somit der Jungsteinzeit an. Damals sollen hier 100.000 Menschen gelebt haben. Von denen weiß man aber trotz ihrer vielen steinernen Zeugnisse wenig. Es ist zu vermuten, dass diese mit Astrologie, Sonnenkult, Begräbnis- und Fruchtbarkeitsriten zu tun haben. Die Intensität, die sie ausstrahlen, ist nicht zu verkennen und lässt einiges an gestalterischer Kraft vermuten.
Die Kelten kamen aus dem Norden, etwa 600 v.Chr. Sie nannten die Halbinsel Amorika (das Land am Meer; der Name ist ja auch der eines Departements). Vorherrschend waren jetzt Naturreligionen. Quellen und Wälder waren Heiligtümer, gehütet von Priestern, die Druiden genannt wurden. Dieses keltische Erbe zieht auf beiden Seiten des Ärmelkanals auch heute zahlreiche Esoteriker an.
56 v.Chr. schlug Caesar die einheimischen Veneter am Golf von Morbihan, womit eine 500jährige Zeit römischer Kontrolle begann. An den Schnittstellen von Überlandstraßen entstanden Städte. Um 480 verdrängten angelsächsische Stämme die noch ansässigen Kelten von der Insel, diese wichen in die Bretagne aus. Da sie bereits Anhänger des christlichen Glaubens waren, beeinflussten sie die seit 1000 Jahren in der Bretagne lebenden Kelten in diesem Sinne. Erste Pfarreien erkennt man an den Ortsendungen –plon, -lan, tre. Nach keltischen Missionaren benannt sind St. Malo, St.Pol, St. Brieuc.
Keltischen Ursprungs ist die Artussage, auch Tristan und Isolde.
Die Geschichte der Bretagne im Hochmittelalter ähnelt der bereits anhand der Normandie kennengelernten. 939 übernahmen die Normannen die Herrschaft, im 12. Jh. Die englischen Plantagenets. Das Herzogtum Bretagne erlebte im 14. Und 15.Jh. ein goldenes Zeitalter. Residenz war die Burg von Nantes, Krönungsort Rennes. Mit einer Niederlage gegen den französischen König endete die bretonische Souveränität. Herzogin Anna, „la petite brette“, musste 1491 den französischen König ehelichen und nach dessen Tod seinen Nachfolger Ludwig XII. Die Tochter Claude musste Franz I heiraten. So wurde durch Zwang die Bretagne französisch, blieb aber als Herzogtum privilegiert.

Auch in den folgenden Jahrhunderten gab es immer wieder Revolten gegen die französische Krone. Die 1598 proklamierte Glaubensfreiheit für Hugenotten und deren Widerruf 1685 durch Ludwig XIV hinterließ auch in der Bretagne wirtschaftlichen Schaden. In der französischen Revolution zerstritten sich Nantes (contra) und Rennes (pro) und es gab bis 1804 eine Art Guerillakrieg (Chouans-Aufstände).
Die Eröffnung des Kanals von Nantes nach Brest, geografisch wie ein Rückgrat durch das Land verlaufend, brachte im 19.Jh. wirtschaftlichen Schub und auch der Tourismus begann, wie in der Normandie, in jener Zeit.
Nach den Zerstörungen des 2.Weltkrieges (St.Malo, Brest, Lorient, St.Nazaire) gab es ab den 1960er Jahren einen wirtschaftlichen Neubeginn (Citroen in Rennes, Gezeitenkraftwerk Rance). 1965 wurde Bretonisch zur Abiturprüfung zugelassen, trotzdem gab es schon nach dem 1.Weltkrieg und dann besonders in den 1970er Jahren starke separatistische Bewegungen, außerdem immer wieder Proteste der Fischer, denen das Parlament in Rennes zum Opfer fiel.
In neuerer Zeit gab es zwei verheerende Ölpeste, 1978 durch die Amoco Cadiz und 1999 durch die Erika. Auch die Exzesse des Atomzeitalters milderten sich: nahe der Pointe du Raz war ein Atomkraftwerk geplant! Die Pointe du Raz und auch Kap Fréhel, wehren sich gegen den Massentourismus.

Guimiliau
Das Léon ist Frankreichs „Wilder Westen“. Reich geworden durch Tuchhandel mit England, Leineweberei und Gerberei, entstanden hier, in Konkurrenz zueinander, die berühmten umfriedeten Pfarrbezirke. Diese „Enclos paroissial“ des 15. und 16.Jh. sind ein Sonderfall der Kunstgeschichte. Neben den Kirchen entstanden hinter Mauern prachtvolle Beinhäuser und Bildstöcke (calvaires) mit Szenen aus dem Leben Jesu, zu denen ein Triumphtor Einlass vom Profanen ins Sakrale gewährt. Es sind theatralische Bilderbücher, pittoreske Zeichen einer „Pfeffersackfrömmigkeit“. In Guimiliau entstand der Enclos nur 5 km entfernt zur Konkurrenz in St. Thégonnec. Auf dem Triumphtor befinden sich zwei Reiter, auf dem Kalvarienkreuz sieht man Tumultszenen: eine wohl 200köpfige Schar begleitet Christus auf seinem Leidensweg. Das Beinhaus zeigt ein Memento Mori-Relief. Die Kirche zwischen Gotik und Renaissance beherbergt eine Fülle von Heiligen und einen wertvollen Taufstein.

Quimper
Der Name der 60.000 Einwohner zählenden Stadt leitet sich vom bretonischen „kemper“ ab, was „Zusammenfluss“ bedeutet. Es fließen hier die Steir und der Odet zusammen. Die Cornovaille, grünster Landstrich der Bretagne mit Blumen und Palmen, heißt auf Englisch „Cornwall“ und verdeutlicht auch sprachlich die Übereinstimmungen mit SW-England.
Am sicheren breiten Odet entstand die Hafenstadt an einem Ort, der schon römisches Militärlager war. Quimper ist eine Bischofs- und Fachwerkstadt, die durch die bleigraue Kathedrale St. Cotentin geprägt wird, deren Türme aus dem 19.Jh. stammen. Der Chor driftet leicht links ab, aus Rücksicht auf eine ältere Kapelle. Zum Odet gibt es Reste der Stadtmauern. Der Bischofspalast ist seit 1911 Museum. An der Nordseite der Kathedrale gibt es das Musée des Beaux Arts von 1872. Interessant sind die Viertel um die Rue Kéréon (Fachwerk) und der Place Terre au Duc; die Rue du Sallé, die Rue des Boucheries mit der Maison des Cariatides; der Place au Beurre. Auf dem Boulevard Amiral de Kerguelen schließlich finden sich einige bemerkenswerte Gebäude der Klassischen Moderne: Kodak 1933, Citroengarage 1934, Restaurant Felle Blanche 1932.


Pointe du Raz, Concarneau und Carnac

Die Pointe du Raz liegt am Ende des Cap Sizun, dem westlichen „land’s end“. Es ist ein wildes Kap von 72 m Höhe über dem Meer. Hier führen über schroffe Klippen die Fernwanderwege E5 und GR 34 herum. Seit einiger Zeit ist hier eine „Grand Site National“ mit besonderem Schutz. Dem musste ein Brei von etlichen Boutiquen und Hotels weichen, leider 1996 auch das kleine Hotel d’Iroise der Mme Le Coz von 1950, was einigen Wirbel in der Presse verursachte. Man bedenke, dass in der Nähe einmal ein Atomkraftwerk entstehen sollte!

Concarneau
Den Ursprung als Hafenstadt verdeutlichen der Leuchtturm und die Kapelle Notre-Dame-de Bon Secours. Concarneau soll der drittgrößte Hafen Frankreichs sein! Man muss auf den Stadtmauern gehen. Von der Ville Close der Festungsstadt (auch hier Modernisierungen von Vauban!), hat man einen guten Blick auf die Hafenpromenade, wo sich auch das L’Amiral, das Lieblingslokal des Fernsehkommissars Dupin befindet. Am Belfried am Eingang zur Ville Close befindet sich eine Sonnenuhr, im Inneren die Place St.Guénolé mit der gleichnamigen Kirche von 1997 mit Hufeisenform – ein neues Wahrzeichen der Stadt. Auf der Place Jean Jaurès wiederum ließ Simenon Kommissar Maigret raisonnieren.

Am Ortsausgang Erdeven kann man an der D 781 gut halten für einen Fotostopp für die Alignements de Kerzerho, 10 Steinreihen mit Menhiren. Die größten ragen 6 m auf.
Menhire nennt man die hoch aufragenden Einzelstücke (es gibt in der Bretagne insgesamt 5000), Dolmen sind Ganggräber aus geschichteten Steinen (etwa 1000). Wer sie errichtet hat und was ihre Bedeutung ist, bleibt rätselhaft. Reliefs von Schlangen, konzentrischen Kreisen, Krummstäben, Dolchen und Beilen sind festzustellen.

Carnac
An den Alignements de Ménec (1099 Steine) befindet sich das Infozentrum.
In Carnac ist alles auf die Eigenschaft als „Hauptstadt der Megalithkultur“ ausgerichtet. Dolmen und Menhire gaben der ganzen Küste Cote des Megalithes den Namen. 2935 Menhire in O-W-Ausrichtung gibt es hier. (Weitere Orte sind Kermario m. 1029 Steinen und Kerlescan mit 555 Steinen).


Paimpont, Artus, Rennes, Chartres

Paimpont, Wald von Brocéliande
In Paimpont gibt es ein Kloster, das bis auf das 7.Jh. zurückgeht. Es ist ein Ausgangspunkt für Erkundungsgänge in den Foret de Brocéliande, heute noch 7000 ha groß – ein kläglicher Überrest dessen, was Lancelot und Merlin, sollte es sie denn gegeben haben, gesehen haben könnten. Magische Quellen und grüne Tümpel ziehen viele Menschen, auch Gralssucher, an. Die Artussage, wohl zu keltischer Zeit über den Ärmelkanal getragen, wird literarisch behandelt im 12. Jh. von Geoffrey of Monmouth und 1803, mitten in der Zeit der Romantik, von Dorothea Schlegel ins Deutsche übertragen.

Der englische König Artus verschafft sich mit Hilfe seines Ziehvaters, des Zauberers Merlin, das Schwert Excalibur. Dieses macht so mächtig, dass Feinde damit geschlagen werden können, z.B. die Sachsen. 12 Jahre geht das gut. Die Ritter der Tafelrunde, 40 an der Zahl, u.a. Iwein und Lancelot, sorgen für Ordnung im Lande. Artus Frau Guinevra hütet den Sitz Camelot. Fehlt zum Glück noch der Gral, das Gefäß, in dem Joseph von Arimathia Christi Blut auffing. Dem forscht Parzival nach.
Liebschaften und Untreue bereiten der Idylle ein Ende. Nach einer Liebelei mit Artus Frau muss Lancelot fliehen. Dazu kommt ein Umsturzversuch von Artus Neffe Mordred, bei dem Mordred getötet wird. Artus aber verliert die letzte Schlacht und begibt sich schwer verwundet nach Avalon, einer Insel im Atlantik, genannt die „Todesinsel“. Die Sage aber behauptet: eines Tages wird er von dort zurückkehren.
Lancelot wird übrigens im See von Comper (das ist hier um die Ecke) in einem Kristallschloss aufgezogen, und zwar von der Fee Viviane, mit der wiederum Merlin ein romantisches Verhältnis hatte. Hier im Wald liegt übrigens Merlins letzte Ruhestätte (ausgeschildert), ferner die Heilige Quelle von Barenton und der „Feenspiegel“-Teich im Val sans Retour, wo die böse Fee Morgane untreue Ritter gefangen hält.

Rennes
Die Universitätsstadt, Hauptstadt des Departements Ille-et-Villaine sowie die Hauptstadt der Bretagne mit 200.000 EW, beeindruckt sowohl als mittelalterliche Fachwerkstadt, besonders um die Kathedrale, als auch als „Klein-Paris“ mit Boulevards und Prachtbauten (La Ville classique). Letztere entstanden dort, wo die Zeugnisse des Mittelalters einem großen Brand im Jahre 1720 weichen mussten- verheerend und zugleich mit innovativen Folgen. Prachtvoll ist die Place de la Mairie mit dem Rathaus von 1734-42, gegenüber die Oper von 1831, unweit nordöstlich der Palaisplatz, gestaltet von einem Pariser Architekten. Hier befindet sich der barocke Palais de Justice, abgebrannt 1994 im Zuge von Fischerprotesten und mittlerweile als Parlament wiedererrichtet. Östlich dieser „Neustadt“ liegt mit alten Fachwerkbauten die beim Brand verschonte Rue St.Georges. Im Norden der Altstadt befindet sich die Place Ste. Anne, wo sich die Kapelle innerhalb einer neugotischen Kirche erhalten hat, in der die heute Heilige 1491 zur Ehe mit dem französischen König gezwungen wurde. Die Kathedrale St.Pierre, begonnen 1560, ist ein nicht unbedingt sehenswertes Konglomerat aller möglichen Stile. Sie beherbergt aber einen flämischen Schnitzaltar. Unweit die Place des Lices mit den großen Markthallen. Die vom Brand verschonte Altstadt findet sich um die Straßen la Psalette, St.Sauveur und Chapitre.

Chartres
Wie eine Glucke thront die Kathedrale Notre-Dame über der kleinen Altstadt. Sie ist in jeder Hinsicht besonders. Da Chartres nie zerstört wurde, haben wir hier noch fast denselben Blick wie unsere Vorfahren vor 750 Jahren. Der plastische Schmuck und fast alle Fenster sind original! Insofern gilt das Bauwerk als DIE Kathedrale schlechthin, als „Urbild der Kathedrale“. Rodin nannte sie die „Akropolis Frankreichs“. Der Grund für diesen Bau in einer „Kleinstadt“: man war im Besitz einer überaus wertvollen Reliquie, des Gewandes Mariens.

Seit 1194 wurde hier gebaut und 1260 war bereits im Großen und Ganzen fertig, was wir hier sehen. Durch Fortfall der Emporen wirkt der Bau innen trotz „nur“ 36m Gewölbehöhe himmelstrebend. Ja, die Architektur wirkt lediglich wie ein Gerüst, wie ein Schrein für die 176 fantastischen Fenster. Durch diese entstand der Begriff „Bleu de Chartres“, besonders an der Fassadenseite ist der Eindruck überwältigend.
Doch nicht nur die romanische Krypta verdeutlicht, dass Teile der Kathedrale älter sind als der gotische Bau. Die Figuren des Königsportals, also des Mitteleingangs der Hauptfassade, entstanden bereits 1145-50, also fast 50 Jahre vor dem Neubau. Wann sie nach dem Brand der Vorgängerkirche hierher versetzt wurden, ist umstritten. Sie sind die ältesten gotischen Figuren der Kunstgeschichte. Willibald Sauerländer nannte sie die „Versinnlichung des Religiösen“. Eine Mandorla zeigt das Jüngste Gericht, eine sog. Majestas Domini, die Figuren auf den rechten Gewänden sind vermutlich David, Bathseba und Salomo. Das linke Portal zeigt die Himmelfahrt Christi, flankiert von Tierkreiszeichen-Darstellungen und solcher von Monatsarbeiten. Das rechte Portal zeigt Maria auf dem Thron der Weisheit, umgeben von Figuren des Wissens und der Artes liberales. Bemerkenswert die Darstellung der Grammatik: sie hat eine Rute in der Hand, mit denen sie zwei Schülern wortwörtlich etwas einbläuen kann.
Übrigens sind auch die Fenster unter der berühmten Rose von ca. 1150, also vor Baubeginn der Kathedrale entstanden.
Die Querhausfassaden sind erst zur Zeit des Kathedralbaues entstanden (Marienportal N 1204/05; Jüngstes Gericht S 1210-30). Aus den überschlanken Heiligen der Hauptfassade sind standfeste, lebensnahe Figuren geworden.




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